Die Abgabe einer sog. Freiwilligkeitserklärung ist ausreisepflichtigen iranischen Staatsangehörigen zuzumuten, so dass die Weigerung zu einer Leistungskürzung nach § 1 a Nr. 2 AsylbLG führen kann.
Die Abgabe einer sog. Freiwilligkeitserklärung ist ausreisepflichtigen iranischen Staatsangehörigen zuzumuten, so dass die Weigerung zu einer Leistungskürzung nach § 1 a Nr. 2 AsylbLG führen kann.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgemäß erhobene Beschwerde ist zulässig; insbesondere ist sie statthaft gem. § 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 S. 2 SGG, da das Begehren keinen abgegrenzten Zeitraum betrifft. Sie ist jedoch nicht begründet.
Richtiger Antragsgegner ist das Land Baden-Württemberg (§ 2 Abs. 1 Flüchtlingsaufnahmegesetz <FlüAG> i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 4 FlüAG sowie § 13 Abs. 1 Nr. 1 Landesverwaltungsgesetz Baden-Württemberg; vgl. Bundessozialgericht <BSG> Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8/9b AY 1/07 R - <juris>). [...]
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. [...]
Auch ein Anspruch auf ungekürzte Leistungen nach den §§ 3 ff. AsylbLG ist nicht glaubhaft gemacht. Einem solchen Anspruch steht die Regelung des § 1a Nr. 2 AsylbLG entgegen. Danach erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 AsylbLG, bei denen aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, Leistungen nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist. Der Antragsteller, der lediglich im Besitz einer Duldung ist, gehört zu diesem Personenkreis. [...]
Entgegen der von ihm vertretenen Auffassung kann sich der Antragsteller für sein Begehren nicht auf das Urteil des BSG vom 17. Juni 2008 (B 8/9b AY 1/07 R - <juris>) stützen. Zwar hat das BSG ausgeführt, dass ein Rechtsmissbrauch bzgl. der Beeinflussung der Aufenthaltsdauer nicht schon dann vorliege, wenn lediglich die durch eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung erworbene "Rechtsposition" ausgenutzt werde, der Ausländer also nur nicht freiwillig ausreise. Rechtsmissbrauch könne nur bei einer darüber hinausgehenden Sozialwidrigkeit des Verhaltens angenommen werden, was wiederum ein vorsätzliches Verhalten voraussetze. Diese vom BSG formulierten Anforderungen an ein rechtsmissbräuchliches Verhalten beziehen sich jedoch allein auf die Regelung des § 2 AsylbLG über den Anspruch auf sog. Analogleistungen. Diese weicht jedoch in Wortlaut, Voraussetzungen und Rechtsfolgen erheblich von der hier streitigen Vorschrift des § 1a AsylbLG ab. § 1a Nr. 2 und § 2 Abs. 1 AsylbLG normieren zwar sich überschneidende "Missbrauchstatbestände". Dabei führt §§ 1a Nr. 2 AsylbLG bei geringeren Anforderungen, insbesondere hinsichtlich der subjektiven Vorwerfbarkeit, zu geringeren Leistungen im Vergleich zu denen nach §§ 3 bis 7 AsylbLG. Dies ist aber zeitlich beschränkt auf den Zeitraum, in dem beabsichtigte oder bereits eingeleitete aufenthaltsbeendende Maßnahmen wegen des Verhaltens des Ausländers nicht vollzogen werden können. Der Rechtsmissbrauch im Rahmen des § 2 AsylbLG führt hingegen zum dauerhaften Ausschluss von den höheren Analogleistungen (BSG, a.a.O., Rdnr. 46). Das BSG hebt mehrmals hervor, dass die gesetzlich formulierten Anforderungen in § 2 Abs. 1 AsylbLG von denen des § 1a AsylbLG abweichen und im Rahmen des § 2 Abs. 1 AsylbLG eine andere Wertung gezogen werden kann und muss, weil die dortige Regelung zu einem dauerhaften Ausschluss (höherer) Leistungen führt, § 1a AsylbLG hingegen zu einer vorübergehenden Gewährung niedrigerer Leistungen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es der Ausländer im Rahmen des § 1a AsylbLG selbst in der Hand hat, die "Kürzung" der Leistungen zu beenden, indem er der geforderten Mitwirkungshandlung nachkommt. Im Rahmen des § 2 Abs. 1 AsylbLG ist dies nicht möglich, da bereits ein einmaliges rechtsmissbräuchliches Verhalten den dauerhaften Ausschluss von Analogleistungen nach sich zieht. Demnach ergibt sich aus der genannten Entscheidung des BSG vom 17. Juni 2008 gerade, dass die dortigen Ausführungen nicht auf § 1a AsylbLG übertragen werden können, bei diesem vielmehr gerade andere Maßstäbe gelten.
Nach dem derzeitigen Sachstand ist davon auszugehen, dass im Falle des Antragstellers aufenthaltsbeendende Maßnahmen nur mangels nötiger Ausreisepapiere (Passersatzpapiere) nicht vollzogen werden können. [...]
Das der Aufenthaltsbeendigung entgegenstehende Hindernis hat der Antragsteller zu vertreten, da er ist seiner Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung von Passersatzpapieren nicht nachgekommen ist. Nach § 15 Abs. 2 Nr. 6 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) ist der Ausländer verpflichtet, im Falle des Nichtbesitzes eines Passes oder Passersatzes an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken. Diese Pflicht endet nicht mit dem bestandskräftigen negativen Abschluss des Asylverfahrens; vielmehr dient sie auch dem Zweck, die Rückführung des Ausländers in seinen Heimatstaat zu ermöglichen bzw. zu erleichtern (Verwaltungsgerichtshof <VGH> Baden-Württemberg, Urteil vom 6. Oktober 1998 - A 9 S 856/98 - VBlBW 1999, 229). § 48 Abs. 3 AufenthG regelt eine entsprechende Mitwirkungspflicht des Ausländers. Umfasst ist hiervon nach § 49 Abs. 2 AufenthG die Verpflichtung, im Rahmen der Beschaffung von Heimreisedokumenten die von der Vertretung des Heimatlandes geforderten und mit deutschem Recht in Einklang stehenden Erklärungen abzugeben. Dies bezieht sich zwar nur auf Erklärungen, die der Ermittlung der Identität und der Staatsangehörigkeit dienen, so dass es keine Grundlage für eine selbständig durchsetzbare Pflicht zur Abgabe einer "Freiwilligkeitserklärung" gibt. Insoweit handelt es sich jedoch um eine Obliegenheit, die sich aus der Ausreisepflicht selbst ergibt (Oberverwaltungsgericht <OVG> Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Juni 2008 - 17 A 2250/07 - DVBl 2008, 1204 m.w.N.).
Die Abgabe der Freiwilligkeitserklärung ist dem Antragsteller zumutbar (zur Zumutbarkeit der Freiwilligkeitserklärung wie hier Landessozialgericht <LSG> Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28. September 2007 - L 8 B 11/06 AY ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. Februar 2007 - L 20 B 65/05 AY ER -; OVG Nordrhein-Westfalen a.a.O.; OVG Niedersachsen, Urteil vom 11. Dezember 2002 - 4 LB 471/02). Nach dem derzeitigen Sachstand ist, davon auszugehen, dass sich diese Erklärung in der Bekundung erschöpft, freiwillig in den Iran zurückkehren zu wollen (OVG Nordrhein-Westfalen a.a.O. m.w.N.). Einen weiteren Inhalt oder Bedeutungsgehalt macht auch der Antragsteller nicht geltend. Er hat mithin lediglich das zu bekunden, was ihm das deutsche Recht ausländerrechtlich ohnehin zumutet und von ihm erwartet. Denn die erteilte Duldung ist nur Ausdruck der nicht durchführbaren Abschiebung, lässt aber die Pflicht zur Ausreise gerade unberührt (§§ 50, 60a Abs. 3 AufenthG). Diese Pflicht hat der Antragsteller grundsätzlich freiwillig zu erfüllen. Die Abschiebung darf erst erfolgen, wenn die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist (§ 58 AufenthG). Der weitere Aufenthalt des Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland widerspricht somit der Rechtsordnung. Der Antragsteller wird daher nicht dazu angehalten, gegenüber der Vertretung seines Heimatstaates zu lügen. Vielmehr kann und muss vom ausreisepflichtigen Ausländer verlangt werden, dass er sich rechtstreu verhält, also entsprechend der für ihn bestehenden Pflicht zur freiwilligen Ausreise. Dass der Wille zur freiwilligen Ausreise auch von einem subjektiven Rückkehrwunsch getragen sein muss, ist nach derzeitigem Sachstand nicht Inhalt der Freiwilligkeitserklärung. Besteht die Bereitschaft, sich rechtstreu zu verhalten und freiwillig auszureisen, nicht, muss die Erklärung nicht abgegeben werden; ein Zwang zur Lüge besteht somit gerade nicht.
Es stellt sich dann jedoch die Frage, welche Konsequenzen dieses Verhalten leistungsrechtlich hat, das den Widerspruch zur deutschen Rechtsordnung zum Ausdruck bringt, wie sie ausländerrechtlich konkretisiert ist. Es entspricht gerade der Wertung des § 1a Nr. 2 AsylbLG, niedrigere Leistungen zu gewähren, wenn der fortgesetzte Leistungsbezug darauf beruht, dass der Ausländer gegen seine ausländerrechtlichen Pflichten zur Mitwirkung bei der Aufenthaltsbeendigung verstößt. Da die Leistungskürzung nach § 1a AsylbLG keine Sanktion für strafrechtliches relevantes Handeln darstellt, sondern der genannten - eigenständigen - leistungsrechtlichen Wertung folgt, kann nicht auf die zur Freiwilligkeitserklärung ergangene strafgerichtliche Rechtsprechung zurückgegriffen werden (vgl. Oberlandesgericht <OLG> Frankfurt NVwZ-Beil. 1999, 8; OLG Köln NVwZ-RR 2007, 133; OLG Nürnberg, Urteil vom 16. Januar 2007 - 2 St OLG Ss 242/06 -; letzteres hat die Frage der Zumutbarkeit der Freiwilligkeitserklärung für Beschaffung von Rückreisepapieren ausdrücklich offengelassen). [...]
Bedenken gegen den Umfang der gewährten Leistungen bzw. der Leistungskürzung bestehen nicht. § 1a AsylbLG macht bereits im Wortlaut deutlich, dass die Bestimmung des "unabweisbar gebotenen" Umfanges nach den Umständen des Einzelfalles zu erfolgen hat. Der Barbetrag nach § 3 Abs. 1 S. 4 AsylbLG gehört grundsätzlich nicht zu den unabweisbar gebotenen Leistungen (Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl., AsylbLG § 1a Rdnr. 31). Darüber hinaus hat der Antragsgegner bereits im Bescheid vom 3. Juni 2008 klargestellt, dass Fahrtkosten für die Vorstellung in der Heimatvertretung übernommen werden. Auch die Nichtgewährung eines Barbetrages für den Bekleidungsbedarf begegnet keinen rechtlichen Bedenken (Hohm, a.a.O., Rdnr. 30). Denn der Antragsgegner hat im Widerspruchsbescheid deutlich gemacht, dass ein akuter Bekleidungsbedarf durch die Inanspruchnahme der Kleiderkammer oder die Ausgabe von Warengutscheinen befriedigt werden wird. Schließlich ist es auch nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner nur noch einen Platz in einer Gemeinschaftsunterkunft zur Verfügung stellt (vgl. Hohm, a.a.O., Rdnr. 29).