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Es wird gemäß Art. 234 Abs. 1 lit. b) und 2 EG eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu folgender Frage eingeholt:
Kann sich ein türkischer Staatsangehöriger, der die Rechtsposition nach Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 innehat und seit seiner Geburt im Jahre 1989 im Bundesgebiet lebt, auf den besonderen Ausweisungsschutz nach Art. 28 Abs. 3 lit. a) der Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004 (ABl. L 158 vom 30.04.2004, S. 77; berichtigt ABl. L 229 vom 29. Juni 2004) berufen? [...]
Das Gericht geht davon aus, dass der Kläger im Hinblick darauf, dass er in der Bundesrepublik Deutschland geboren und aufgewachsen ist, sich während des gesamten Zeitraumes legal im Bundesgebiet aufgehalten hat und sein Vater als Arbeitnehmer dem regulären Arbeitsmarkt angehörte, die Rechtsposition nach Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 erworben hat. Er kann sich deshalb auf besonderen Ausweisungsschutz nach Art. 14 ARB 1/80 berufen. Beschränkungen seiner Rechtsstellung aus Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 sind danach nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit zulässig. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erfolgte die Konkretisierung des Begriffes der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bislang durch Rückgriff auf die Richtlinie 64/221/EWG. Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 64/221 /EWG bestimmten, dass für Entscheidungen zum Schutze der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit allein das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelpersonen ausschlaggebend ist und strafrechtliche Verurteilungen allein solche Entscheidungen nicht ohne weiteres rechtfertigen. Diese Richtlinie ist aber durch Art. 38 Abs. 2 RL 2004/38/EG mit Wirkung zum 1. Mai 2006 aufgehoben worden. Zur Auslegung des Begriffes der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wird nunmehr auf Art. 27 ff. RL 2004/38/EG zurückzugreifen sein. Nach Art. 28 Abs. 3 lit. a) RL 2004/38/EG darf eine Ausweisung gegen einen Unionsbürger u.a. nicht verfügt werden, wenn sie ihren Aufenthalt in den letzten 10 Jahren im Aufnahmemitgliedsstaat gehabt haben, es sei denn die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die von den Mitgliedsstaaten festgelegt werden. Die Bundesrepublik Deutschland hat im Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigskeitsgesetz/EU - FreizügG/EU) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950, 1986) in § 6 Abs. 5 Satz 3 bestimmt, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit nur dann vorliegen, wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet wurde, wenn die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betroffen ist oder wenn vom Betroffenen eine terroristische Gefahr ausgeht. Da der Kläger diese Vorgaben nicht erfüllt, wäre die gegen ihn ausgesprochene Ausweisung rechtsfehlerhaft, wenn er sich auf den besonderen Ausweisungsschutz des Art. 28 Abs. 3 lit. a) RL 2004/38/EG berufen kann. Die Beantwortung der aufgeworfenen Frage ist deshalb für die Entscheidung des Gerichts erheblich. [...]