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Die Aussetzung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 94 VwGO (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 94 Rn. 4a). Die Frage, die der Senat mit Beschluss vom 22. Juli 2008 - 13 S 1917/07 - dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt hat, ist auch für das vorliegende Verfahren entscheidungserheblich.
Anders als der Beklagte meint würde die Ausweisung des Klägers gegen Art. 28 Abs. 3 lit. a RL 2004/38 EG verstoßen, falls diese Vorschrift hier (entsprechend) anwendbar sein sollte. Denn die Ausweisung des Klägers beruht nicht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit im Sinne des Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG (vgl. hierzu auch den Vorlagebeschluss des Senats vom 22.7.2008 - 13 S 1917/07 -, juris). Nach der Rechtsprechung des EuGH schützt die öffentliche Sicherheit sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit des Staates. Die innere Sicherheit umfasst den Bestand des Staates, seiner Einrichtungen und wichtiger öffentlicher Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung. Zur äußeren Sicherheit gehören die auswärtigen Beziehungen, die Freiheit von militärischen Bedrohungen und das friedliche Zusammenleben der Völker (vgl. EuGH, Urteil vom 10.7.1984, 72/83 "Campus Oil", Slg. 1984, 2727, Rn. 34; Urteil vom 4.10.1991, C-367/89 "Richardt und Les Accessoires Scientifiques", Slg. 1991, I-4621, Rn. 22; Urteil vom 17.10.1995, C-70/94 "Werner", Slg. 1995, I-3189, Rn. 27; Urteil vom 17.10.1995, C-83/94 "Leifer", Slg. 1995, I-3231; Urteil vom 26.10.1999, C-273/97 "Sirdar", Slg. 1999, I-7403, Rn. 17, Urteil vom 11.3.2003, C-186/01 "Dory", Slg. 2003, I-I-2479, Rn. 32; Streinz, EUV/EGV, Art. 39 EG Rn. 138). Unter die innere Sicherheit fallen "begrenzte außergewöhnliche Tatbestände", die sich nicht für eine extensive Auslegung eignen (EuGH, Urteil vom 15.5.1986, 222/84 "Johnston", Slg. 1986, 1651 Rn. 26; Urteil vom 16.9.1999, C-414/97 "Kommission/Spanien", Slg. 1999, I-5585, Rn. 21). Der Begriff der öffentlichen Sicherheit ist damit enger als der Begriff der öffentlichen Ordnung, der auch die innerstaatliche (Straf-)Rechtsordnung umfasst (vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 4.5.2006 - 24 K 6197/04 - InfAuslR 2006, 356; Streinz, EUV/EGV, Art. 39 Rn. 134ff). Für das in dieser Weise verstandene Schutzgut der öffentlichen Sicherheit geht von dem Kläger keine Bedrohung aus. Der Kläger stellt zwar möglicherweise eine erhebliche Gefahr für hochrangige private Rechtsgüter, jedoch nicht für den Bestand des Staates und seiner Institutionen oder das Überleben der Bevölkerung dar.
Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich insoweit auch kein Wertungswiderspruch zu § 6 Abs. 5 Satz 3 FreizügG/EU. Danach können zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit nur vorliegen, wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet wurde, wenn die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betroffen ist oder wenn vom Betroffenen eine terroristische Gefahr ausgeht. Diese Vorschrift ist nicht so zu verstehen, dass eine Aufenthaltsbeendigung bei einer Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens fünf Jahren immer zulässig wäre. Der Gesetzgeber gibt vielmehr nur ein Mindeststrafmaß vor, bei dessen Überschreitung zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit vorliegen können. Die Behörde hat dann im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob ein Schutzgut der inneren oder äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betroffen ist (Harms in Storr/Wenger/Eberle/Albrecht/Harms, Kommentar zum Zuwanderungsrecht; 2. Aufl. 2008, § 6 FreizügG/EG Rn. 22 f.). [...]