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Zitieren als:
, Bescheid vom 15.12.2008 - 5267379-221 - asyl.net: M14768
https://www.asyl.net/rsdb/M14768
Leitsatz:
Schlagwörter: Algerien, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Wiederaufgreifen des Verfahrens, Änderung der Sachlage, alleinstehende Frauen, alleinerziehende Frauen, Situation bei Rückkehr, Existenzminimum, Kinder
Normen: AsylVfG § 60 Abs. 7; VwVfG § 51 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Den Anträgen wird insofern entsprochen, als festgestellt wird, dass die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezüglich Algerien vorliegen. [...]

Die Antragsteller können sich auf eine neue Sachlage stützen.

Wie oben ausgeführt, wurde im Vorverfahren davon ausgegangen, dass sie eine alleinstehende Frau mit drei Kindern ist. Das Verwaltungsgericht Ansbach hat im Vorverfahren auf Seite 4 des Urteils vom 23. September 2005, Az. AN 2 K 04.32283, ausgeführt, "dass nicht ersichtlich ist, weshalb die Klägerin zu 1) bei einer Rückkehr nach Algerien von ihrer Familie und der Familie des Ehemanns bedroht werden soll. Darüber hinaus wäre es der Klägerin zu 1) jedenfalls zuzumuten, ihren Wohnsitz in einer der größeren Städte Algeriens mit der damit verbundenen Anonymität zu verlegen, wo sie einer Gefährdung und Ächtung nicht ausgesetzt wäre und die Situation von Frauen in ihrer Lage sich wesentlich besser darstellt. Das Bundesamt hat deshalb in diesem Zusammenhang in nicht zu beanstandender Weise eine Zuerkennung des § 53 AuslG abgelehnt."

In dem Schreiben von Terre das Femmes, an den Bevollmächtigten am 04.07.2007 versandt, wird davon ausgegangen, dass der untergetauchte Mann bzw. dessen Familie die Kinder wegnehmen könnte unter Bezug auf die staatliche und gesellschaftliche Seite. Sie habe als alleinstehende Frau mit drei Kindern keine Existenzmöglichkeit, es gebe nur ein Frauenhaus, welches überlastet sei.

Insoweit führt das Schreiben von Terre des Femmes und der angegebene fehlende familiäre Rückhalt zu einer neuen Sachlage.

Die für die Wiederaufgreifensanträge angegebene Begründung führt zu einer für die Antragsteller günstigeren Entscheidung, weil nunmehr vom Vorliegen der Voraussetzungen nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezüglich Algerien auszugehen ist. [...]

Die Antragstellerin zu 1. hat als Mutter für sich und ihre drei Kinder im Alter von 11, 10 und 5 Jahren zu sorgen.

Algerier, die nach jahrelanger Abwesenheit durch Abschiebung aus dem Ausland zurückkehren, sind nicht mehr gesetzlich sozialversichert und müssen daher sämtliche Kosten selbst übernehmen, sofern sie nicht als Kinder oder Ehefrauen von Versicherten erneut bei der Versicherung eingeschrieben werden oder selbst einer versicherungspflichtigen Arbeit nachgehen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Algerien vom 29.01.2008, Stand: Dezember 2007, Az.: 514-516.80/3 DZA).

Zur Situation von Frauen wird ausgeführt, "insbesondere in den unteren sozialen Schichten führen Scheidungen, Scheidungsfolgen und ein diskriminierendes Erbrecht häufig zu Mittellosigkeit und gesellschaftlicher Marginalisierung" (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Algerien vom 29.01.2008, Stand: Dezember 2007, Az. 514-516.80/3 DZA).

Angesichts des Alters der Kinder und dem fehlenden familiären Rückhalt der Familie kann für der Fall der Rückkehr nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin zu 1. in der Lage ist, für sich selbst und die drei Kinder zu sorgen. Es würde damit auch an einer Sozialversicherung fehlen, so dass im konkreten Fall der Antragsteller nicht erwartet werden kann, dass sie die erforderlichen Kosten aufbringen können.

Zudem bleibt zu berücksichtigen, dass der Antragsteller zu 4. hier geboren wurde und die Antragsteller zu 2. und 3. zusammen mit den Eltern im Jahr 2002 eingereist sind.

"Kinder treffen im besonderen Maße die schlechten sozialen Bedingungen im Lande und die erheblichen Defizite im Bildungssystem. Nach offiziellen Angaben sollen im Agrarsektor im Jahre 2006 insgesamt 156 Fälle von Kinderarbeit bekannt geworden sein. Bei einer Jugendarbeitslosigkeit von rund 60 % haben Jugendliche kaum Aussichten auf einen Arbeitsplatz" (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Algerien vm 29.01 2008, Stand: Dezember 2007, Az.: 514-516.80/3 DZA).

In der Gesamtschau ist unter Berücksichtigung der individuellen Situation der Antragsteller davon auszugehen, dass sie für den Fall der Rückkehr das erforderliche Existenzminimum nicht erhalten könnten, so dass von einer erheblichen und konkreten Gefahr auszugehen wäre. [...]