Stopp der Dublin-Überstellung nach Griechenland wegen Verletzung der Verfahrensrichtlinie und der Richtlinie zu den Aufnahmebedingungen (im Anschluss an VG Gießen, Beschluss vom 25.4.2008 - 2 L 201/08.GI.A).
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Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist als Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zulässig und auch überwiegend begründet.
In den Akten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge befindet sich der Bescheid vom 08.09.2000, mit dem der Asylantrag für unzulässig erklärt wird, und die Abschiebung des Antragstellers nach Griechenland angeordnet wird. Der Prozessbevollmächtigte des Antragsteller erhielt eine Abschrift dieses Bescheids. Die Antragsgegnerin teilte ihm jedoch gleichzeitig mit, dass dieser Bescheidentwurf noch keine Außenwirkung entfalte. Da die gegen den Bescheid vom 08.09.2008 erhobene Klage - A 6 K 3484/08 - mithin ins Leere geht, kommt die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht in Betracht.
Der Antragsteller hat jedoch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht. Er muss jederzeit damit rechnen, dass die Antragsgegnerin die zuständige Abschiebebehörde bittet, seine Überstellung nach Griechenland durchzuführen.
Ein Anordnungsanspruch ist ebenfalls zu bejahen.
Zwar darf nach der Regelung des § 34 a AsylVfG die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat, der auf dem Wege des 27 a AsylVfG ermittelt worden ist, nicht nach § 80 oder § 123 VwGO ausgesetzt werden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Drittstaatenregelung (Urteil vom 14.5.1996 (2 BvR 1938/93, BVerfGE 94, 49-114 in Juris) ist die Vorschrift des § 34 a AsylVfG jedoch verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass sie entgegen ihrem Wortlaut die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Zusammenhang mit geplanten Abschiebungen in den sicheren Drittstaat nicht generell verbietet, sondern derartiger Rechtsschutz in Ausnahmefällen nach den allgemeinen Regeln möglich bleibt.
Nach dieser Rechtsprechung kommt die vorläufige Untersagung der Abschiebung nach § 123 VwGO ausnahmsweise dann in Betracht, wenn eine die konkrete Schutzgewährung in Zweifel ziehende Sachlage in dem für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gegeben ist (vgl. im Einzelnen BVerfG aaO).
Eine solche besondere Sachlage hat der Antragsteller in Bezug auf Griechenland glaubhaft gemacht.
Unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnisquellen zur Situation und Behandlung von Flüchtlingen in Griechenland (vgl. u. a. UNHCR Positionspapiere vom 15.04.2007 und vom Juli 2007; Pro Asyl Bericht vom Oktober 2007 "The Truth may be bitter, but must be told"; UNHCR Papier/Stopp für Dublin-Transfers nach Griechenland vom 16.04.2008) geht die Einzelrichterin mit der hierzu bereits vorliegenden stattgebenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung davon aus, dass dem Antragsteller bei einer Rückführung nach Griechenland dort kein Asylverfahren offen steht, das die Mindestnormen für Verfahren zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß der Europäischen Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1.12.2005 (ABl L 326, S. 13 v. 13.12.2005) einhält. Eben so wenig kann derzeit davon ausgegangen werden, dass in Griechenland die Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern gemäß der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18 v. 6.2.2003) eingehalten werden.
Die festgestellte Verletzung des vorgenannten europäischen Rechts und die damit einhergehenden Grundrechts- und Menschenrechtsverletzungen sind nach Auffassung der Einzelrichterin als weiterer, vom Bundesverfassungsgericht zur Zeit des Ergehens seiner Entscheidung noch nicht berücksichtigungsfähiger Sonderfall einzustufen (ebenso VG Gießen, Beschluss vom 25.04.2008 - 2 L 201/08.GI.A -; VG Karlsruhe, Beschluss vom 23.06.2008 - A 3 K 1412/08VG -; VG Weimar, Beschluss vom 24.07.2008 - 5 E 20094/08 We - jeweils in juris sowie VG Stuttgart, Beschluss vom 20.08.2008 - A 13 K 2618/08 -).
Da zumindest die vorgenannte Gerichtsentscheidung des VG Gießen vom 25.04.2008 beiden Beteiligten bekannt ist, wird zur weiteren Begründung auf die dortigen ausführlichen Darlegungen und Feststellungen, die sich die Einzelrichterin unter Berücksichtigung der einschlägigen Erkenntnisquellen ohne Einschränkung zu eigen macht, in vollem Umfang Bezug genommen. [...]
Ein endgültiges Verbot der Zurückschiebung war jedoch nicht gerechtfertigt, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich die oben beschriebenen Verhältnisse in Griechenland in absehbarer Zeit ändern und durch die vor Ort zuständigen Stellen künftig sichergestellt wird, dass jedenfalls die aus anderen EU-Ländern überstellten Flüchtlinge nach ihrer Rückführung menschenwürdig untergebracht werden und ein den europarechtlichen Vorgaben entsprechendes Asylverfahren durchlaufen können. [...]