Es ist aufgrund des Konzepts der normativen Vergewisserung ausgeschlossen, Mängel im Asylverfahren des Staates, der nach der Dublin II-Verordnung für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist (hier: Griechenland), geltend zu machen, es sei denn, es liegt eine plötzliche Veränderung der Verhältnisse vor.
Es ist aufgrund des Konzepts der normativen Vergewisserung ausgeschlossen, Mängel im Asylverfahren des Staates, der nach der Dublin II-Verordnung für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist (hier: Griechenland), geltend zu machen, es sei denn, es liegt eine plötzliche Veränderung der Verhältnisse vor.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch des Klägers auf Durchführung des Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland besteht nicht.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat zu Recht den Asylantrag des Klägers gem. § 27 a AsylVfG als unzulässig abgelehnt. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Im Fall des Klägers ist Griechenland zuständig.
Denn nach der Regelung des Art. 10 Abs. 1 Dublin II VO ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, dessen Land- oder Luftgrenze der aus einem Drittstaat kommende Asylbewerber illegal überschritten hat. Der Kläger hat nach seinen Angaben die Grenze des Mitgliedsstaates Griechenland illegal überschritten. Die Beklagte hat bereits am 14.12.2007 und damit rechtzeitig im Sinne der dreimonatigen Frist des Art. 17 Abs. 1 S. 2 Dublin II VO ein Übernahmegesuch an die griechischen Behörden gestellt, weshalb die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens nicht auf die Beklagte übergegangen ist. Die Bundesrepublik Deutschland ist auch nicht über die Regelung des Art. 19 Abs. 4 Dublin II VO zuständig geworden, denn die griechischen Behörden haben am 31.01.2008 ihre Zuständigkeit schriftlich anerkannt und der Kläger ist rechtzeitig innerhalb von sechs Monaten nach Griechenland überstellt worden.
Der Annahme der Zuständigkeit Griechenlands für das Asylverfahren des Klägers steht auch nicht das von Art. 16 a GG gewährte Grundrecht auf Asyl entgegen. Ungeachtet der Frage, dass der gemeinschaftsrechtlichen Norm ohnehin Vorrang zu gewähren ist und diese damit jedenfalls zur Anwendung kommt, entspricht die europäische Regelung der grundgesetzlichen Asylgewährung aus Art. 16 a GG. Denn Art. 16 a Abs. 2 GG beschränkt den persönlichen Geltungsbereich des Grundrechts auf Asyl aus Art. 16 a Abs. 1 GG. Wer aus einem sicheren Drittstaat einreist, bedarf des Schutzes durch Asyl in der Bundesrepublik Deutschland nicht, weil er in dem Drittstaat Schutz vor Verfolgung hätte finden können. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14.5.1996 - 2 BvR 1938, 2315/93 - (BVerfGE, 94, 49 ff) ist dies verfassungsgemäß. Da die jeweiligen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften unmittelbar kraft Verfassung sichere Drittstaaten sind und dem Gesetzgeber bei der Bestimmung von Staaten zu sicheren Dritistaaten ein Entscheidungsspielraum zusteht hat insoweit eine normative Vergewisserung stattgefunden, dass in diesen Staaten die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention erfüllt werden. Eine Einzelfallprüfung ist nach Art. 16 a GG nicht vorgesehen, was sich auch unmittelbar an die Gerichte wendet. Da für Griechenland als EU Mitgliedsstaat diese normative Vergewisserung des verfassungsgebenden Gesetzgebers erfolgt ist, kann der Ausländer grundsätzlich den Schutz der Bundesrepublik Deutschland nicht mit der Begründung einfordern, dass für ihn in dem betreffenden Staat keine Sicherheit bestehe. Insoweit ist das Gericht an der Berücksichtigung der vom Kläger vorgetragenen Anhaltspunkte mangelnder Sicherheitsgewährung aufgrund der Entscheidung des verfassungsgebenden Gesetzgebers gehindert.
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14.5.1996 - 2 BvR 1938, 2315/93 - BVerfGE 94, 49, 84 ff. hat die Bundesrepublik Deutschland ausnahmsweise trotzt normativer Vergewisserung Schutz zu gewähren, wenn sich die für die Qualifizierung als sicher maßgeblichen Verhältnisse im Drittstaat schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion des Gesetzgebers oder der Bundesregierung nach § 26 a Abs. 3 AsylVfG hierauf noch aussteht, oder sich - im seltenen Ausnahmefall - aus allgemein bekannten oder im Einzelfall offen zutage tretenden Umständen ergibt, dass der Drittstaat sich - etwa aus Gründen besonderer politischer Rücksichtnahme gegenüber dem Herkunftsstaat - von seinen mit dem Beitritt zu den beiden Konventionen eingegangenen und von ihm generell auch eingehaltenen Verpflichtungen löst und einem bestimmten Ausländer Schutz dadurch verweigert, dass er sich seiner ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigen wird.. Eine Prüfung, ob der Zurückweisung oder sofortigen Rückverbringung in den Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, kann der Ausländer freilich nur erreichen, wenn es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass er von einem der soeben genannten, im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. An diese Darlegung sind strenge Anforderungen zu stellen. Von dem Vorliegen solche Ausnahmekonstellationen kann sich das Gericht anders als das VG Gießen, auf dessen Beschluss vom 25.04.2008 (Az.: 2 L 201/08, Asylmagazin 5/2008, S. 11 ff) sich der Kläger beruft, vorliegend nicht überzeugen. Mit seinem Einwand, in Griechenland bestehe kein Asylverfahren, das auch nur annähernd die internationalen Standards für die Schutzgewährung von Flüchtlingen erfülle, ist der Kläger aufgrund des Konzepts der normativen Vergewisserung ausgeschlossen. Denn insoweit hat keine plötzliche Veränderung im Drittstaat stattgefunden, die Anlass gäbe von der gesetzgeberischen Festlegung Griechenlands als sicherem Drittstaat zum jetzigen Zeitpunkt abzuweichen. Das Vorbringen der mangelnden Entsprechung internationaler Standards für das Asylverfahren in Griechenland ebenso wie der Einwand, es gebe dort kaum Schutz für irakische Flüchtlinge, ist wie oben dargelegt durch die Entscheidung des verfassungsgebenden Gesetzgebers ausgeschlossen.
Auch die weiteren vom Kläger vorgebrachten Umstände, namentlich die Bestätigung der Abschiebepraxis in Griechenland durch die Flüchtlingsorganisation OMCT, die veränderte Haltung des norwegischen Staates und der Bericht des UNHCR stellen zwar Verdachtsmomente dar und auch die Beklagte erkennt an, dass es zu Unzulänglichkeiten im griechischen Asylverfahren kommt. Dies rechtfertigt aber noch nicht, die Entscheidung des verfassungsgebenden Gesetzgebers zu missachten und von einer schlagartigen Veränderung der Verhältnisse in Griechenland auszugehen, auf die der Gesetzgeber in nächster Zeit reagieren wird. Aus dem Bericht des UNHCR geht auch hervor, dass Griechenland hinsichtlich der Vorwürfe sensibilisiert ist und diesen entgegentritt. Eine Erklärung, wonach Asyl beantragt werden kann, fügt Griechenland zwischenzeitlich der Zustimmung zum Übernahmegesuch bei. Von einer Situation, dass generell kein Asylantrag gestellt werden könne und eine Rückschiebung in den Irak ohne Prüfung ergeht, kann damit nicht ausgegangen werden.
Das Gericht sieht sich aus den dargelegten Erwägungen gehindert, in Umgehung der gesetzgeberischen Vorgaben hinsichtlich Griechenlands davon auszugehen, dass die dortige Situation für irakische Flüchtlinge einen Ausnahmefall von der normativen Vergewisserung begründet. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass nicht Verdachtsmomente vorlägen, die eine sorgfältige Überprüfung der Situation in Griechenland erforderlich machten. Hierzu ist aber nicht das Gericht sondern der verfassungsgebende Gesetzgeber berufen.
Nicht gefordert werden kann, dass über die normative Vergewisserung, dass die Standards der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention eingehalten werden, auch darüber hinausgehenden Standards der Europäischen Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 01.12.2005 und der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 über die Aufnahme von Asylbewerbern eingehalten werden (a.A.VG Gießen, Beschluss vom 25.04.2008 - 2 L 201/08 - Asylmagazin 5/2008, S. 11 ff). Dies erfordert das nationale Verfassungsrecht schon deshalb nicht, weil dies auch die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat, der nicht EU-Mitgliedstaat ist und in dem deshalb diese entsprechenden europarechtlichen Richtlinien nicht gelten, erlaubt. Die genannten gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien sind schlicht nicht der Maßstab des nationalen Verfassungsgebers.
Die genannten gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien selbst verbieten eine regelkonforme Überstellung in einen anderen EU-Mitgliedstaat nicht, da sie gerade auch für ihn Geltung beanspruchen und der Betroffene darauf verwiesen werden kann, entsprechenden Rechtsschutz dort zu suchen. Im Übrigen hat sich der Rat bei der Beschlussfassung von Dublin II vergewissert, dass in allen Mitgliedsstaaten ein ordnungsgemäßes Asylverfahren durchgeführt wird. Diese Wertung des Rates kann - wie sonstige Wertungen des Normengebers - grundsätzlich nicht im Einzelfall überprüft werden.
Die Beklagte hat in nicht zu beanstandender Weise von ihrem Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 II Dublin II VO keinen Gebrauch gemacht. Die Beklagte hat erkennbar das ihr zustehende Ermessen erkannt und ausgeübt, wobei sie nicht von einer Reduzierung auf Null auszugehen hatte. [...]
Die Überstellung des Klägers nach Griechenland zur dortigen Durchführung seines Asylverfahrens und damit die Verweigerung eines solchen Verfahrens verstößt schließlich auch nicht gegen die Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention. [...]
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mit Urteil von 11.01.2007 (Az.: 1948/04, InfAusIR 2007, 223 ff) klargestellt, dass die MRK kein Recht auf politisches Asyl gewährt. Die Ausweisung eines Ausländers kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 MRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der Betreffende im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden. Unter solchen Umständen begründet Art. 3 MRK eine Verpflichtung, die betroffene Person nicht in dieses Land abzuschieben. Dabei muss eine etwaige Misshandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich von Art. 3 MRK zu fallen (Entscheidung des EUGMR vom 16.09.2004, Az.: 11103/03, bei juris veröffentlicht).
An der Feststellung, dass dem Kläger in Griechenland Folter oder unmenschliche Behandlung in dem geforderten Maße, das persönliche Härten durch unzulängliche Unterbringung und Versorgung im Einzelfall deutlich übersteigt, konkret drohen, ist das Gericht aufgrund der Entscheidung des Verfassungsgebers, der Griechenland als sicheren Drittstaat ansieht, gehindert.
Die Anordnung der Abschiebung des Klägers nach Griechenland ist zu Recht. Nach § 34a AsylVfG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie vollzogen werden kann, was hier der Fall war, nachdem Griechenland am 31.01.2008 die Verantwortung für das Asylverfahrens gem. Art. 18 Abs. 7 Dublin II VO erklärt hat. [...]