Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich Togos wegen Erkrankung an Diabetes mellitus, da die erforderliche Behandlung nicht finanzierbar ist; eine befristete Kostenübernahme durch die Ausländerbehörde steht dem Abschiebungsverbot nicht entgegen, da mit einer Verbesserung der Situation nicht zu rechnen ist.
Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich Togos wegen Erkrankung an Diabetes mellitus, da die erforderliche Behandlung nicht finanzierbar ist; eine befristete Kostenübernahme durch die Ausländerbehörde steht dem Abschiebungsverbot nicht entgegen, da mit einer Verbesserung der Situation nicht zu rechnen ist.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
Die Klage ist zulässig und begründet. Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG sind vorliegend gegeben.
Der Kläger hat Anspruch auf die Verpflichtung der Beklagten zu der Feststellung, dass in seiner Person ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Togos vorliegt. [...]
Der ausschließlich auf Krankheitsgründe gestützte Wiederaufgreifensantrag des Klägers ist dabei nicht bereits deshalb gemäß § 51 Abs. 2 VwVfG unzulässig, weil der Kläger die vorbezeichnete Erkrankung schon im Erstverfahren hätte geltend machen können. Zwar besteht die Diabetes-Erkrankung des Klägers bereits seit dem Jahr 2002, so dass er diese noch während des erst im November 2005 rechtskräftig abgeschlossenen Asylerstverfahren hätte vorbringen können. Eine - entscheidungsehebliche - Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers trat jedoch erst kurz vor Ausstellung des ärztlichem Attest vom 17. April 2007 ein, als es zu einer Stoffwechseldekompensation kam und die Medikation des Klägers auf Insulinspritzen umgestellt werden musste. Auf dieser Grundlage sind die Wiederaufgreifensgründe des Klägers nicht nach § 51 Abs. 2 VwVfG als unzulässig anzusehen, weil sie im Erstverfahren so noch nicht gegeben waren.
Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG liegen angesichts der Diabetes-Erkrankung des Klägers vor. [...]
Da es sich bei der Diabetes-mellitus-Erkrankung des Klägers um ein Leiden handelt, das unbehandelt innerhalb kurzer Zeit zu schweren körperlichen Schädigungen oder zum Tod führt, ist der Kläger insoweit lebenslang auf eine entsprechende Behandlung und Medikation angewiesen. Diese vorliegend lebensnotwendige Behandlung ist für den Kläger im Falle einer Rückkehr nach Togo aller Voraussicht nach nicht erreichbar. Zwar ist Diabetes mellitus in Togo grundsätzlich behandelbar (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 29.01.2008). Allerdings dürfte der Kläger in Togo ist angesichts der Umstände des vorliegenden Einzelfalles nach seinen finanziellen Möglichkeiten nicht in der Lage sein, die Kosten der für ihn lebensnotwendigen, zeitlich unbegrenzten medizinischen Behandlung aufzubringen.
Eine staatliche Übernahme der Behandlungskosten kommt nicht in Betracht. So muss nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes (vgl. Lagebericht v. 29.01.2008) in Togo jeder Arztbesuch sofort bezahlt werden. Größere Eingriffe würden nur nach Vorauskasse durchgeführt. Da weniger als 5 % der Bevölkerung krankenversichert sei, müssten die Kosten in der Regel privat getragen werden, was mangels ausreichender finanzieller Mittel für einen großen Teil der Bevölkerung sehr schwierig sei. Wer diese Mittel nicht aufbringen könne, bleibe im Regelfall unbehandelt oder wende sich traditionellen, wenig erfolgreichen Behandlungsmethoden zu. In der Hauptstadt existierten mehrere private sowie staatliche Kliniken. Im Landesinneren gebe es für jede Region ein Regionalkrankenhaus sowie einige gute private Kliniken, die von Kirchen finanziert würden. In diesen Krankenhäusern könnten bei Bedarf überlebensnotwendige Eingriffe durchgeführt werden. Zahlreiche Gesundheitsvorsorgestellen, sogenannte "Dispensaire" (auch Medikamentenverkauf), bildeten die erste Anlaufstelle auf dem Lande. Die Versorgung mit Medikamenten sei in der Hauptstadt gewährleistet. Die Medikamente würden aus Frankreich importiert und seien durch Subventionen oft billiger als in Deutschland und Frankreich. Medikamente könnten innerhalb weniger Tage besorgt werden; der Erwerb hänge jedoch von der finanziellen Leistungsfähigkeit des Patienten ab. Insbesondere in den nördlichen Landesteilen sei außerhalb der Städte eine Versorgung mit den erforderlichen Medikamenten nicht immer gegeben. In einem landesweiten Versorgungssystem würden die auf einer WHO-Liste aufgeführten (40) essentiellen Medikamente vertrieben. Der Kauf von Medikamenten bedeutete für die einheimische Bevölkerung in der Regel eine hohe finanzielle Belastung.
Der Kläger wäre angesichts dieser Auskunftslage darauf angewiesen, die nicht unerheblichen Kosten für die Behandlung der Diabetes-Erkrankung durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit aufzubringen. Dass der Kläger in der Lage wäre, auf diese Weise ausreichende Mittel für die notwendigen Medikamente und Arztbesuche zu erwirtschaften, ist angesichts seines Gesundheitszustandes und seines für togoische Verhältnisse fortgeschrittenen Alters von 57 Jahren jedoch äußerst zweifelhaft. Darüber hinaus verfügt der Kläger in seinem Heimatland auch nicht über eine Familie, die ihm ausreichende finanzielle oder sonstige Unterstützung leisten könnte. [...] Auch wenn der Kläger mit Hilfe seiner älteren Kinder in der Lage sein dürfte, jedenfalls sein Existenzminimum zu sichern, ist nicht davon auszugehen, dass darüber hinaus aufgrund der individuellen Situation des Klägers die Finanzierung der Kosten für die notwendige medizinischen Versorgung erreichbar wäre. Insoweit hilft auch die von der zuständigen Ausländerbehörde (vgl. Schreiben des Landesamtes für innere Verwaltung Mecklenburg-Vorpommern - Amt für Migration und Flüchtlingsangelegenheiten - v. 29.06.2007) zugesagte Übernahme der Kosten für die medizinische Weiterbehandlung im Heimatland für die Dauer von zwei Jahren nicht weiter. Zwar kann eine solche Kostenübernahmeerklärung für einen angemessenen Zeitraum nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles geeignet sein, ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot zu beseitigen. Hierfür ist allerdings erforderlich, dass der betroffene Ausländer nach Ablauf der entsprechenden Unterstützungsleistungen in der Lage ist, die dann noch weiterhin notwendigen Kosten für eine medizinische Behandlung selbst aufzubringen. Dies dürfte angesichts der chronischen Erkrankung des Klägers, bei der im weiteren Verlauf eher von einer Verschlechterung als von einer Verbesserung auszugehen ist, sowie seines Alters jedoch nicht zu erwarten sein. [...]