OVG Hamburg

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Zitieren als:
OVG Hamburg, Urteil vom 18.12.2008 - 4 Bf 69/08 - asyl.net: M14842
https://www.asyl.net/rsdb/M14842
Leitsatz:

Wird abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt, so lässt dies die Sperrwirkung der Ausweisung für andere Aufenthaltserlaubnisse als solche nach dem 5. Abschnitt im 2. Kapitel des Aufenthaltsgesetzes nicht entfallen. (Amtlicher Leitsatz)

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Anmerkung der Redaktion: Die Revision gegen diese Entscheidung wurde vom BVerwG mit Urteil vom 13.4.2010 - 1 C 5.09 [M17165] - zurückgewiesen.

Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, Familienzusammenführung, deutsche Kinder, Ausübung der Personensorge, Wirkungen der Ausweisung, Sperrwirkung, Ausreisehindernis, Verbrauch, Altfallregelung, Aufenthaltszweck, Spezialprävention, Generalprävention, Ermessen, Daueraufenthaltsrichtlinie, langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige, Klageänderung, Berufung, Sachdienlichkeit, Vorverfahren, Antrag, Ausländerbehörde, Untätigkeitsklage, Auslegung
Normen: AufenthG § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3; AufenthG § 11 Abs. 1 S. 2; AufenthG § 25 Abs. 5; AufenthG § 104a Abs. 1; AufenthG § 9a; RL 2003/109/EG Art. 4 Abs. 1; VwGO § 91 Abs. 1; VwGO § 68; VwGO § 75 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

Die Klage ist mit dem Hauptantrag unbegründet (1.). Der Hilfsantrag ist bereits unzulässig (2.).

1. Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zu Recht abgewiesen.

Der Klägerin kann die begehrte Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zur Ausübung der Personensorge für ihre beiden deutschen Kinder wegen der Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nicht erteilt werden. Danach wird einem Ausländer, der ausgewiesen worden ist, auch bei Vorliegen eines Anspruchs nach diesem Gesetz keine Aufenthaltserlaubnis erteilt. [...]

Auch kann in der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG eine stillschweigende Aufhebung der Ausweisungsverfügung nicht gesehen werden. Hierzu hatte die Beklagte auch keinerlei Veranlassung, denn die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ermöglicht gerade die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis trotz Vorliegen einer Ausweisung.

Die Sperrwirkung der Ausweisung steht der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG weiterhin entgegen. Die Wirkungen der Ausweisung sind bislang nicht nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG befristet worden, und zwar weder ausdrücklich noch stillschweigend. Die Sperrwirkung der Ausweisung wurde auch nicht in sonstiger Weise in Bezug auf die beantragte Aufenthaltserlaubnis aufgehoben.

Allerdings wird die Sperrwirkung einer Ausweisung nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG durch die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG für Aufenthaltstitel nach Abschnitt 5 von Kapitel 2 des Aufenthaltsgesetzes einschließlich der diesem Abschnitt zuzurechnenden Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 AufenthG aufgehoben (BVerwG, Urt. v. 4.9.2007, 1 C 43/06, BVerwGE 129, 266, juris-Rn. 34 und 42). Das bedeutet jedoch nicht, dass damit die Sperrwirkung zugleich auch für andere Aufenthaltstitel, die für andere Aufenthaltszwecke erteilt werden, beendet wird (insoweit vom Bundesverwaltungsgericht offen gelassen). Dies wird zwar im Schrifttum weitgehend vertreten (vgl. Fraenkel, Einführende Hinweise zum neuen Ausländergesetz, 1991, Seite 124; Vormeier in: GK-AuslR, April 2001, § 8 AuslG Rn. 68; Renner, Ausländerrecht, 8. Auflage, § 11 AufenthG Rn. 3; Hailbronner, Ausländerrecht, März 1999, § 30 AuslG Rn. 43; Fränkel in: HK-AuslR, § 25 AufenthG Rn. 6 und 55; Oberhäuser in: HK-AuslR, § 11 AufenthG Rn. 15 sowie ANA-ZAR 2007, 9; a.A. Welte, Aktuelles Ausländerrecht, Stand August 2007, Kommentar zu § 25 AufenthG, Rn. 26c; Maaßen, in Kluth/Hund/Maaßen, Zuwanderungsrecht, § 4 Aufenthalt Rn. 673; Wenger, in Storr u.a., Kommentar zum Zuwanderungsrecht, 2. Auflage 2008, § 11 Rn. 3; VGH Mannheim, Beschl. v. 31.5.2001, 11 S 700/01, juris Rn. 4; VG Oldenburg, Beschl. v. 16.4.2007, 11 B 716/07, juris Rn. 7). Dieser im Schrifttum vertretenen Auffassung, die Sperrwirkung entfalle in einem solchen Fall vollständig, ist jedoch nicht zu folgen.

a) Eine Beendigung der Sperrwirkung der Ausweisung allein durch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG mit Wirkung für alle sonstigen Aufenthaltstitel würde dem erkennbaren Konzept des Gesetzes sowie Sinn und Zweck der Bestimmung des § 11 Abs. 1 AufenthG widersprechen. § 11 AufenthG findet sich im Abschnitt 1. des 2. Kapitels als allgemeine Regelung, die für alle Aufenthaltstitel gilt. Dabei bestimmt § 11 Abs. 1 AufenthG nicht nur, dass ein ausgewiesener Ausländer nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf sowie dass ihm auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt werden darf (sog. Sperrwirkung der Ausweisung). Daneben bestimmt § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG auch, dass die genannten Wirkungen auf Antrag in der Regel befristet werden. Der Gesetzgeber hat in weiteren Einzelfällen ausdrückliche Ausnahmen von der Sperrwirkung der Ausweisung geregelt: So kann nach § 11 Abs. 2 AufenthG dem ausgewiesenen Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten. Nach 37 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG wird es in das Ermessen der Ausländerbehörde gestellt, ob sie dem Recht auf Wiederkehr eines Ausländers dessen Ausweisung entgegen halten will. Schließlich eröffnet § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG der Ausländerbehörde Ermessen, ob sie trotz der Sperrwirkung nach § 11 Abs. 1 AufenthG einen Aufenthalt aus humanitären Gründen erlauben will.

Weitere Ausnahmen von der Sperrwirkung, insbesondere durch eine Aufhebungsentscheidung der Ausländerbehörde, sieht das Aufenthaltsgesetz nicht ausdrücklich vor. Es bedarf hiernach bereits einer besonderen Begründung dafür, dass die Sperrwirkung der Ausweisung überhaupt ohne vorherige Befristungsentscheidung für eine andere Aufenthaltserlaubnis als die nach § 25 Abs. 5 AufenthG entfallen kann. Dies erscheint gerechtfertigt, soweit diese andere Aufenthaltserlaubnis demselben Aufenthaltszweck dient wie die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Denn der Frage, ob der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis die Ausweisung entgegen stehen soll, wurde bereits bei erster Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bezogen auf denselben Aufenthaltszweck ausreichend Rechnung getragen. So wäre schwerlich zu rechtfertigen, bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG - die nach Satz 3 als Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 gilt - erneut die Frage aufzuwerfen, ob die Sperrwirkung der Ausweisung der Aufenthaltserlaubnis entgegen steht, wenn diese Frage bereits für denselben humanitären Aufenthaltszweck verneint wurde. Widersinnig wäre es zudem, wenn zwar die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG trotz einer vorherigen Ausweisung erteilt wird, andererseits die Möglichkeit, gemäß § 26 Abs. 4 AufenthG eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, versperrt bliebe, obwohl diese Möglichkeit gerade auch durch den Aufenthalt aufgrund der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG eröffnet wird. Diese Erwägungen gelten jedoch nicht für die anderen Aufenthaltszwecke, die nach dem Konzept des Aufenthaltsgesetzes nicht in der Weise privilegiert sind, dass der entsprechende Aufenthaltstitel auch ungeachtet der Sperrwirkung einer Ausweisung erteilt werden darf.

Die Auffassung, die Sperrwirkung der Ausweisung entfalle durch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG vollständig, widerspricht auch Sinn und Zweck des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Die Regelungen des § 11 Abs. 1 AufenthG dienen sowohl spezial- als auch generalpräventiven Zwecken. [...]

Mit Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG wird zwar das hinter der Sperrwirkung stehende spezialpräventive Motiv regelmäßig hinfällig geworden sein. Durch die Legalisierung des Aufenthalts des Ausländers hat die Ausländerbehörde hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass an einem Fernhalten dieses Ausländers kein durchgreifendes spezialpräventiv begründetes Interesse mehr besteht. Etwas anderes gilt jedoch für den generalpräventiven Zweck der Sperrwirkung. Dieser entfällt dadurch, dass eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Zwecken erteilt wird, regelmäßig nicht. [...]

Dieses Regelungskonzept des Gesetzes würde unterlaufen, wenn mit Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG die Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG vollständig entfiele. Auch beim Wegfall des humanitären Aufenthaltszwecks könnte sogleich eine Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Zweck erteilt werden. Da die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zunächst nur für sechs Monate erteilt wird (§ 26 Abs. 1 Satz 1 AufenthG), wäre das sogar schon nach dieser kurzen Zeit möglich. Das widerspräche sowohl der Wertung des § 26 Abs. 2 AufenthG als auch dem Zweck der Sperrwirkung nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG. In den Genuss einer Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Zweck käme der Ausländer nur deshalb, weil ihm trotz vorheriger Ausweisung gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis für einen humanitären Zweck erteilt worden ist. Der Weg zum Wechsel des Aufenthaltszwecks wäre eröffnet, dem sonst - § 39 AufenthVO regelt insoweit nichts Abweichendes, da er zu der Frage der Sperrwirkung einer Ausweisung keine Aussage trifft - die Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG entgegenstünde. Damit würde der humanitäre Aufenthaltszweck faktisch die Voraussetzung dafür schaffen, eine - sonst gesperrte - Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Zweck zu erteilen. Dieser humanitäre Aufenthaltszweck wäre es zudem, der damit zu einer Verfestigung des Aufenthalts auch zu anderen Zwecken führen könnte. [...]

b) Der Gesetzeszweck, der mit der Sperrwirkung verfolgt wird, wird auch nicht dadurch gewahrt, dass bereits im Rahmen der nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu treffenden Ermessensentscheidung bewertet werden kann, ob die Sperrwirkung vollständig entfallen kann (so aber insbesondere: Oberhäuser, ANA-ZAR 2007, 9). Hierzu müsste die Ausländerbehörde bereits zu diesem Zeitpunkt prüfen, ob - ggf. schon nach kurzer Zeit, da die Aufenthaltserlaubnis nach § 26 Abs. 1 Satz 1 AufenthG für längstens sechs Monate erteilt werden darf - eine Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Aufenthaltszweck erteilt werden könnte, oder ob dem die Sperrwirkung der Ausweisung entgegen stehen soll. Eine derartige Ermessensentscheidung würde jedoch vom Zweck der Ermessenseröffnung in § 25 Abs. 5 AufenthG nicht gedeckt.

Bei der Ermessensentscheidung nach § 25 Abs. 5 AufenthG hat die Ausländerbehörde abzuwägen, ob zum Entscheidungszeitpunkt trotz der Ausweisung und der hierdurch begründeten Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in Frage kommt oder ob der Ausländer im Hinblick auf einen humanitären Aufenthaltszweck nur eine Duldung nach § 60a AufenthG erhalten soll. Dabei beschränkt sich die Entscheidung gerade auf einen humanitären Aufenthaltszweck, der allein die Sperrwirkung der Ausweisung nach § 25 Abs. 5 AufenthG überwinden kann. Die Ausländerbehörde hat einerseits die Bedeutung und das Gewicht des jeweiligen tatsächlichen oder rechtlichen Ausreisehindernisses in den Blick zu nehmen und das gesetzgeberische Ziel zu berücksichtigen, Kettenduldungen zu vermeiden, wenn unverschuldete Ausreisehindernisse für längere Zeit bestehen. Diesen Interessen hat sie andererseits das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung einer Sperrwirkung nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG entgegenzustellen. [...]

c) Diese Auslegung der Regelungen über die Sperrwirkung einer Ausweisung und der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG führt auch sonst nicht zu sachwidrigen Ergebnissen.

Dass die Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Aufenthaltszweck erst nach erfolgter Befristung der Sperrwirkung der Ausweisung erfolgen kann, ist nicht sachwidrig. Denn grundsätzlich genügt es zum Schutz der Interessen des Ausländers, wenn die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt wird. Der Gesetzgeber hat mit § 25 Abs. 5 AufenthG eine Regelung geschaffen, die gerade die hier vorliegende Fallgestaltung eines rechtlichen Ausreisehindernisses erfasst und zur Vermeidung grundrechtsbeeinträchtigender und unverhältnismäßiger Anforderungen an die Ausreise eine Ausnahme von § 11 Abs. 1 AufenthG zulässt. § 25 Abs. 5 AufenthG ermöglicht es einem ausgewiesenen Ausländer, der aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht ausreisen kann, ohne vorherige Ausreise und ohne Befristung der Wirkungen der Ausweisung einen rechtmäßigen Aufenthalt zu erlangen. Weiter reicht auch der Schutz beispielsweise von Art. 6 Abs. 1 GG nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 4.6.1997, 1 C 9/95, BVerwGE 105, 35, juris- Rn. 35f zu der mit Art. 6 GG zu vereinbarenden Beschränkung auf die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 AuslG im Fall des § 28 Abs. 3 Satz 2 AuslG, wonach der Wechsel von der Aufenthaltsbewilligung zur Aufenthaltserlaubnis erst nach Ausreise und Ablauf eines Jahres möglich war). [...]

d) Dieser Auslegung der Regelungen über die Sperrwirkung einer Ausweisung und der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG steht die Regelung des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. 2004 L 16/44, Daueraufenthalts-RL) nicht entgegen (so aber insbesondere: Oberhäuser, ANA-ZAR 2007, 9). Danach bzw. nach dem diese Richtlinie umsetzenden § 9a AufenthG wird ein Anspruch auf Erteilung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten nach fünfjährigem rechtmäßigem Aufenthalt ungeachtet der Art des Aufenthaltstitels begründet. Insofern mag fraglich sein, inwieweit damit die Bestimmung des § 26 Abs. 4 AufenthG, insbesondere die darin geregelte Aufenthaltsdauer von sieben Jahren vereinbar ist. Diese Richtlinie regelt jedenfalls nicht, unter welchen Voraussetzungen vor Erreichen eines fünfjährigen Aufenthalts eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen ist. Insbesondere ergibt sich aus der genannten Regelung nicht, dass schon bei der erstmaligen Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis einer später ggf. möglichen Verfestigung des Aufenthalts Rechnung zu tragen sei, etwa dadurch, dass eine Ausweisung auch einem anderen Aufenthaltszweck nicht entgegengehalten werden dürfe.

2. Der erstmals im Berufungsverfahren gestellte Hilfsantrag ist unzulässig.

Der Hilfsantrag ist in erster Linie darauf gerichtet, die Beklagte zu verpflichten, die Wirkungen der Ausweisung vom 10. September 2003 auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung und ohne vorherige Ausreise aus dem Bundesgebiet zu befristen. Damit erstrebt die Klägerin der Sache nach den Erlass eines weiteren Verwaltungsaktes in Bezug auf einen anderen Streitgegenstand. Die darin liegende Klageänderung ist auch in der Berufungsinstanz möglich. Das Berufungsgericht prüft den Streitfall innerhalb des Berufungsantrags im gleichen Umfang wie das Verwaltungsgericht und berücksichtigt auch neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel (§ 128 VwGO). Dies deckt auch die erstmalige Stellung von Hilfsanträgen sowie eine Klageänderung (Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage 2007, § 91 Rn. 21). Der Klageänderung steht nicht entgegen, dass die Beklagte nicht eingewilligt hat, den Hilfsantrag vielmehr für unzulässig hält, weil der Antrag zunächst beim Verwaltungsgericht zu stellen sei. Der Hilfsantrag ist insofern sachdienlich im Sinne von § 91 Abs. 1 VwGO, als der Streitstoff trotz Änderung des Streitgegenstandes im Wesentlichen derselbe bleibt und die Klageänderung grundsätzlich die endgültige Beilegung des Streits fördern und dazu beitragen kann, dass ein weiterer sonst zu erwartender Prozess, hier insbesondere die nach dem Vorbringen der Beklagten zu erwartende sofortige erneute Klageerhebung mit demselben Antrag, vermieden wird (vgl. zu diesen Gesichtspunkten BVerwG, Urt. v. 22.7.1999, 2 C 14/98, NVwZ-RR 2000, 172, 173; Urt. v. 3.7.1987, 4 C 12/84, NJW 1988, 1228; Kopp/Schenke, a.a.O., Rn 19).

Die mit dem Hilfsantrag verfolgte Verpflichtungsklage ist indes unzulässig. Das nach § 68 VwGO erforderliche Vorverfahren wurde nicht durchgeführt, da die Beklagte weder einen Bescheid noch einen Widerspruchsbescheid erlassen hat. Die Klage ist auch nicht abweichend davon nach § 75 Abs. 1 Satz 1 VwGO zulässig. Denn diese Bestimmung setzt voraus, dass die Beklagte über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund nicht in angemessener Frist sachlich entschieden hat. Diese Vorschrift setzt bereits nach ihrem Wortlaut in jedem Fall voraus, dass vor Erhebung der Klage ein Antrag auf Vornahme des eingeklagten Verwaltungsakts gestellt wurde. Es handelt sich bei dem Erfordernis einer Antragstellung um eine im Verwaltungsprozess nicht nachholbare Sachurteilsvoraussetzung (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.8.1995, 5 C 11/94, BVerwGE 99, 158; VGH Mannheim, Beschl. v. 28.4.2008, 11 S 683/08, juris; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 75 Rdn. 7). [...]

Die Klägerin hat den zunächst erforderlichen Antrag auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung nicht gestellt. Ein ausdrücklicher Antrag liegt nicht vor. Der Antrag kann auch nicht konkludent in den Anwaltsschreiben vom 12. September 2006, 31. Juli 2007 und 10. August 2007 bzw. in dem von der Klägerin selbst am 22. Juni 2007 gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG gesehen werden.

Allerdings enthält ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel auch den Antrag auf Befristung der Sperrwirkungen der Ausweisung, wenn der begehrte Aufenthaltstitel ohne diese Entscheidung nicht erteilt werden kann. Denn in einem solchen Fall unterliegt es regelmäßig keinem Zweifel, dass der durch Auslegung des Antrags entsprechend §§ 133, 157 BGB zu ermittelnde Wille des Ausländers stets auch auf die für die Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung unerlässliche Befristung gerichtet ist (OVG Hamburg, Beschl. v. 15.8.1991, Bs VII 67/91, juris-Rn. 9; Beschl. v. 5.12.2006, 3 So 161/05; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand August 2005, § 11 Rn. 18; Vormeier in: GK-AuslG, Stand April 2001, § 8 Rn. 113; Renner, Ausländerrecht, § 11 Rn. 5; Oberhäuser in: HK-AuslR, § 11 Rn. 13; Marx, Ausländerrecht, 2. Auflage, Seite 580; Huber/Göbel-Zimmermann, Ausländerrecht, 2. Auflage, Seite 47; a.A. OVG Münster, Urt. v. 2.10.1990, 18 A 170/87, NWVBL 1991, 97; Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Aufenthalts- und Ausländerrecht, Stand Juli 2006, § 11 Rn. 48).

Eine derartige Auslegung des Antrags der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG scheidet hier jedoch aus. Die Schreiben der Klägerin können nur dahingehend verstanden werden, dass die Klägerin keine Entscheidung über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung erhalten wollte, sondern dass die Beklagte ihr die Aufenthaltserlaubnis ohne eine solche Entscheidung erteilen sollte. Die Klägerin wusste nach dem Schreiben der Beklagten vom 8. März 2006, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG nur in Betracht kommt, wenn vorher die Sperrwirkung der Ausweisung befristet wurde. Gleichwohl hat sie sich hierzu nicht geäußert. Auf ihren am 12. September 2006 wiederholten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG wurde ihr am 23. November 2006 dementsprechend lediglich eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt. Auch hiergegen hat sie weder Widerspruch eingelegt noch sonst Einwände erhoben. Vielmehr hat sie am 22. Juni 2007 erneut beantragt, ihr eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zu erteilen. Auch die nachfolgende Korrespondenz zeigt, dass es der Klägerin allein darum ging, die Aufenthaltserlaubnis ohne vorherige Befristung der Wirkungen der Ausweisung zu erhalten, da sie davon ausging, diese Wirkung sei ohnehin bereits entfallen. [...]