VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Urteil vom 15.12.2008 - 24 A 244.08 - asyl.net: M14822
https://www.asyl.net/rsdb/M14822
Leitsatz:

Auch ein Grenzübertritt infolge einer Auslieferung nach Deutschland kann eine unerlaubte Einreise gem. § 58 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG sein.

Schlagwörter: D (A), Abschiebungsandrohung, Ausreisepflicht, Vollziehbarkeit, Auslieferung, unerlaubte Einreise, freiwillige Ausreise
Normen: AufenthG § 58 Abs. 1; AufenthG § 58 Abs. 2 Nr. 1; AufenthG § 59 Abs. 1; AufenthG § 50 Abs. 1; AufenthG § 14 Abs. 1; IRG § 83h
Auszüge:

Auch ein Grenzübertritt infolge einer Auslieferung nach Deutschland kann eine unerlaubte Einreise gem. § 58 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG sein.

(Leitsatz der Redaktion)

[...]

Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage der Abschiebungsandrohung ist §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1 AufenthG. [...]

Der Kläger ist gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig, weil er keinen Aufenthaltstitel besitzt und ihm ein solcher wegen § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auch nicht erteilt werden kann. Diese Ausreisepflicht ist auch vollziehbar. Nach § 58 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG ist die Ausreisepflicht vollziehbar, wenn der Ausländer unerlaubt eingereist ist. Das ist hier der Fall. Der Kläger ist in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Gemäß § 13 Abs. 2 Satz 3 AufenthG ist ein Ausländer - vorbehaltlich eng umgrenzter, hier nicht einschlägiger Ausnahmefälle "eingereist", wenn er die Grenze überschritten hat. Das trifft auf den Kläger zu. Er kann dem nicht entgegenhalten, dass der Grenzübertritt infolge der Auslieferung gegen seinen Willen erfolgte. Es spielt für die Frage, ob ein Ausländer eingereist ist, keine Rolle, ob der Grenzübertritt freiwillig oder unfreiwillig erfolgte. Das Aufenthaltsgesetz kennt zwei Wege, die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet führen: Das eine ist die Geburt, das andere die Einreise. Jeder Ausländer, der sich hier aufhält, ist entweder hier geboren oder eingereist. Einen insofern ungeregelten Zustand kennt das Aufenthaltsgesetz dagegen nicht.

Die Einreise des Klägers war auch unerlaubt gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 AufenthG, weil er den nach § 4 erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt, er nach § 11 Abs. 1 AufenthG nicht einreisen durfte und ihm auch keine Betretenserlaubnis nach § 11 Abs. 2 AufenthG erteilt worden war. Auch insoweit ist es unerheblich, dass der Kläger gegen seinen Willen in das Bundesgebiet verbracht wurde. Das Aufenthaltsgesetz stellt auf rein formale Kriterien für die Frage ab, ob eine Einreise unerlaubt ist. Eine andere Auslegung würde hier zu dem Ergebnis führen, dass der Kläger aus der Haft entlassen würde und ihm gegenüber keine Abschiebungsandrohung ergehen könnte, weil er nicht vollziehbar ausreisepflichtig wäre. Die Argumentation des Klägers hinsichtlich der zwangsweisen Einreise würde nämlich auch in diesem Fall greifen. Dagegen lässt sich auch nicht einwenden, dass dem Kläger die Chance einer freiwilligen Ausreise genommen werde. Der Kläger hat gemäß Ziffer 3 des Tenors des angegriffenen Bescheides die Chance, freiwillig auszureisen, sofern er nicht unmittelbar aus der Haft abgeschoben wird. Die Frage, ob er unmittelbar aus der Haft abgeschoben werden wird, richtet sich nach den Vorgaben des § 456a StPO. [...]

Für dieses Ergebnis spricht auch die Regelung in § 58 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG, die die Auffassung des Gesetzgebers deutlich macht, dass die Überwachung der Ausreise immer erforderlich ist, wenn sich der betreffende Ausländer in Haft befindet.

Nicht überzeugend erscheint es dagegen, für die Frage der Unerlaubtheit der Einreise danach zu differenzieren, ob die. Einreise "im eigentlichen Sinne rechtswidrig" war (so aber das Landgericht Görlitz, Beschluss vom 21. Februar 2006, 2 T 17/06 zum Begriff der unerlaubten Einreise im Sinne des § 62 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG in einem Fall, wo der Ausländer durch seine Einreise einer Aufforderung zum Strafantritt Folge leistete). Für eine solche Differenzierung bieten weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzessystematik noch Sinn und Zweck der einschlägigen Vorschriften Anhaltspunkte. Vielmehr dürften die Vorschriften über die Sicherung der Abschiebung schon deshalb nicht einschlägig sein, weil ein Ausländer, der sich in (Untersuchungs- oder Straf-) Haft befindet, nicht abgeschoben werden soll, so dass es keiner Maßnahme zur Sicherung einer Abschiebung bedarf. Auch das ändert aber nichts daran, dass die Ausländerbehörde eine Abschiebungsandrohung - gewissermaßen "auf Vorrat" - erlassen darf.

Etwas anders gilt auch nicht im Hinblick auf die Regelungen des Gesetzes über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen - IRG -, insbesondere des § 83 h IRG. Sollte die Behauptung zutreffen, dass sich aus dieser Vorschrift Abschiebungshindernisse für den Kläger herleiten lassen, wäre das im Hinblick auf § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG unerheblich. Nach dieser Vorschrift steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten dem Erlass der Abschiebungsandrohung nicht entgegen. Unbeschadet dessen lassen die Regelungen des IRG den ausländerrechtlichen Status Betroffener grundsätzlich unberührt. [...]