VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 03.12.2008 - 13 S 2483/07 - asyl.net: M14778
https://www.asyl.net/rsdb/M14778
Leitsatz:

Staatenlosen Palästinensern aus dem Libanon ist es ohne Zusage einer Aufenthaltserlaubnis nicht möglich, Rückreisepapiere zu erlangen; erfolglose Bemühungen der Ausländerbehörde zur Beschaffung von Rückreisepapieren lassen nicht zwingend darauf schließen, dass Bemühungen des Ausländers aussichtslos sind; die Ausländerbehörde ist verpflichtet, den Ausländer auf seine konkreten Mitwirkungspflichten bei der Passersatzbeschaffung hinzuweisen, sofern sich ihm ein bestimmtes Verhalten nicht aufdrängen muss; unterlässt die Ausländerbehörde entsprechende Hinweise, kann das gegen ein Verschulden des Ausländers gem. § 25 Abs. 5 S. 3 und 4 AufenthG sprechen.

 

Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, Ausreisehindernis, Ausweisung, Sperrwirkung, Wirkungen der Ausweisung, abgelehnte Asylbewerber, offensichtlich unbegründet, Libanon, Palästinenser, Staatenlose, Passersatzbeschaffung, UNRWA, Registrierung, Verschulden, Mitwirkungspflichten, Hinweispflicht, Ausländerbehörde, Auslandsvertretung, Zumutbarkeit, document de voyage, Laissez-Passer, Ermessen, Ermessensreduzierung auf Null, Ausweisungsgründe
Normen: AufenthG § 25 Abs. 5; AufenthG § 11 Abs. 1; AufenthG § 10 Abs. 3; AsylVfG § 30 Abs. 3; StlÜbk Art. 28; StlÜbk Art. 1 Abs. 2 Bst. l; AufenthG § 82 Abs. 3; AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 2
Auszüge:

Staatenlosen Palästinensern aus dem Libanon ist es ohne Zusage einer Aufenthaltserlaubnis nicht möglich, Rückreisepapiere zu erlangen; erfolglose Bemühungen der Ausländerbehörde zur Beschaffung von Rückreisepapieren lassen nicht zwingend darauf schließen, dass Bemühungen des Ausländers aussichtslos sind; die Ausländerbehörde ist verpflichtet, den Ausländer auf seine konkreten Mitwirkungspflichten bei der Passersatzbeschaffung hinzuweisen, sofern sich ihm ein bestimmtes Verhalten nicht aufdrängen muss; unterlässt die Ausländerbehörde entsprechende Hinweise, kann das gegen ein Verschulden des Ausländers gem. § 25 Abs. 5 S. 3 und 4 AufenthG sprechen.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache teilweise Erfolg; unter entsprechender Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils war die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Der Tatbestand des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG ist nämlich gegeben (1.), und auch ein Ausschlussgrund nach § 25 Abs. 5 Satz 3 und 4 AufenthG liegt nicht vor (2.). Allerdings steht der Beklagten insofern noch ein Ermessen zu, so dass die auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gerichtete Klage (teilweise) abzuweisen war (3.).

1. Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. [...] Wegen der in § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit, von der Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 AufenthG abzuweichen, steht die Ausweisung des Klägers seinem Begehren vom Tatbestand der Vorschrift her nicht entgegen. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an den Kläger nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG scheitert tatbestandsmäßig auch nicht an § 10 Abs. 3 AufenthG. Die Vorschrift schließt zwar die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für bestimmte abgelehnte Asylbewerber aus, ist aber hier nicht einschlägig: Der Ausschlussgrund des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG (Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 3 AsylVfG) ist nicht gegeben, da die negative Entscheidung im Asylverfahren anders als die Beklagte bei der Anhörung nach § 28 Abs. 1 LVwVfG und das Regierungspräsidium Stuttgart im Rahmen des Zustimmungsverfahrens nach § 8 AAZuVO angenommen haben nicht auf § 30 Abs. 3 AsylVfG, sondern auf § 30 Abs. 1 AsylVfG beruht.

Es kann auch von einer Unmöglichkeit der Ausreise des Klägers ausgegangen werden, da der Kläger als staatenloser Palästinenser (siehe dazu auch unten) ohne entsprechende Papiere vom Libanon nicht "zurückgenommen" werden wird (siehe dazu zuletzt den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom Februar 2008, S. 23). Insofern ist die Rechts- und Faktenlage eindeutig (siehe auch den Beschluss des Senats im Verfahren der Prozesskostenhilfe vom 12.3.2007 - 13 S 3029/06 -; VG Freiburg, Urteil vom 24.4.2008 - 4 K 280/06 - m.w.N., juris, Rn 26; VG Berlin, Urteil vom 24.7.2007 - 27 A 180.06 -, juris Rn 16; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.6.2007 - 3 B 34.05 -, juris, Rn 36; VG Sigmaringen, Urteil vom 20.7.2006 - 8 K 577/04 -, juris Rn 44, je m.w.N.). Auch die Beklagte und der Beigeladene gehen davon aus, dass ein Palästinenser ohne entsprechende Rückreisepapiere in den Libanon weder einreisen noch abgeschoben werden kann (zur Gleichstellung von Ausreise und Abschiebung in diesem Zusammenhang siehe BVerwG, Urteil vom 27.6.2006 - 1 C 14/05 -, NVwZ 2006, 408 und GK-AufenthG, Rn 120 zu § 25 m.w.N.; Storr/Wenger, Zuwanderungsrecht, Rn 33 zu § 25 und Hailbronner, AuslR, Rn 92 zu § 25). Ist der Zielstaat - wie hier - wegen des Fehlens entsprechender Papiere nicht aufnahmebereit, so ist im Sinn des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG die Ausreise unmöglich (siehe GK-AufenthG, Rn 165 zu § 25; vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.6.2003 - 13 S 2767/02 -). Eine Verpflichtung des Libanon zur Aufnahme des Klägers ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 28 des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen (vom 28.9.1954, BGBl 1976 II 474; vgl. dazu auch VG Freiburg, Urteil vom 24.4.2008 - 4 K 280/06 -, juris). Das Abkommen ist zwar auf staatenlose, von der UNRWA registrierte Palästinenser wie den Kläger anwendbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.2.1993 - 1 C 45/90 -, NVwZ 1993, 782), er unterstand aber im Libanon dem Schutz einer Organisation der Vereinten Nationen (UNRWA) und ist damit vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgenommen (Art. 1 Abs. 2 lit. I). Dass das danach bestehende Ausreisehindernis in absehbarer Zeit entfallen wird, davon ist angesichts der langjährigen Praxis des libanesischen Staates und seiner Behörden (Einreiseverweigerung bei Personen ohne entsprechende libanesische Dokumente) nicht auszugehen.

2. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an den Kläger nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG steht auch kein Ausschlussgrund im Sinn des § 25 Abs. 5 Satz 3 und 4 AufenthG entgegen. Nach diesen Vorschriften darf die Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden, "wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist" (§ 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG), und ein Verschulden liegt insbesondere dann vor (die anderen Verschuldenstatbestände sind hier nicht einschlägig), wenn der Ausländer "zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt" (§ 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Bei der Auslegung der Ausreisetatbestände geht der Senat mit der Rechtsprechung und ganz herrschenden Auffassung davon aus, dass der Ausländer grundsätzlich verpflichtet ist, von sich aus zumutbare Anforderungen zur Beseitigung von Ausreisehindernissen zu erfüllen; er hat zudem unter Angabe nachprüfbarer Umstände darzulegen und durch Vorlage geeigneter Dokumente nachzuweisen, dass er das ihm Zumutbare zur Erlangung eines Rückreisedokuments - um dieses Ausreisehindernis geht es im vorliegenden Fall - getan hat (vgl. § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG und VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 19.12.2006 - 13 S 766/06 -; Urteil vom 22.3.2006 - 11 S 1924/05 -, je m.w.N.). Bei der Frage, welche Mitwirkungshandlungen konkret zumutbar sind, sind alle Umstände und Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen (siehe BVerwG, Beschluss vom 15.6.2006 - 1 B 54/96 -, juris und bereits Beschluss vom 16.12.1998 - 1 B 105.98 -, Buchholz 402, 240 § 30 AuslG 1990 Nr. 10; siehe auch BVerwG, Urteil vom 24.11.1998 - 1 C 8.98 -, InfAuslR 1999, 106 und Storr-Wenger, a.a.O., Rn 36 zu § 25), wobei der Begriff der Zumutbarkeit es ausschließt, einem Ausländer solche Handlungen abzuverlangen, die von vornherein erkennbar aussichtslos sind (BVerwG, Beschluss vom 15.6.2006, a.a.O.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.6.2007 - 3 B 34.05 -, juris). Auch dem Verhalten der Behörde als Mitbeteiligter kommt bei der Festlegung der einzelnen Verantwortungsbereiche Bedeutung zu (GK-AufenthG, Rn 180 zu § 25; Storr-Wenger a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12.3.2007 - 13 S 3029/06 - PKH-Beschwerde, und BayVGH, Beschluss vom 19.12.2005 - 24 C 05.2856 -, InfAuslR 2006, 189).

Im vorliegenden Fall ergibt diese Würdigung, dass gegenüber dem Kläger der Vorwurf der schuldhaften Nichtbeseitigung des Ausreisehindernisses nicht erhoben werden kann.

Fehlendes Verschulden des Klägers am Weiterbestehen des Ausreisehindernisses ergibt sich allerdings nicht bereits daraus, dass die Ausländerbehörde selbst tätig geworden ist und gegenüber der Botschaft des Libanon die Beschaffung von Heimreisepapieren in die Wege geleitet hat. Das Regierungspräsidium Stuttgart hat zwar im Juli 2004 den blauen Palästinenserausweis des Klägers (ausgestellt vom libanesischen Innenministerium, siehe dazu auch Auswärtiges Amt, Auskunft vom 23.4.2004 an VG Cottbus) an die libanesische Botschaft übersandt und dem einen Antrag auf Ausstellung von Rückreisepapieren für den Kläger beigefügt und insofern die Initiative zur Beseitigung des Ausreisehindernisses ergriffen, ohne dass bis heute von Seiten der Botschaft irgendeine Reaktion erfolgt wäre; dies bedeutet aber nicht, dass dem Kläger eigene (zusätzliche) Aktivitäten von vornherein nicht mehr zumutbar wären. Sofern aus früheren Entscheidungen des Senats ein solcher Grundsatz abgeleitet werden könnte (siehe Urteil vom 7.11.2001 - 13 S 2171/00 -, InfAuslR 2002, 115, 117 und Urteil vom 13.6.2001 - 13 S 370/00 -, juris; ebenso VG Berlin, Urteil vom 9.8.2004 - 21 A 589.02 -, juris und VG Freiburg, Urteil vom 17.3.2005 - 1 K 1065/04 -) hält der Senat hieran nicht fest. Erfolglos gebliebene behördliche Bemühungen können zwar dem Betroffenen selbst nicht als Verschulden angelastet werden, wie der Senat im Verfahren der Prozesskostenhilfe (Beschwerdebeschluss vom 12.3.2007 a.a.O.) ausgeführt hat; andererseits entlasten sie jedoch den Ausländer nicht von (sonst) zumutbaren eigenen Anstrengungen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass im Rahmen des § 25 Abs. 5 Satz 3 und 4 AufenthG eigenständige Verantwortungsbereiche von Behörde und Betroffenem anzunehmen sind (siehe dazu BayVGH, Urteil vom 19.12.2005, a.a.O.) und dass Behördenbemühungen unter Umständen schondeswegen, weil sie von einer Behörde ausgehen, zum Scheitern verurteilt sein können (siehe dazu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 19.12.2006 - 13 S 766/06 - und VG Sigmaringen, Urteil vom 20.7.2006, a.a.O.). Verweigert der Heimatstaat die Kooperation mit Behörden, so folgt - mit anderen Worten - hieraus nicht, dass der betroffene Ausländer selbst als Einzelperson untätig bleiben darf. [...]

2.1. Nach Auffassung des Senats spricht vieles dafür, dass die Botschaft des Libanon Einzelanträge geduldeter staatenloser Palästinenser dann nicht bearbeitet, wenn sie von einem entsprechenden "Abschiebungshintergrund" ausgeht und keine behördlichen Zusagen auf Aufenthaltserlaubnis vorliegen. Bereits im Beschluss vom 19.12.2006 (a.a.O.) hat der Senat ausgeführt, dass bei Behördenanträgen der Libanon auf eine entsprechende Abschiebeabsicht schließe und sich unkooperativ verhalte. [...] Dies gilt jedenfalls für staatenlose Palästinenser, für die das in früherer Zeit zwischen deutschen Behörden und der libanesischen Botschaft getroffene Übereinkommen über die Praxis bei Rückreisepapieren grundsätzlich nicht gilt (siehe dazu Clearingstelle Trier, Auskunft vom 29.4.2004). Was Anträge palästinensischer (staatenloser, lediglich geduldeter) Einzelpersonen angeht, geht die Rechtsprechung jedenfalls bisher davon aus, dass ohne die Vorlage von Aufenthaltserlaubniszusagen ein document de voyage oder ein für die Rückreise ausreichendes Laissez-Passer nicht ausgestellt wird. Was speziell Passanträge betrifft, so wären diese im Fall des Klägers ohnehin nicht erfolgversprechend, weil es sich bei ihm - wie sich aus seiner Registrierung als Palästinenser ergibt - nicht um einen libanesischen Staatsangehörigen handelt (siehe Auswärtiges Amt, Auskunft vom 10.3.2008 an Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Auskunft an VG Sigmaringen vom 17.9.2003, und Auskunft vom 19.11.2007 an VGH Baden-Württemberg; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 23.2.1993 a.a.O.). Das von der Botschaft herausgegebene Merkblatt für die Erteilung eines document de voyage oder eines Laissez-Passer bestätigt zwar, dass Einzelpersonen Anträge stellen können, enthält aber hierfür die Bedingung, dass eine Aufenthaltserlaubniszusage erforderlich sei. Dementsprechend geht die Rechtsprechung davon aus, dass - möglicherweise abgesehen von Einzelfällen - die Ausstellung von Rückreisepapieren an Palästinenser ohne entsprechende Zusage in aller Regel verweigert wird (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 19.12.2006 a.a.O; siehe auch OVG Brandenburg, Urteil vom 1.7.2004 a.a.O; Auswärtiges Amt, Auskunft vom 23.4.2004 an VG Cottbus); die Beschaffung von Heimreisedokumenten für diesen Personenkreis durch eigene Bemühungen sei - so der gemeinsame "Tenor" der diese Problematik betreffenden Entscheidungen - gegenwärtig praktisch ausgeschlossen (so VG Freiburg, Urteil vom 24.4.2008 a.a.O., VG Berlin, Urteil vom 24.7.2007 a.a.O., zur früheren Zeit siehe VG Freiburg, Urteil vom 17.3.2005 a.a.O.; VG Berlin, Urteil vom 9.8.2004 - 21 A 589.02 -; VG Potsdam, Urteil vom 20.2.2004 - 14 K 1253/03 - und VG Hannover, Urteil vom 21.7.2003 - 6 A 3718/00 -). Auch gegenüber Anfragen von Verwaltungsgerichten hat es bisher es an der erforderlichen Kooperationsbereitschaft der Botschaft gefehlt (vgl. dazu VG Sigmaringen a.a.O.). Die dem auf den ersten Blick entgegenstehende "Erfolgsliste" der Berliner Ausländerbehörde LABO vom November 2006 zur Papierausstellung an Palästinenser ist nach Auffassung des Senats nicht so aussagekräftig, dass im vorliegenden Fall von einer konkreten Erfolgsaussicht ausgegangen werden könnte: Sie betrifft zum weit überwiegenden Teil Fälle, in denen ein Bleibegrund im Hintergrund der Bemühungen stand. Außerdem stellt der Zusatz "palästinensische Volkszugehörige aus dem Libanon" nicht klar, ob es sich bei den aufgelisteten Fällen (wenigstens zum Teil auch) um libanesische Staatsangehörige gehandelt hat; hierfür könnte sprechen, dass in der dritten Spalte der Liste von "Passausstellung" die Rede ist. [...]

2.2. Selbst wenn in Einzelfällen bei ausdrücklichem Rückkehrwunsch eines (staatenlosen) Palästinensers von einer (wenn auch geringen) Chance auf Ausstellung entsprechender Papiere auszugehen wäre, erscheint im vorliegenden Fall ein Verschuldensvorwurf an den Kläger als überzogen. Einzubeziehen in die Wertung nach § 25 Abs. 5 Satz 3 und 4 AufenthG sind nämlich auch die (nachgewiesenen) bisherigen Aktivitäten des Klägers und das Verhalten der Beklagten ihm gegenüber. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang verkannt, dass es nicht allein Sache des Klägers war, gegenüber der Botschaft tätig zu werden, sondern dass auch ihr bestimmte Hinweis- und Mitwirkungspflichten obliegen. Der Erlass einer eigenständigen sog. Passverfügung auf asylverfahrensrechtlicher Grundlage (§ 15 AsylVfG, siehe etwa OVG Koblenz, Beschluss vom 24.1.2007 - 6 E 1489/06 -, AuAS 2007, 43) oder nach § 48 Abs. 3 AufenthG (siehe dazu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 10.7.2006 - 11 S 1228/06 - juris) mag unterblieben sein, weil vermieden werden sollte, dass die libanesische Botschaft auf eine entsprechende Abschiebungsabsicht schließen könnte (siehe oben); aber auch im späteren Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahren hat es die Behörde unterlassen, die aus ihrer Sicht dem Kläger obliegenden Mitwirkungspflichten konkret zu bezeichnen. [...] Eine Grenze der dem Ausländer obliegenden Initiativpflicht bildet nämlich die Frage, welche Möglichkeiten ihm bei objektiver Betrachtungsweise überhaupt bekannt sein können; nur insoweit kann ihm subjektive Verantwortlichkeit angelastet werden (siehe dazu BayVGH, Urteil vom 19.12.2005 a.a.O.). Daher hat die zuständige Behörde, wie dies auch § 82 Abs. 3 Satz 1 AufenthG vorgibt, den Betroffenen auf seine Pflichten hinzuweisen und ihm mitzuteilen, dass und in welchem Umfang er zur Erbringung bestimmter Handlungen verpflichtet ist; wenn sich ihm ein bestimmtes Verhalten nicht bereits aufdrängen muss, muss ihm wenigstens hinreichend erkennbar sein, was er konkret zu unternehmen hat. Die Behörde ist regelmäßig angesichts ihrer organisatorischen Überlegenheit und Sachnähe besser in der Lage, die bestehenden Möglichkeiten zu erkennen und die erforderlichen Schritte in die Wege zu leiten (siehe BayVGH a.a.O.).

Im vorliegenden Fall wirkt sich im Rahmen der Verschuldensprüfung auch zu Lasten der Beklagten aus, dass der Kläger seinerseits keineswegs untätig geblieben ist; so hat er insbesondere mehrfach (2004, 2007 und zweimal 2008) die Botschaft des Libanon in Berlin aufgesucht. [...]

3. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG und das Nichteingreifen eines Ausschlussgrundes nach § 25 Abs. 5 Satz 3 und 4 AufenthG vermittelt dem Kläger im vorliegenden Fall allerdings noch keinen Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis; ihm steht lediglich ein - auch mit der Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO geltend zu machender (siehe die Nachweise bei Sodan/Ziekow, VwGO, 2006, Rn 20 zu § 75) - Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Bescheidung nach der Rechtsauffassung des Gerichts zu (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Hieran ändert es nichts, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen der Sollvorschrift des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG (18 Monate Duldung) gegeben sind; auch in diesen Fällen müssen nämlich die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG erfüllt sein (GK-AufenthG, a.a.O., Rn 194 zu § 25; Storr-Wenger, a.a.O., Rn 38 zu § 25), die ihrerseits - etwa in § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG - der Behörde Ermessen einräumen. Im übrigen ist auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG in sog. atypischen Fällen ohnehin Ermessen eröffnet (siehe dazu GK-AufenthG, a.a.O., Rn 191 und 192 zu § 25; vgl. auch BVerfG, Urteil vom 22.11.2005 - 1 C 18.04 -, NVwZ 2006, 711). [...]

Eine solche behördliche Ermessensausübung steht im vorliegenden Fall bisher aus; auch die schriftsätzlichen Stellungnahmen der Beklagten können nicht in diese Richtung verstanden werden (siehe § 114 Satz 2 VwGO und BVerwG, Urteil vom 5.9.2006 - 1 C 20.05 -, AuAS 2007, 3). Der Senat geht nicht davon aus, dass die Ermessensausübung bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt rechtlich nur in eine (zulässige) Richtung hin gebunden ist, dass also bereits jetzt ein im Weg der Ermessensreduzierung anzunehmender Anspruch des Klägers auf Aufenthaltserlaubnis besteht. Selbst wenn die von dem Kläger zuletzt begangene Straftat nach den Umständen des Einzelfalles nicht schwer wiegt und ein Betrugsvorsatz wohl kaum angenommen werden kann, verbleibt der Beklagten ein entsprechender Entscheidungsspielraum (insoweit großzügiger: VG Berlin, Urteil vom 24.7.2007 a.a.O.). Allerdings wird die Beklagte bei der Ermessensausübung auch die Funktion des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG zu berücksichtigen haben, wonach bei tatsächlich vorliegenden Abschiebungs- und Ausreisehindernissen an die Stelle der gesetzlich nicht vorgesehenen sog. Kettenduldungen nunmehr die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis als humanitäre, der notwendigen Integration des Ausländers dienende Maßnahme getreten ist (siehe dazu GK-AufenthG, a.a.O., Rn 2 zu § 25 sowie Hailbronner a.a.O. Rn 1 zu § 25 m.w.N. aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift). [...]