VG Berlin

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VG Berlin, Urteil vom 18.12.2008 - 2 V 63.07 - asyl.net: M14834
https://www.asyl.net/rsdb/M14834
Leitsatz:

Einem Fall der alleinigen Personensorge gem. § 32 Abs. 3 AufenthG steht es nicht gleich, wenn die Personensorge nur teilweise übertragen wurde und eine Ausübung der Personensorge durch nur einen Elternteil dem Recht des Heimatlandes (hier: Serbien) grundsätzlich fremd ist (entgegen OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 9.10.200 - 12 B 8.08 -, vom 21.5.2008 - 12 B 23.07 - und vom 25.4.2007 - 12 B 2.05; VG Berlin, Urteile vom 22.8.2007 - 35 V 28.06 - und 14.1.2008 - 12 V 49.06).

 

Schlagwörter: D (A), Visum, Familienzusammenführung, Kindernachzug, Zuwanderungsgesetz, Übergangsregelung, Personensorge, alleinige Personensorge, Serbien, Serben, Familienzusammenführungsrichtlinie, besondere Härte
Normen: AufenthG § 104 Abs. 3; AufenthG § 32 Abs. 3; RL 2003/86/EG Art. 4 Abs. 1 Bst. c; VO EG/2201/2003 Art. 2 Nr. 9; EGBGB Art. 21; AuslG § 20 Abs. 4 Nr. 2
Auszüge:

Einem Fall der alleinigen Personensorge gem. § 32 Abs. 3 AufenthG steht es nicht gleich, wenn die Personensorge nur teilweise übertragen wurde und eine Ausübung der Personensorge durch nur einen Elternteil dem Recht des Heimatlandes (hier: Serbien) grundsätzlich fremd ist (entgegen OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 9.10.200 - 12 B 8.08 -, vom 21.5.2008 - 12 B 23.07 - und vom 25.4.2007 - 12 B 2.05; VG Berlin, Urteile vom 22.8.2007 - 35 V 28.06 - und 14.1.2008 - 12 V 49.06).

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erteilung eines Visums zum Zwecke des Kindernachzuges (§ 113 Abs. 5 VwGO). [...]

Nach § 104 Abs. 3 AufenthG gilt bei Ausländern, die sich, wie der Vater des Klägers, vor dem 1. Januar 2005 rechtmäßig in Deutschland aufhalten, für den Nachzug von davor geborenen Kindern, wie dem Kläger, § 20 des Ausländergesetzes (AuslG) in der zuletzt gültigen Fassung, es sei denn, das Aufenthaltsgesetz gewährt eine günstigere Rechtsstellung.

Das Aufenthaltsgesetz gewährt hier keine günstigere Rechtsstellung. Denn der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erteilung des begehrten Visums nach § 32 Abs. 3 AufenthG (1.) Die Vorschrift ist nicht analog anwendbar (2.) Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 20 AuslG (3.).

1. Nach § 32 Abs. 3 AufenthG ist einem minderjährigen ledigen Kind, welches das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn beide Eltern oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzen. Der Vater des Klägers besitzt zwar eine gemäß § 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als Niederlassungserlaubnis fortgeltende Aufenthaltserlaubnis, er ist aber nicht allein personensorgeberechtigt im Sinne des § 32 Abs. 3 AufenthG.

a) Mit dem Begriff der "Personensorge" knüpft § 32 Abs. 3 AufenthG an die einschlägigen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) an. Nach § 1626 Abs. 1 Satz 1 BGB haben die Eltern die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Nach Satz 2 der Vorschrift umfasst die elterliche Sorge die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge). Gemäß § 1631 BGB umfasst die tatsächliche Sorge für die Person insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen sowie seinen Aufenthalt zu bestimmen. Hierzu gehören z.B. die Schulwahl, die ärztliche Versorgung und die Einwilligung in Operationen, die Berufswahl und die Freizeitgestaltung (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. April 2007 - OVG 12 B 2.05 - juris, Rn. 18, m.w.N.).

"Alleiniges" Personensorgerecht eines Elternteils setzt nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift voraus, dass die Personensorge für das nachziehende Kind nicht mit dem anderen Elternteil geteilt wird (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 9. Oktober 2008 - OVG 12 B 8.08 -, 21. Mai 2008 - OVG 12 B 66.07 - und 25. April 2007, a. a. O., Rn. 16). Dies ist der Fall, wenn die Rechte und Pflichten, die mit der Sorge für die Person eines Kindes - also nicht für dessen Vermögen - verbunden sind, ausnahmslos nur durch einen Elternteil wahrgenommen werden können, es zur Ausübung der Personensorge also weder in einer bestimmten Angelegenheit noch in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der Zustimmung des anderen Elternteils bedarf.

Dieses Verständnis vom Begriff des alleinigen Personensorgerechts in § 32 Abs. 3 AufenthG widerspricht nicht europäischem Gemeinschaftsrecht. Nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. c Satz 1 der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl. L 251 vom 3. Oktober 2003) - so genannte Familienzusammenführungs-Richtlinie - haben die Mitgliedsstaaten lediglich den Auftrag, den minderjährigen Kindern, einschließlich der adoptierten Kinder des Zusammenführenden, die Einreise und den Aufenthalt zu gestatten, wenn der Zusammenführende das Sorgerecht besitzt und für den Unterhalt der Kinder aufkommt. Dabei erfasst die Regelung nur die Fälle, in denen ein alleiniges Sorgerecht des Zusammenführenden besteht. Dies ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang mit Art. 4 Abs. 1 Buchst. c Satz 2 der Richtlinie (VG Berlin, Urteil vom 19. November 2008 - VG 38 V 81.08 -). Denn diese Vorschrift räumt den Mitgliedstaaten ein Ermessen ein, die Familienzusammenführung auch in solchen Fällen zu gestatten, in denen ein "geteiltes Sorgerecht" besteht, sofern der andere Elternteil seine Zustimmung erteilt.

Weitere Vorgaben macht das europäische Gemeinschaftsrecht hinsichtlich des Inhalts des Begriffs der alleinigen Personensorge nicht. Dies gilt auch hinsichtlich der in Art. 2 Nr. 9 der EG-Verordnung 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung 1347/2000 (ABl. L 338 vom 23. Dezember 2003) - im Folgenden: EG-Verordnung 2201/2003 - enthaltenen Bestimmung des Begriffs des "Sorgerechts"; dabei bedarf hier keiner Entscheidung, ob und inwieweit die "für die Zwecke dieser Verordnung" erfolgte Begriffsbestimmung verallgemeinerungsfähig ist und zum Verständnis von Art. 4 Abs. 1 Buchst. c Satz 1 der Familienzusammenführungs-Richtlinie beitragen kann. Denn Art. 2 Nr. 9 der EG-Verordnung 2201/2003 begrenzt den Begriff des Sorgerechts nur insoweit, als er hiervon die Sorge für das Vermögen des Kindes ausnimmt. Danach bezeichnet der Ausdruck "Sorgerecht" die "Rechte und Pflichten, die mit der Sorge für die Person eines Kindes verbunden sind, insbesondere das Recht auf die Bestimmung des Aufenthaltsortes des Kindes". Dass das "Sorgerecht" sämtliche Fragen der Personensorge betrifft und bei der Beurteilung des Sorgerechts nicht etwa nur das Aufenthaltsbestimmungsrecht maßgeblich ist, ergibt sich aus dem Wortlaut "insbesondere" (a.A. Dienelt, in: Anmerkung vom 8. November 2008 zum Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. August 2008 - BVerwG 1 C 31.07 - juris, www.migrationsrecht.net). Nichts anderes ergibt sich aus Art. 2 Nr. 11 Buchst. b Satz 2 der EG-Verordnung 2201/2003, wonach "von einer gemeinsamen Ausübung des Sorgerechts auszugehen ist, wenn einer der Träger der elterlichen Verantwortung aufgrund einer Entscheidung oder kraft Gesetzes nicht ohne die Zustimmung des anderen Trägers der elterlichen Verantwortung über den Aufenthaltsort des Kindes bestimmen kann". Denn auch diese Regelung gibt nur ein "Regelbeispiel", bei dem auf jeden Fall von einer gemeinsamen Ausübung des Sorgerechts auszugehen ist.

Im Übrigen sind auch keine Gründe dafür ersichtlich, den Kreis der vom Begriff der alleinigen (Personen-)Sorge umfassten Rechte und Pflichte auf bestimmte Rechte und Pflichten zu beschränken. Vielmehr spricht hiergegen, dass nicht nur das Aufenthaltsbestimmungsrecht die Person des Kindes in besonderer Weise betrifft, sondern auch Entscheidungen in anderen Fragen genauso oder gar gravierender die Person des Kindes betreffen können, wie etwa eine Entscheidung über die Auswahl der Schule und Berufsbildung oder die Heilbehandlung des Kindes.

Ob der im Bundesgebiet lebende Elternteil des nachzugswilligen Kindes allein personensorgeberechtigt im Sinne von § 32 Abs. 3 AufenthG ist, beurteilt sich gemäß Art. 21 EGBGB nach dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, weil das Rechtsverhältnis zwischen einem Kind und seinen Eltern diesem Recht unterliegt.

b) Nach diesen Maßstäben ist der Vater des Klägers nicht allein personensorgeberechtigt im Sinne von § 32 Abs. 3 AufenthG, weil die Mutter des in Serbien lebenden Klägers nach wie vor über alle wesentlichen Sorgefragen, insbesondere das Aufenthaltsbestimmungsrecht mitentscheiden darf bzw. mitzuentscheiden hat.

Zwar hat das Amtsgericht in .../Serbien mit Urteil vom 9. Mai 2008 dem Vater des Klägers das Unterhalts-, Sorge- und Erziehungsrecht für den Kläger zur selbständigen Ausübung des Elternrechts entsprechend der mit der Mutter des Klägers geschlossenen Vereinbarung übertragen. Dieses Urteil ist auch nach Art. 7 des Europäischen Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses vom 20. Mai 1980 (Europäisches Sorgerechtsübereinkommen, BGBl. 1990 II, S. 220) anerkennungsfähig, da die Bundesrepublik Deutschland am 5. April 1990 das entsprechende Zustimmungsgesetz erlassen hat (BGBl. 1990 II, S. 206) und das Übereinkommen seit dem 1. Mai 2002 auch in der Bundesrepublik Jugoslawien (BGBl. 2002 II, S. 2844) und nunmehr auch in der Nachfolgerepublik Serbien gilt. Die Wirkungen der Sorgerechtsübertragung sind ferner mit den Grundwerten des deutschen Familien- und Kindschaftsrechts nicht offensichtlich unvereinbar (vgl. Art. 10 Abs. 1 Buchst. a des Europäischen Sorgerechtsübereinkommen); eine darüber hinausgehende inhaltliche Nachprüfung findet nicht statt (Art. 9 Abs. 3 des Europäischen Sorgerechtsübereinkommen). Eine Übertragung des alleinigen Sorgerechts im Sinne von § 32 Abs. 3 AufenthG ist durch das Urteil des Amtsgerichts ... jedoch nicht erfolgt.

Nach Art. 68 Abs. 1 und 2 des serbischen Familiengesetzes vom 24. Februar 2005 - FamG - (in deutscher Übersetzung abgedruckt bei: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil Serbien, S. 51 ff.) haben die Eltern das Recht und die Pflicht, für das Kind zu sorgen (Abs. 1). Die Sorge für das Kind umfasst: die Obhut, das Aufziehen, die Erziehung, die Ausbildung, die Vertretung, den Unterhalt und die Verwaltung und Verfügung über das Vermögen des Kindes. Gemäß Art. 77 Abs. 5 FamG übt ein Elternteil das Elternrecht aufgrund der Entscheidung des Gerichts selbständig aus, wenn die Eltern - wie hier - keine Lebensgemeinschaft führen und sie eine Vereinbarung über die selbständige Ausübung des Elternrechts schließen und das Gericht feststellt, dass diese Vereinbarung im besten Interesse des Kindes ist. Die "selbständige Ausübung" des Elternrechts durch einen Elternteil bedeutet allerdings, dass der andere Elternteil weiterhin das Recht und die Pflicht hat, gemeinsam und einvernehmlich mit dem Elternteil, der das Elternrecht ausübt, über die Fragen, die das Leben des Kindes wesentlich betreffen, zu entscheiden (Art. 78 Abs. 3 FamG). Dabei zählt das serbische Familiengesetz ausdrücklich als Regelbeispiele hierfür u.a. auf: Ausbildung des Kindes, Vornahme größerer medizinischer Eingriffe und Änderung des Wohnortes (Art. 78 Abs. 4 FamG). Eine (vollständige) Entziehung des Elternrechts ist zwar möglich, setzt aber voraus, dass ein Elternteil die Ausübung des Elternrechts missbraucht oder grob vernachlässigt, und muss von einem Gericht verfügt werden (Art. 81 und 273 FamG). Eine solche gerichtliche Entscheidung liegt hier nicht vor. Dass der Elternteil, dem Obhut, Fürsorge und Erziehung übertragen worden ist, (jedenfalls) nach der serbischen Rechtspraxis ungeachtet der Gesetzeslage allein über sämtliche Sorgerechtsfragen entscheiden darf, ist weder ersichtlich noch vorgetragen.

2. Die Kammer teilt nicht die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (Urteile vom 9. Oktober 2008 - OVG 12 B 8.08 -, 21. Mai 2008 - OVG 12 B 23.07 und 25. April 2007, a.a.O., Rn. 24 ff.; ebenso VG Berlin, Urteile vom 22. August 2007 - VG 35 V 28.06 - und 14. Januar 2008 - VG 12 V 49.06 -), § 32 Abs. 3 AufenthG sei in solchen Fällen analog anzuwenden, in denen - wie hier - dem ausländischen Recht die Ausübung der (alleinigen) Personensorge durch nur einen Elternteil grundsätzlich fremd ist.

Die analoge Anwendung einer Vorschrift setzt u. a. eine unbewusste bzw. planwidrige Regelungslücke voraus (vgl. zur Analogie allgemein: Larenz, Methodik der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 370 ff. <373 f.>). Hieran fehlt es.

Die Gesetzesbegründung zu § 32 Abs. 3 AufenthG belegt, dass es dem "Plan" des Gesetzgebers gerade entspricht, den Kindernachzug gemäß § 32 Abs. 3 AufenthG auch für die Staatsangehörigen solcher Länder auszuschließen, die eine vollständige Übertragung des elterlichen Sorgerechts auf einen Elternteil nicht kennen. [...]

Die Gesetzesbegründung belegt, dass der Gesetzgeber in generalisierender, pauschalierender und typisierender Weise die Gefahren, die dem Kindeswohl infolge eines Nachzuges nach Deutschland und damit letztlich auch den Interessen der Bundesrepublik Deutschland drohen, für hinreichend gewichtig erachtet hat, um einen grundsätzlichen Ausschluss des Nachzuges nur zu einem Elternteil zu rechtfertigen. Etwas anderes soll nur ausnahmsweise dann gelten, wenn sich die allein personensorgeberechtigte Person in Deutschland aufhält; denn in diesem Fall ist der Gesetzgeber - generalisierend - davon ausgegangen, dass derjenige, der das alleinige Personensorgerecht hat, das Kind allein betreut bzw. die wichtigste, wenn nicht alleinige Bezugsperson ist, und ein Nachzug daher dem Kindeswohl am Besten entspricht (vgl. VG Berlin, Urteil vom 19. November 2008 - VG 38 V 81.08 -). Diese generalisierenden und typisierenden Überlegungen tragen jedoch dann nicht mehr, wenn das im Herkunftsland des Kindes geltende nationale Recht, selbst wenn es dem einen Elternteil eine gewichtigere Rolle bei der Ausübung des Elternrechts einräumt als dem anderen, den anderen Teil nicht aus der Pflicht zur Mitwirkung an der Sorge für das Kind in zentralen Fragen entlässt. Denn dann kann nicht mehr unterstellt werden, dass der in Deutschland lebende Elternteil die alleinige Bezugsperson für das Kind ist. In diesen Fällen bedarf es nach dem aus der Gesetzesbegründung und -systematik zu Tage tretenden "Plan" des Gesetzgebers einer Einzelfallprüfung nach § 32 Abs. 4 AufenthG, ob die sich aus Art. 6 GG ergebenden Schutzwirkungen einen Nachzug des Kindes trotz des Verbleibens eines sorgeberechtigten Elternteils in der Heimat des Kindes erfordern.

Es spricht auch wenig dafür, dass der Gesetzgeber die hier in Frage stehenden, vom deutschen Recht abweichenden ausländischen familienrechtlichen Regelungen bei Erlass des § 32 Abs. 3 AufenthG nicht im Blick hatte, obwohl es diese Regelungen teilweise bereits seit Jahrzehnten gibt. Vielmehr hat er mit § 32 Abs. 3 AufenthG bewusst die europarechtlichen Vorgaben zum Kindernachzug umgesetzt, von einer in seinem Ermessen stehenden Anspruchsgewährung bei "geteilten Sorgerecht" aber abgesehen. Ebenso wenig kann angenommen werden, der Rat der Europäischen Union habe die inner- und außerhalb der Europäischen Union geltenden unterschiedlichen nationalen familienrechtlichen Regelungen nicht gesehen, als er die in Art. 4 Abs. 1 Buchst. c Satz 1 der Familienzusammenführungs-Richtlinie vorbehaltlose Unterscheidung zwischen alleinigem und - die Zustimmung des anderen Elternteils erfordernden - geteiltem Sorgerecht vornahm.

3. Ein Anspruch des Klägers auf Erteilung des begehrten Visums ergibt sich auch nicht aus § 20 AuslG. [...]

c) Ebenso wenig hat der Kläger Anspruch auf das begehrte Visum nach § 20 Abs. 4 Nr. 2 AuslG. Eine besondere Härte liegt nur vor, wenn sich die Lebensumstände wesentlich geändert haben, die das Verbleiben des Kindes im Heimatland bisher ermöglichten, und weil dem Elternteil eine Rückkehr in das Heimatland gegenwärtig nicht zumutbar ist. Grundvoraussetzung für die Annahme einer besonderen Härte ist demzufolge der Eintritt eines Umstands, den die Eltern bei ihrer früheren Entscheidung, das Kind nicht nach Deutschland nachzuholen, nicht in Rechnung stellen konnten. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch, ob nur der im Bundesgebiet wohnende Elternteil zur Betreuung des Kindes in der Lage ist (vgl. zu Vorstehendem BVerwG, Urteil vom 18. November 1997 - BVerwG 1 C 22.96 - InfAuslR 1998, 161 <163 f.> und Beschluss vom 24. Oktober 1996 – BVerwG 1 B 180.96 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Februar 2007 - OVG 2 S 7.07 -).

Danach ist eine besondere Härte nicht gegeben. Es ist schon nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass der Kläger nicht mehr von seinen Großeltern oder seiner Mutter ausreichend betreut werden kann. [...]