VG Arnsberg

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Zitieren als:
VG Arnsberg, Gerichtsbescheid vom 28.08.2008 - 11 K 2952/07.A - asyl.net: M14672
https://www.asyl.net/rsdb/M14672
Leitsatz:

Verzichten die Eltern eines Kindes gem. § 14 a Abs. 3 AsylVfG auf die Durchführung des Asylverfahrens, beträgt die Ausreisefrist gem. § 38 Abs. 1 AsylVfG einen Monat; § 38 Abs. 2 AsylVfG ist nicht anwendbar.

 

Schlagwörter: Verfahrensrecht, Antragsfiktion, Verzicht, Asylverfahren, Kinder, Ausreisefrist, Abschiebungsandrohung, Abschiebungshindernis, inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, Prüfungskompetenz, Bundesamt, Ausländerbehörde, isolierte Anfechtungsklage
Normen: AsylVfG § 14a Abs. 2; AsylVfG § 14a Abs. 3; AsylVfG § 34; AufenthG § 59; AsylVfG § 38 Abs. 2; AsylVfG § 38 Abs. 1
Auszüge:

Verzichten die Eltern eines Kindes gem. § 14 a Abs. 3 AsylVfG auf die Durchführung des Asylverfahrens, beträgt die Ausreisefrist gem. § 38 Abs. 1 AsylVfG einen Monat; § 38 Abs. 2 AsylVfG ist nicht anwendbar.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

Die Klage ist als isolierte Anfechtungsklage statthaft. Im Verfahren nach § 14 a Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) kann die isolierte Anfechtung sachdienlich sein, wenn an einem positiven Asylbescheid des Bundesamtes letztlich kein Interesse besteht oder Gründe für die Zuerkennung von Asyl oder Abschiebungsschutz auch nach Auffassung des Ausländers offensichtlich nicht bestehen (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Band 127, 161 (168), Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen, Urteil vom 21.01.2008 - 14a K 3587/07.A - JURIS, Rn. 15).

So steht es hier, denn der Kläger hat durch seinen Prozessbevollmächtigten gerade aus diesem Grund auf die Durchführung eines Asylverfahrens gemäß § 14 a Abs. 3 AsylVfG verzichtet.

Die Klage ist teilweise begründet. Soweit in Ziffer 3 des Bescheides vom 30.11.2007 dem Kläger eine Ausreisefrist von einer Woche gesetzt wurde, ist der Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Im übrigen ist die Klage unbegründet.

Die auf §§ 34 AsylVfG, 59 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) beruhende Abschiebungsandrohung im angegriffenen Bescheid des Bundesamtes vom 30.11.2007 ist an sich rechtmäßig. [...]

Auch soweit der Kläger mit dem Hinweis auf die Niederlassungserlaubnis seines Vaters auf eine mögliche Trennung im Falle einer Abschiebung hinweist, steht dies der Abschiebungsandrohung nicht entgegen. Bei den trennungsbedingten Folgen einer Abschiebung handelt es sich nämlich um inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, die nicht vom Bundesamt, sondern von der jeweiligen Ausländerbehörde zu prüfen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.11.1997 - 9 C 13/96 -, Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Band 105, 322 (327)).

Auf die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung haben derartige Einwände daher keine Auswirkungen (vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 15.12.2005 - 2 B 5445/05 -, JURIS).

Die im Bescheid des Bundesamtes festgesetzte einwöchige Ausreisefrist, die isoliert aufgehoben werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. April 2001 - 9 C 22.00 -, Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Band 114, 122 (124); VG Düsseldorf, Urteil vom 17.03.2006 - 13 K 4399/05.A -, JURIS, Rn. 37) ist dagegen rechtswidrig.

Die einwöchige Ausreisefrist findet keine Grundlage in § 38 Abs. 2 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche, wenn der Asylantrag vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen wird. Eine Rücknahme des Asylantrags liegt hier nicht vor. Die Vertreter des Klägers haben zwar gemäß § 14 a Abs. 3 AsylVfG auf die Durchführung eines Asylverfahrens verzichtet. Der Verzicht gemäß § 14 a Abs. 3 AsylVfG ist jedoch keine Rücknahme im Sinne des § 38 Abs. 2 AsylVfG.

Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 38 Abs. 2 AsylVfG, der allein auf die Rücknahme des Asylantrags abstellt, während in anderen Vorschriften - wie z.B. § 32 AsylVfG zwischen der Antragsrücknahme und dem Verzicht nach § 14a AsylVfG unterschieden wird. Diese Unterscheidung beruht auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers, denn er hat in § 14a AsylVfG den neuen Begriff des Verzichts in das Gesetz eingeführt und andere Vorschriften - z.B. §§ 32 und 71 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG dementsprechend angepasst, indem er den Begriff der Antragsrücknahme ausdrücklich neben dem des Verzichts verwendet. Eine solche Erweiterung auf den Verzicht ist in § 38 Abs. 2 AsylVfG unterblieben (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 11.08.2006 - 1 A 1437/06.A -, JURIS, Rn. 71, VG Düsseldorf, Urteil vom 24.01.2006 - 1 K 5138/05.A -, JURIS, Rn. 16).

§ 38 Abs. 2 AsylVfG kann auch nicht analog auf den Verzicht im Sinne von § 14 a Abs. 3 AsylVfG angewandt werden.

Zum einen handelt es sich bei § 38 Abs. 2 AsylVfG um eine Bestimmung, die - abweichend vom Regelfall der einmonatigen Ausreisefrist gemäß § 38 Abs. 1 AsylVfG - ausnahmsweise eine einwöchige Ausreisefrist vorsieht. Bereits aufgrund dieses Ausnahmecharakters ist § 38 Abs. 2 AsylVfG einer erweiternden bzw. analogen Anwendung grundsätzlich nicht zugänglich (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 24.01.2006 - 1 K 5138/05.A - JURIS, Rn. 18).

Zum anderen fehlt es an der für eine Analogie erforderlichen Regelungslücke, da für alle sonstigen, d.h. nicht gesondert geregelten Fälle, in denen das Bundesamt den Ausländer nicht als Asyl berechtigten anerkennt, § 38 Abs. 1 AsylVfG gilt (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 17.03.2006 - 13 K 4399/05.A -, JURIS, Rn. 30; Urteil vom 21.01.2006 - 1 K 5138/05.A - JURIS, Rn. 19).

Auch der Zweck der Regelung in § 14 a AsylVfG, die sukzessive Stellung von Asylanträgen durch einzelne Familienmitglieder und damit überlange Verfahrenzeiten zu verhindern, fordert nicht die analoge Anwendung des § 38 Abs. 2 AsylVfG auf die Fälle des Verzichts gemäß § 14 a Abs. 3 AsylVfG (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 24.01.2006 - 1 K5138/05.A - Rn. 20f.; Urteil vom 17.03.2006 - 13 K4399/05.A -, JURIS, Rn. 20ff.; VG Schwerin, Urteil vom 08.01.2007 - 7 A 1113/06 -, JURIS; VG Oldenburg, Urteil vom 10.01.2008-11 A 443/07 - JURIS, Rn. 19).

Bei dem Verzicht auf die Durchführung eines Asylverfahrens gemäß § 14 a Abs. 3 AsylVfG handelt es sich dementsprechend um einen "sonstigen Fall" im Sinne des § 38 Abs. 1 AsylVfG, bei dem die zu setzende Ausreisefrist einen Monat nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens beträgt (vgl. VG Bremen, Beschluss vom 11.06.2008 - 5V3291/07.A - JURIS, Rn. 7; VG Düsseldorf, Urteil vom 14.02.2007 - 4 K 80/07.A -, JURIS, Rn. 24; Urteil vom 17.03.2006 - 13 K 4399/05.A - JURIS, Rn. 18; Urteil vom 21.01.2006 - 1 K 5138/05.A - JURIS, Rn. 14; VG Göttingen, Beschluss vom 14.12.2007 - 4 B 172/07 - JURIS, Rn. 10; VG Münster, Urteil vom 02.11.2007 - 8 K 98/07.A - JURIS; VG Oldenburg, Beschluss vom 03.03.2008 - 5 B 378/08 - JURIS).

Der gegenteiligen Auffassung (vgl. VG Würzburg, Beschluss vom 26.10.2006 - W 7 S 06.30300 -, JURIS, Rn. 11) vermag das Gericht sich aufgrund der oben dargestellten Erwägungen nicht anzuschließen. [...]