Die drohende Verurteilung durch ein Gacaca-Gericht wegen Beteiligung am Völkermord in Ruanda stellt grundsätzlich keine Verfolgungshandlung dar; jedenfalls ist die Flüchtlingsanerkennung gem. § 3 Abs. 2 AsylVfG wegen eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit ausgeschlossen; die Haftbedingungen in Ruanda stellen keine menschenrechtswidrige Behandlung i.S.d. § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK dar.
Die drohende Verurteilung durch ein Gacaca-Gericht wegen Beteiligung am Völkermord in Ruanda stellt grundsätzlich keine Verfolgungshandlung dar; jedenfalls ist die Flüchtlingsanerkennung gem. § 3 Abs. 2 AsylVfG wegen eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit ausgeschlossen; die Haftbedingungen in Ruanda stellen keine menschenrechtswidrige Behandlung i.S.d. § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK dar.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
Die Berufung hat keinen Erfolg.
Das angegriffene Urteil ist im Ergebnis zutreffend, weil die Klage unbegründet ist.
Der Kläger hat nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter noch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG in Verbindung mit § 60 Abs. 1 AufenthG, jeweils in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007, BGBl. I S. 1970. [...]
Eine Bedrohung des Klägers im Sinne der zuvor genannten Vorschrift kann zunächst nicht aus einer erlittenen Vorverfolgung abgeleitet werden. Der Senat hat nicht die Überzeugung gewinnen können, dass der Kläger sein Heimatland im Jahr 2002 vorverfolgt verlassen hat. Unabhängig davon, ob die behauptete sechsmonatige Inhaftierung im Jahr 2002 als politische Verfolgung zu qualifizieren wäre, glaubt der Senat dem Kläger diese Inhaftierung nicht. Die diesbezüglichen Angaben des Klägers sind nämlich teilweise undetailliert, widersprüchlich und ungereimt. [...]
Es kann ferner nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger unabhängig von einer Vorverfolgung bei der Rückkehr nach Ruanda im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bedroht wäre.
Eine solche Bedrohung folgt zunächst nicht daraus, dass der Kläger bei der Rückkehr als aktueller Oppositioneller angesehen würde.
Aus den in das Verfahren eingeführten Erkenntnissen sowie den vom Kläger vorgelegten Schreiben der Frau vom 8. Januar 2008 und der Frau ... vom 17. Dezember 2004 ergibt sich zwar, dass die derzeitige ruandische Regierung unter Präsident Kagame jede ernst zu nehmende Opposition sowie kritische Berichterstattung und Meinungsäußerungen auch unter Einsatz asylerheblicher Maßnahmen zu unterbinden versucht und dazu den Betroffenen eine Genozid-Beteiligung unterstellt oder - wie im Fall des nunmehr in Kanada lebenden älteren Bruders des Klägers - die Vorwürfe des Divisionismus oder der Verbreitung der Genozid-Ideologie erhebt, ohne dass es sich dabei um offizielle Straftatbestände handelte. Dass der Kläger bei der Rückkehr zu dem solchermaßen gefährdeten Personenkreis gerechnet würde, ist jedoch nicht beachtlich wahrscheinlich. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass Rückkehrer nach Ruanda allein auf Grund der vom Kläger bezeichneten Umstände (insbesondere Herkunft aus einer politisch aktiven Hutu-Familie, Tätigkeit für die JDR, Zusammenarbeit mit den Franzosen) als aktuelle Oppositionelle angesehen würden und über Befragungen oder Verhöre hinaus mit Maßnahmen im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu rechnen haben, liegen nicht vor. Die zuvor genannten Umstände haben unter Berücksichtigung des Zeitfaktors und der inhaltlichen Qualität nicht das Gewicht, um den Kläger in den Augen der ruandischen Machthaber als aktuellen Oppositionellen erscheinen zu lassen, der mit asylerheblichen Maßnahmen in die Schranken gewiesen werden muss. In dieser seiner Einschätzung sieht sich der Senat zum einen durch das vom Verwaltungsgericht eingeholte Gutachten des Instituts für Afrika-Kunde vom 19. Dezember 2005 bestätigt. Der letzte Absatz des Gutachtens kann im Zusammenhang mit dem vorletzten Absatz nur so verstanden werden, dass das Institut vor allem ausgewiesene Oppositionelle des derzeitigen Regimes als gefährdet ansieht, es jedoch eher unwahrscheinlich ist, dass der Kläger zu diesem Personenkreis gezählt würde. Zum anderen wird sich der Kläger wegen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumten Beteiligung an dem Völkermord an den Tutsi grundsätzlich zu Recht einem - weiter unten im Einzelnen behandelten - Verfahren vor einem Gacaca-Gericht stellen müssen. Dies lässt es unwahrscheinlich erscheinen, dass die ruandischen Behörden ein Bedürfnis sehen, den Kläger unabhängig davon oder darüber hinaus mit asylerheblichen Maßnahmen zu überziehen.
Die anderen beiden vom Verwaltungsgericht eingeholten Gutachten stehen der zuvor dargestellten Einschätzung des Senats, dass der Kläger nicht als aktueller Oppositioneller gefährdet ist, nicht entgegen.
Das Ergebnis der Antwort von amnesty international in seinem Gutachten vom 6. Januar 2006 auf die Frage 1, dass der Kläger bei einer Rückkehr mit einer Verfolgung rechnen müsse, ist nicht schlüssig. Soweit dieses Ergebnis unter anderem mit (seinerzeit) aktuellen Verhaftungen von MDR-Mitgliedern begründet wird, überzeugt dies nicht. Wie amnesty international zutreffend in Übereinstimmung mit dem Gutachten des Instituts für Afrika-Kunde vom 19. Dezember 2005 feststellt, erfolgte das Verbot der Partei MDR im Jahr 2003 angesichts der bevorstehenden Wahlen und mit dem Ziel, die einzig verbliebene Partei, die der FPR ernsthaft hätte Konkurrenz machen können, auszuschalten. In diesem Kontext sind auch die gegen MDR-Mitglieder gerichteten staatlichen Verfolgungsmaßnahmen ab 2003 zu sehen. Dies rechtfertigt jedoch nicht den Schluss, dass Mitglieder der Jugendorganisation der MDR, deren letzte Aktivitäten in das Jahr 1994 fallen, deshalb nahezu fünfzehn Jahre später als Oppositionelle angesehen werden. Insoweit führt amnesty international eingangs seines Gutachtens selbst aus, dass kein Fall politischer Verfolgung eines ehemaligen JDR-Mitglieds bekannt sei. Im Übrigen sind die von dem Kläger für die JDR entfalteten Tätigkeiten, so wie sie sich nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat darstellen, nicht von einer Qualität und hatte der Kläger keine so herausragende Stellung, dass es sich quasi aufdrängte, ihn im Fall der Rückkehr als aktuellen Oppositionellen anzusehen. Entsprechendes gilt hinsichtlich seiner Herkunft aus einer politisch aktiven Familie und der Aktivitäten seines Vaters. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die MDR einschließlich ihrer Jugendorganisation keine extremistische Hutu-Partei war, zur Zeit der Aktivitäten des Klägers keine direkte Opposition zur FPR bestand, sondern beide Parteien in Opposition zur herrschenden MRND standen und nach dem Völkermord im Jahr 1994 FPR und MDR mehrere Jahre gemeinsam die Regierung bildeten. Soweit amnesty international ausführt, dass Rückkehrer nach Ruanda mit Argwohn behandelt würden, deckt sich dies mit der übrigen Erkenntnislage, rechtfertigt aber angesichts der vorstehenden Ausführungen nicht den Schluss, dass Rückkehrer wegen Aktivitäten für die MDR/JDR bis zum Jahr 1994 und der Herkunft aus einer politisch entsprechend aktiven Familie gerade von asylerheblichen Maßnahmen bedroht sind. [...]
Die Zusammenarbeit des Klägers mit den Franzosen lässt ebenfalls nicht erwarten, dass er deshalb als aktueller Oppositioneller angesehen würde und gefährdet wäre. Zwar handelt es sich nach den vom Verwaltungsgericht eingeholten Gutachten um einen Umstand, der sich für den Kläger bei der Rückkehr negativ auswirken könnte (Institut für Afrika-Kunde), staatliche Maßnahmen erwarten lässt (Auswärtiges Amt) oder vermuten lässt, dass der Kläger mit Skepsis betrachtet wird (amnesty international). Aus diesen Einschätzungen ergibt sich jedoch jeweils eine deutliche Unsicherheit hinsichtlich der genauen Abschätzung der Folgen dieser Zusammenarbeit, die auch daraus resultiert, dass bei den Sachverständigen Unsicherheit darüber bestand, ob gegenüber dem Kläger nicht unberechtigter Weise der Vorwurf einer Genozid-Beteiligung erhoben würde. Ist nunmehr davon auszugehen, dass sich der Kläger bei der Rückkehr berechtigter Weise einem Gacaca-Verfahren stellen muss, ist wenig wahrscheinlich, dass darüber hinaus aus der fast fünfzehn Jahre zurückliegenden Zusammenarbeit mit den Franzosen ein aktueller Oppositionsvorwurf abgeleitet würde. Dies gilt auch deshalb, weil sich die Zusammenarbeit nach den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf niedrig profilierte Unterstützungsleistungen in einem kleineren räumlichen Umfeld beschränkte. Soweit das Auswärtige Amt in diesem Zusammenhang staatliche Maßnahmen vor allem für ranghohe Mitglieder der MDR für wahrscheinlich hält, trifft das im Übrigen auf den Kläger nicht zu, weil dieser lediglich in der Jugendorganisation der MDR tätig gewesen ist und er trotz der übernommenen Posten angesichts der konkret ausgeübten Tätigkeiten nicht zu den Entscheidungsträgern gezählt werden kann. [...]
Aus dem Umstand, dass der Kläger nach seinen insoweit glaubhaften Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, die durch entsprechende Andeutungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bestätigt werden, tatsächlich zumindest insoweit im Jahr 1994 an dem Völkermord an den Tutsi beteiligt gewesen ist, dass er an einer Straßensperre an der Festnahme von Tutsi mitgewirkt hat, die unmittelbar darauf noch an Ort und Stelle von Militärangehörigen erschossen oder von Zivilisten mit Macheten getötet wurden, ergibt sich ebenfalls keine Bedrohung im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Zwar muss er sich deswegen bei einer Rückkehr nach Ruanda mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einem Verfahren vor einem Gacaca-Gericht stellen, in dem ihn eine Verurteilung zu einer langjährigen oder gar, sollte er selbst getötet haben, lebenslangen Freiheitsstrafe erwartet (vgl. zum Strafrahmen und möglichen Strafreduzierungen Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 7. Oktober 2003, S. 12).
Darin liegt jedoch keine politische Verfolgung und damit auch keine Bedrohung im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Die Gacaca-Gerichte sind als Sonderstrafgerichte anzusehen, die unter anderem eingerichtet wurden, um die weniger schweren Verbrechen im Zusammenhang mit dem Völkermord an den Tutsi im Jahr 1994 aufzuarbeiten, weil die ordentlichen Gerichte angesichts der Vielzahl der Täter damit überfordert gewesen wären (vgl. in diesem Sinne Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 2. August 2002, S. 5).
Dadurch bleibt die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte im Übrigen, auch hinsichtlich der Ahndung der von Tutsi an Hutu nach dem Völkermord begangenen Verbrechen, unberührt. Angesichts dessen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Gacaca-Gerichte gerade in Anknüpfung an die in § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG genannten Merkmale, insbesondere die Volkszugehörigkeit tätig werden. Der Umstand, dass sich ausschließlich oder ganz überwiegend Hutu-Volkszugehörige vor ihnen zu verantworten haben, beruht darauf, dass die Täter des Völkermordes an den Tutsi im Jahr 1994 eben aus der Volksgruppe der Hutu stammen. Soweit die Gacaca-Verfahren in der Kritik stehen, weil es häufiger zu Fehlurteilen kommt, Beweise manipuliert werden, Richter korrupt oder befangen sind etc. (vgl. amnesty international, Report 2008 (in den Vorjahren jeweils als "Jahresbericht" erschienen), S. 337; United States Department of State, Menschenrechtsbericht für das Jahr 2005 vom 8. März 2006 unter "Trial Procedures"), betrifft das jeweils den Einzelfall oder das einzelne Gericht, begründet jedoch nicht die Annahme, dass die Verfahren als solche politisch motiviert sind.
Es ist ferner nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger in dem ihn erwartenden Gacaca-Verfahren wegen der von ihm für eine Rückkehrgefährdung ins Feld geführten Umstände einen sogenannten Politmalus zu befürchten hätte.
Was die Volkszugehörigkeit des Klägers, seine familiäre Herkunft und seine politische Betätigung anbelangt, ist es unwahrscheinlich, dass er deshalb härter bestraft würde. Da die Gacaca-Verfahren aus den vorstehend dargestellten Gründen überwiegend gegen Hutu-Volkszugehörige geführt werden, spricht nichts dafür, dass die Volkszugehörigkeit darüber hinaus als Politmalus strafverschärfend ins Gewicht fallen könnte. Nichts anderes gilt im Ergebnis für die Tätigkeit des Klägers in der Jugendorganisation der MDR sowie seine Herkunft aus einer politisch aktiven Hutu-Familie. Es handelt sich bereits nicht um Umstände, welche die vom Kläger eingeräumte Beteiligung an dem Völkermord zusätzlich in einem schlechten Licht erscheinen lassen. Denn der Kläger und sein Vater haben sich für eine gemäßigte Hutu-Partei engagiert, die sich nicht an der Vorbereitung des Völkermordes beteiligt hat und die - wie oben bereits angemerkt - sogar nach dem Völkermord zusammen mit der FPR an der Regierung beteiligt war. Da die zuvor behandelten Umstände den Kläger aus den weiter oben dargelegten Gründen in den Augen der ruandischen Machthaber nicht als aktuellen Oppositionellen erscheinen lassen, ist es schließlich nicht wahrscheinlich, dass von ruandischen Behörden deswegen Einfluss auf das Gacaca-Verfahren genommen würde, um eine härtere Bestrafung des Klägers zu erreichen.
Was die Zusammenarbeit mit den Franzosen anbelangt, ist der Senat ebenfalls nicht zu der Überzeugung gelangt, dass sich dieser Umstand überwiegend wahrscheinlich als Politmalus zu Lasten des Klägers auswirken würde. Zwar handelt es sich um einen Umstand, der den Kläger über seine Beteiligung an dem Völkermord hinaus in einem schlechten Licht erscheinen lässt, weil den Franzosen unter anderem aus den von amnesty international in seinem Gutachten vom 6. Januar 2006 benannten Gründen nicht nur aus jetziger ruandischer Sicht eine Mitschuld an dem Völkermord zugeschrieben wird. Gleichwohl ist eine strafverschärfende Berücksichtigung der Zusammenarbeit mit den Franzosen lediglich möglich, aber nicht überwiegend wahrscheinlich. Zu dieser Einschätzung gelangt der Senat, weil es zunächst eher unwahrscheinlich ist, dass von anderen staatlichen Behörden Einfluss auf das Gacaca-Verfahren genommen würde mit dem Ziel, die Zusammenarbeit des Klägers mit den Franzosen strafverschärfend in Ansatz zu bringen. Zwar mag dieser Umstand durchaus für sich geeignet sein, ein Gacaca-Verfahren in Gang zu bringen, weil ein Rückkehrer, der mit den Franzosen zusammengearbeitet hat, zugleich als verdächtig angesehen wird, sich auch weitergehend an dem Völkermord beteiligt zu haben. Wenn sich jedoch ein Rückkehrer wie der Kläger auf Grund der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumten Beteiligung an dem Völkermord ohnehin einem Gacaca-Verfahren stellen muss und eine Verurteilung zu erwarten hat, ist eine Veranlassung oder ein Interesse für eine Einflussnahme auf das Gacaca-Verfahren in dem zuvor dargestellten Sinne nicht ersichtlich. Ob die Zusammenarbeit mit den Franzosen ohne eine solche Einflussnahme während des Gacaca-Verfahrens thematisiert würde und Berücksichtigung fände, lässt sich nicht verlässlich, jedenfalls nicht im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlich abschätzen. Es ist möglich, dass man sich in dem Verfahren auf die Beteiligung des Klägers an dem Völkermord, insbesondere auf die Ereignisse an der Straßensperre konzentriert. Dabei könnte auch eine noch weitergehende Beteiligung des Klägers ans Licht kommen, weil es der Senat nicht für ausgeschlossen hält, dass der Kläger selbst mit der Machete Tutsi ermordet hat. In beiden Fällen ist es aber auch nicht ausgeschlossen, dass die Zusammenarbeit mit den Franzosen, auch wenn sie mit der eigentlichen Beteiligung an Völkermord nichts zu tun hat, zur Sprache kommt, zumal die Gacaca-Verfahren im Zusammenhang mit einer Dorfversammlung stattfinden und es in der Versammlung Leute geben wird, die sich noch an die Zusammenarbeit des Klägers mit den Franzosen erinnern. Kommt die Zusammenarbeit zur Sprache, gibt es wiederum mehrere Möglichkeiten: entweder sie wird strafverschärfend berücksichtigt, etwa weil man ihr selbst Unrechtscharakter beimisst oder für die vom Kläger an der Straßensperre begangenen Taten angesichts der Zusammenarbeit mit den Franzosen eine höhere Strafe für geboten hält, oder sie wirkt sich nicht strafverschärfend aus, etwa weil sie neben den begangenen Taten und der dafür zu verhängenden Strafe als nicht ins Gewicht fallend angesehen wird. Für Letzteres könnte auch sprechen, dass sich die Zusammenarbeit auf eher niedrigem Niveau bewegte. Als weitere Möglichkeit kommt in Betracht, dass der Kläger, etwa wenn er selbst getötet hat, bereits auf Grund seiner Beteiligung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wird und es sich hierbei um die von einem Gacaca-Gericht zu verhängenden Höchststrafe handelte, was eine darüber hinausgehende Strafverschärfung ausschlösse. Auf Grund dieser Unwägbarkeiten hat der Senat nicht die Überzeugung gewinnen können, dass eine strafverschärfende Berücksichtigung der Zusammenarbeit überwiegend wahrscheinlich ist. [...]
Selbst wenn entgegen den vorstehenden Ausführungen eine strafverschärfende Wirkung der Zusammenarbeit mit dem Franzosen in einem Gacaca-Verfahren für beachtlich wahrscheinlich hielte, rechtfertigte dies noch nicht die Annahme einer Bedrohung im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Denn der Senat ist nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die Strafverschärfung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gerade als Politmalus qualifiziert werden könnte.
Nicht jede gezielte Verletzung von Rechten, die etwa nach der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland unzulässig ist, begründet schon eine asylerhebliche politische Verfolgung. Erforderlich ist, dass die Maßnahme den von ihr Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen soll. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin "wegen" eines Asylmerkmals erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989-2 BvR 502,1000, 961/86 -, BVerfGE 80, 315 (335)).
Steht die Verfolgung von Straftaten im Raum, kann diese in politische Verfolgung umschlagen, wenn objektive Umstände darauf schließen lassen, dass der Betroffene gleichwohl wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt wird. Das ist insbesondere dann zu vermuten, wenn er eine Behandlung erleidet, die härter ist als die sonst zur Verfolgung ähnlicher - nicht politischer - Straftaten von vergleichbarer Gefährlichkeit im Verfolgerstaat übliche (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989-2 BvR 502,1000, 961/86 -, a.a.O., S. 338).
Hiervon ausgehend lässt sich nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass eine Strafverschärfung erkennbar an ein in § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG genanntes Merkmal anknüpfte. Die vom Kläger erbrachten Unterstützungsleistungen erfolgten offensichtlich im Rahmen einer im Wesentlichen von französischen Truppen auf Grund eines entsprechenden Mandats des UN-Sicherheitsrats ab Juni 1994 im Süden von Ruanda eingerichteten Schutzzone. Diese Operation wird unter anderem aus den von amnesty international in seinem Gutachten vom 6. Januar 2006 genannten Gründen aus heutiger ruandischer Sicht eher als ausländischer feindlicher Akt angesehen. Von daher ist bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass mit einer Strafverschärfung in erster Linie eine Zusammenarbeit des Klägers mit dem "Feind" geahndet würde. Berücksichtigt man ferner, dass die Qualifizierung der französischen Intervention als feindlicher Akt nach den vorstehenden Ausführungen auf reale Ereignisse zurückzuführen ist, die unabhängig von einem ideologischen oder politischen Ansatz zumindest als missbilligenswert bezeichnet werden können, dann könnte eine Ahndung der Unterstützung dieses feindlichen Akts nicht als Maßnahme qualifiziert werden, der primär ideologische Gründe zu Grunde liegen oder die darauf abzielt, den Kläger gerade wegen einer politischen Überzeugung oder Gesinnung zu treffen (vgl. allgemein zu diesen Kriterien BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1983 - 9 C 874.82 -, juris, Rdnr. 28 und 36 (insoweit in BVerwGE 67, 195 ff., teilweise nicht abgedruckt)).
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob ein Gacaca-Gericht die Zusammenarbeit mit den Franzosen überhaupt berücksichtigen oder ahnden dürfte, weil, wie zuvor ausgeführt, allein aus der Unzulässigkeit einer staatlichen Maßnahme noch nicht die Asylerheblichkeit folgt. [...]
Selbst wenn man entgegen den vorstehenden Ausführungen eine Bedrohung des Klägers im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG für beachtlich wahrscheinlich hielte, wäre eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 AsylVfG ausgeschlossen, weil der Kläger an einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt war.
Unter Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG sind Handlungen wie Völkermord, Mord, Vergewaltigung und Folter zu verstehen, wenn sie Teil eines groß angelegten oder systematischen Angriffs auf die Zivilbevölkerung sind (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 24. Oktober 2007 - 11 B 03.30710 -, juris, Rdnr. 69 mit weiteren Nachweisen).
Die vor allem an Angehörigen der Tutsi-Volksgruppe in Ruanda im Zeitraum April bis Juli 1994 begangenen Verbrechen werden heute einhellig als Völkermord qualifiziert. An diesem hat der Kläger in der weiter oben bereits dargestellten Weise mitgewirkt. Ob seine Tathandlungen als täterschaftliche Begehung im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG zu qualifizieren sind, bedarf keine Entscheidung, weil sie jedenfalls eine Beihilfe im strafrechtlichen Sinne (vgl, etwa § 27 Abs. 1 StGB) darstellen und damit von § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG erfasst werden.
Für seine Tathandlungen ist der Kläger ferner persönlich verantwortlich, weil er auch den subjektiven Tatbestand des zuvor bezeichneten Ausschlusstatbestandes erfüllt und sich nicht auf Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe berufen kann (vgl. zu diesen Voraussetzungen die vom UNHCR unter dem 4. September 2003 herausgegebenen "RICHTLINIEN ZUM INTERNATIONALEN SCHUTZ: Anwendung der Ausschlussklauseln: Artikel 1 F des Abkommens von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge" (im Folgenden: RICHTLINIEN) unter II. D und U.E.).
Der Senat sieht die RICHTLINIEN als beachtliche Auslegungshilfe an, weil die Ausschlussgründe des § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG im Ergebnis auf Art. 1 F des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (sog. Genfer Flüchtlingskonvention, GFK) zurückgehen und mit diesen weitgehend übereinstimmen.
Dass der Kläger den subjektiven Tatbestand erfüllt, ist nicht zweifelhaft, weil er sehenden Auges daran mitgewirkt oder darauf hingewirkt hat, dass Tutsi-Volkszugehörige an der Straßensperre festgenommen wurden, um anschließend getötet zu werden. Im Übrigen gehen seine Tathandlungen nach seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat darauf zurück, dass er einem entsprechenden Aufruf des Bürgermeisters des Dorfes gefolgt ist.
Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe sind ebenfalls nicht ersichtlich. Zwar mag es sein, dass der Kläger seinerzeit den Eindruck oder das Gefühl hatte, sich einer Teilnahme an den Gräueltaten nicht entziehen zu können. Nach der Erkenntnislage ist ein großer Teil der Hutu-Bevölkerung selbst aktiv gegen Tutsi vorgegangen, weil die Hutu zuvor planvoll mit propagandistischen Mitteln gegen die Tutsi-Volkszugehörigen aufgehetzt und letztere dabei zugleich herabgewürdigt worden waren. Ferner wurden verbreitet auch gemäßigte Hutu getötet, die sich weigerten, an den Gräueltaten gegenüber den Tutsi teilzunehmen, oder insoweit Widerstand leisteten. Gleichwohl entschuldigt dies den Kläger im strafrechtlichen Sinne nicht, weil sich die zuvor beschriebene allgemeine Lage in Bezug auf seine Person nicht derart verdichtet hatte, dass die insoweit in Betracht kommenden Entschuldigungsgründe des Handelns auf Befehl oder des Nötigungsnotstandes in Betracht kämen. Der vom Kläger angesprochene Aufruf des Bürgermeisters, der seine Tathandlungen konkret ausgelöst haben soll, war allgemein gehalten und stellte für den Kläger keinen verbindlichen Befehl dar, zumal ein solcher ohnehin offensichtlich rechtswidrig gewesen wäre. Ferner hat sich der Kläger nicht in einer konkreten Nötigungslage befunden. Ein solche setzt voraus, dass die Tathandlungen begangen worden sind, um von sich selbst oder Familienangehörigen den unmittelbar drohenden Tod oder unmittelbar drohende schwere Körperverletzungen abzuwenden (vgl. RICHTLINIEN, U.E. Nr. 22).
Dafür, dass der Kläger oder seine Familienangehörigen in solcher Weise bedroht worden wären, um den Kläger zur Teilnahme an den Gräueltaten gegenüber den Tutsi zu zwingen, ist nichts ersichtlich. Fehlt es an einer solchen Zwangslage, vermag es den Kläger auch nicht zu entschuldigen, dass er dafür plädiert haben will, bestimmte Personenkreise (Frauen, Kinder, Alte) von der Festnahme und Ermordung auszunehmen.
Das Eingreifen des Ausschlusstatbestandes begegnet schließlich unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten keinen Bedenken. Dies gilt zunächst dann, wenn eine Verhältnismäßigkeitsprüfung von vornherein nicht erforderlich ist, weil es sich bei dem hier in Rede stehenden Völkermord um ein besonders verabscheuungswürdiges Verbrechen handelt (vgl. in diesem Sinne RICHTLINIEN, II.F. Nr. 24).
Aber auch wenn man eine Verhältnismäßigkeitsprüfung anstellt, führt diese nicht zur Unanwendbarkeit des Ausschlusstatbestandes.
Hinter den Ausschlusstatbeständen gemäß Art. 1 F GFK, mit dem § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG übereinstimmt, steht die Überlegung, dass bestimmte Verbrechen so schwerwiegend sind, dass die Täter keinen internationalen Flüchtlingsschutz verdienen. Die Versagung des internationale Flüchtlingsschutz für solche Täter soll sicherstellen, dass diese Personen die Institution Asyl nicht dazu missbrauchen, einer gerichtlichen Verantwortung für ihre Taten zu entgehen (vgl. RICHTLINIEN, I.A. Nr. 2).
Wägt man vor diesem Hintergrund die Schwere der vom Kläger begangenen Tat und die Folgen des Ausschlusses gegeneinander ab, erscheint die Anwendung des Ausschlusstatbestandes verhältnismäßig. Zum einen ist die Tatbeteiligung des Klägers unabhängig davon, ob diese als Täterschaft oder Teilnahme zu qualifizieren ist, in tatsächlicher Hinsicht bei wertender Betrachtung nicht als so geringfügig anzusehen, dass darin ein Indiz für die Unverhältnismäßigkeit der Anwendung des Ausschlusstatbestandes gesehen werden könnte. Auch wenn man zu Gunsten des Klägers davon ausgeht, dass er trotz Bewaffnung mit einer Machete keinen Tutsi eigenhändig umgebracht hat, hat er im Bewusstsein der unmittelbar anschließenden Ermordung aktiv an der Festnahme jedenfalls von erwachsenen männlichen Tutsi mitgewirkt. Zum anderen sind die Folgen der Anwendung des Ausschlusstatbestandes für den Kläger nicht derart belastend, dass sich daraus die Unverhältnismäßigkeit der Anwendung des Ausschlusstatbestandes ergeben würde. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass dem Kläger nach den vorstehenden Ausführungen als Gefährdung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG allenfalls ein Politmalus in einem Gacaca-Verfahren und dementsprechend eine härtere Bestrafung in Gestalt einer längeren Freiheitsstrafe droht. Dies erscheint angesichts des eingangs dargestellten Zwecks der Ausschlusstatbestände und der Schwere der begangenen Tat hinnehmbar. [...]
Anhaltspunkte für das Bestehen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG sind nach den vorstehenden Ausführungen nicht ersichtlich. Mit Blick auf § 60 Abs. 3 AufenthG ist lediglich zu ergänzen, dass die Todesstrafe, die für die vom Kläger eingeräumte Tat ohnehin nicht in Betracht gekommen wäre, in Ruanda inzwischen insgesamt abgeschafft ist (vgl. amnesty international, Report 2008, S. 337).
Auch Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor.
Was die Haftbedingungen in Ruanda anbelangt, sind diese zwar hart, stellen jedoch noch keine grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK) dar. Die sich aus der Überfüllung der Gefängnisse ergebenden Probleme sind durch Massenentlassungen abgemildert worden (vgl. amnesty international, Report 2008, S. 338).
Die Versorgung der Inhaftierten mit Lebensmitteln und Medikamenten wird durch Unterstützung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) wenn auch auf niedrigem Niveau sichergestellt (vgl. United States Department of State, Menschenrechtsbericht für das Jahr 2005 vom 8. März 2006, unter "Prison and Detention Center Conditions"; Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 7. Oktober 2003, S. 10).
Soweit amnesty international in dem zuvor zitierten Report 2008 ebenso wie in den Berichten der Vorjahre die Auffassung vertritt, die Haftbedingungen kämen grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gleich, vermag sich der Senat dieser Einschätzung aus den vorstehenden Gründen nicht anzuschließen. [...]
Die dem Kläger bei der Rückkehr drohende Haftstrafe begründet schließlich kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Eine nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßige Bestrafung steht einer Abschiebung nicht entgegen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 1. Februar 1995 - 1 S 3202/94 -, juris, Rdnr. 3).
Da die Gacaca-Gerichte regulärer Teil des ruandischen Gerichtssystems sind, stellt die den Kläger erwartende Haftstrafe eine solche gesetzmäßige Bestrafung dar. Dass er auf Grund eines Politmalus eine jedenfalls teilweise irreguläre Haftstrafe zu erwarten hätte, ist nach den vorstehenden Ausführungen nicht beachtlich wahrscheinlich. [...]