Das Erfordernis von einfachen Deutschkenntnissen vor dem Ehegattennachzug gem. § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AufenthG verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG oder Art. 3 Abs. 1 GG.
Das Erfordernis von einfachen Deutschkenntnissen vor dem Ehegattennachzug gem. § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AufenthG verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG oder Art. 3 Abs. 1 GG.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
Die gemäß § 42 Abs. 1 VwGO statthafte Verpflichtungsklage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Bescheide der Deutschen Botschaft in Islamabad vom 25. Januar 2007 und vom 31. Januar 2007, mit denen die Erteilung von Visa zur Familienzusammenführung abgelehnt wurde, sind rechtmäßig. [...]
I. Die Klägerin zu 1. erfüllt indes nicht die Voraussetzung des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, denn sie kann sich unstreitig nicht auf Deutsch – nicht einmal in geringem Umfang – verständigen. [...]
Die Neuregelung des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ist ohne gesetzliche Übergangsregelung am 28. August 2007 in Kraft getreten (vgl. Artikel 10 Abs. 1 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union). Der Runderlass des Auswärtigen Amtes vom 30. August 2007 zum Verfahren bei anhängigen Visumsanträgen zum Ehegattennachzug enthält eine behördliche Übergangsregelung, die für das Gericht unbeachtlich ist und der Klägerin zu 1. keinen Anspruch auf Außerachtlassung ihrer Deutschkenntnisse auf der Grundlage des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG vermittelt.
Das Spracherfordernis für den Nachzug eines ausländischen Ehegatten verstößt weder gegen Art. 6 Abs. 1 GG, wonach die Ehe unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung steht (hierzu 1.), noch gegen Art 3 Abs. 1 GG (allgemeiner Gleichheitssatz; hierzu 2.).
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a.-, BVerfGE 76, 1 ff) ist der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG zwar nicht auf rein inlandsbezogene Ehen und Familien beschränkt, sondern umfasst eheliche und familiäre Lebensgemeinschaften unabhängig davon, wo und nach Maßgabe welcher Rechtsordnung sie begründet wurden. Jedoch gewährt Art. 6 GG keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt. Das Grundgesetz überantwortet es vielmehr weitgehend der gesetzgebenden und der vollziehenden Gewalt festzulegen, in welcher Zahl und unter welchen Voraussetzungen Fremden der Zugang zum Bundesgebiet ermöglicht wird. Es schließt weder eine großzügige Zulassung von Fremden aus, noch gebietet es eine solche Praxis. In dem von ihm gesteckten weiten Rahmen obliegt es der Entscheidung der Legislative und - in den von dieser zulässigerweise gezogenen Grenzen - der Exekutive, ob und bei welchem Anteil Nichtdeutscher an der Gesamtbevölkerung die Zuwanderung von Ausländern ins Bundesgebiet begrenzt wird oder ob und bis zu welchem Umfang eine solche Zuwanderung geduldet oder gefördert wird (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987, a.a.O.).
Danach ergeben sich keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG (vgl. hierzu OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Juli 2008 – OVG 11 S 38.08 -). Der Gesetzgeber wollte durch diese Regelung an die in Art 7 Abs. 2 der Familiennachzugsrichtlinie (Richtlinie 2003/86/EG betreffend das Recht auf Familiennachzug, ABl. L 251 vom 3. Oktober 2003, S. 12 ff.) vorgesehene Möglichkeit anknüpfen, dass die nachziehenden Drittstaatsangehörigen Integrationsmaßnahmen nachkommen müssen (vgl. amtliche Begründung, BT/DrS. 16/5065 S. 173). Die Betroffenen sollen nach dem Willen des Gesetzgebers dazu angeregt werden, sich bereits vor ihrer Einreise einfache Deutschkenntnisse anzueignen und dadurch ihre Integration im Bundesgebiet zu erleichtern. Die Verpflichtung zur Teilnahme am Integrationskurs stelle keinen erfolgreichen Abschluss sicher, während die Nachweispflicht von Deutschkenntnissen vor der Einreise ergebnisorientiert gewährleiste, dass tatsächlich Grundkenntnisse vorlägen. Die Regelung wirke ferner in weitaus stärkerem Maße als die Teilnahmepflicht nach der Einreise präventiv. Die Eheschließungs- und Verfügungsfreiheit seien nicht betroffen. Ehen könnten ebenso im Ausland sowie unter qualifizierten Voraussetzungen im Inland geschlossen werden. Die Forderung an Zuwanderer, dass sie bestimmte Zugangsvoraussetzungen erfüllten, die stets der Ermöglichung einer Teilnahme am Sozialleben im Gastland dienten, sei zumutbar, zumal hierdurch weitaus höherrangige Rechtsgüter wirksam geschützt würden. Auch die Teilnahme an Kursen in weiter entfernten Gegenden des Heimatlandes sei vor diesem Hintergrund zumutbar. Von jemanden, der die gravierende Lebensentscheidung treffe, in ein anderes Land dauerhaft einzuwandern, könne eine Vorbereitung auf diesen Schritt erwartet werden, zumal im Rahmen des Ehegattennachzugs in der Regel die Möglichkeit bestehe, sich an den bereits im Bundesgebiet lebenden Ehegatten zu wenden. Es würden zudem keine ausreichenden, sondern nur einfache Deutschkenntnisse verlangt, also lediglich die Fähigkeit, sich zumindest auf rudimentäre Weise im Gastland zu verständigen (BT/DrS. 16/5065 S. 174).
Danach hat der Gesetzgeber eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Abwägung getroffen, die den oben dargelegten Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts gerecht wird. Bereits erworbene Kenntnisse der Sprache des neuen Gastlandes können die wünschenswerte schnelle Integration des zuziehenden Ausländers fördern. Der sich auf einfache Kenntnisse beschränkende Spracherwerb stellt im Regelfall keine unzumutbare Anforderung an den nachzugswilligen ausländischen Ehegatten. Wer für sich die Entscheidung trifft, künftig in einem anderen Land zu leben, muss sich darüber im Klaren sein, dass auf ihn gewisse Anpassungs- und Integrationsleistungen zukommen. Dazu gehört nicht zuletzt das Erlernen einer fremden Sprache. Die besondere Anforderung, dass in einem begrenzten Umfange Sprachkenntnisse bereits vor der Einreise erworben werden müssen, ist vertretbar und von dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers umfasst (vgl. VG Berlin, Urteil vom 19. Dezember 2007 – VG 5 V 22.07 -).
2. Das Spracherfordernis beim Nachzug eines ausländischen Ehegatten zu einem ausländischen Staatsangehörigen verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, der dem Gesetzgeber gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz können sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber ergeben, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Art. 3 Abs. 1 GG ist dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (vgl. hierzu grundlegend BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1951 -2 BvG 1/51 -, BVerfGE 1, 14).
Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ergibt sich nicht daraus, dass das Spracherfordernis sich nicht an alle nachziehenden ausländischen Ehegatten gleichermaßen richtet. Angehörige bestimmter Staaten, die ohne Visum einreisen dürfen (vgl. 41 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der Aufenthaltsverordnung), müssen gemäß § 30 Abs. 1 Satz 3 Nummer 4 AufenthG bei der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen keine Sprachkenntnisse nachzuweisen. Diese Privilegierung stützt sich auf die Verordnungsermächtigung in § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG und darf nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers der Erfüllung einer zwischenstaatlichen Vereinbarung oder zur Wahrung öffentlicher Interessen dienen (vgl. § 99 Abs. 4 AufenthG). Das Grundgesetz erlaubt es der Bundesrepublik Deutschland, als Völkerrechtssubjekt Unterschiede zwischen den Staaten zu machen. Außenpolitische Rücksichtnahmen sind geeignet, eine Bevorzugung von Ausländern zu rechtfertigen, auch wenn bei Betrachtung lediglich der einzelnen Personen eine unterschiedliche Handhabung nicht einleuchtend wäre. Es bleibt dem Gesetzgeber unbenommen, an die in der Aufenthaltsverordnung geregelte Visumsfreiheit pauschal den Verzicht des Sprachnachweises zu knüpfen (vgl. VG Berlin, Urteil vom 19. Dezember 2007, a.a.O.).
Auch die in § 30 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 sowie Satz 3 Nummer 1 AufenthG geregelte Ungleichbehandlung verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da sachliche Gründe für die unterschiedliche Behandlung gegeben sind. In beiden Fällen setzt der Gesetzgeber für den Verzicht des Sprachnachweises voraus, dass die Ehe des nachzugswilligen Ehegatten eines Ausländers bereits bestanden hatte, als dieser seinen Lebensmittelpunkt in das Bundesgebiet verlegte; die nachträgliche Eheschließung entbindet nicht vom Sprachnachweis. Im ersten Fall (Satz 2 Nr. 1) muss der Ausländer zudem einen Aufenthaltstitel nach den §§ 19 bis 21 AufenthG besitzen, also eine Niederlassungserlaubnis für Hochqualifizierte oder eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Forschung oder zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit innehaben. Der Gesetzgeber verbindet mit der erleichterten Ansiedelung dieser Personengruppen ein erhebliches öffentliches Interesse (siehe insbesondere § 21 Abs. 1 AufenthG). Im zweiten Fall (Satz 3 Nummer 1) beruht die Aufnahme des Ausländers auf gewichtigen humanitären Gründen (anerkannter Asylbewerber, Flüchtling und ähnliches). Die Ausnahme trägt Artikel 7 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2003/86/EG Rechnung.
Schließlich bringt § 30 Absatz 1 Satz 2 Nrn. 2 und 3 AufenthG keine gleichheitswidrige Bevorzugung von Angehörigen, die aus der Europäischen Union kommen, mit sich. Die Besserstellung derartiger Ausländer gegenüber Ausländern aus Drittstaaten ist nicht zu beanstanden. Das deutsche Recht verlangt nicht, Zugeständnisse gegenüber der Europäischen Union auf Inländer zu erstrecken, soweit es sich um nationale Regelungsgegenstände handelt (vgl. VG Berlin, Urteil vom 19. Dezember 2007, a.a.O.).
3. Es ist weder substantiiert dargelegt noch erkennbar, dass es der Klägerin zu 1. nicht möglich ist, einen Sprachkurs zu absolvieren. Auch wenn der Besuch eines solchen Kurses sehr aufwändig und schwierig zu organisieren ist, entbindet dies die Klägerin nicht von der gesetzlichen Verpflichtung, die deutsche Sprache zu erlernen, um sich auf deutsch auf einfache Art verständigen zu können. [...]
4. Ein Absehen von den der Integration dienlichen Sprachkenntnissen rechtfertigt sich auch nicht im Hinblick auf den in Deutschland lebenden C. Dieser erfüllt zwar die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen für den Ehegattennachzug in seiner Person. Allerdings dürfte ihm, der immerhin dreiundzwanzig Jahre in seiner Heimat Pakistan gelebt hatte, bevor er nach Deutschland ausreiste, eine Rückkehr nach Pakistan im Alter von nunmehr 50 Jahren nicht unzumutbar sein. Vor den mit einer solchen Übersiedlung etwa verbundenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten bietet auch Art. 6 GG keinen Schutz (vgl. BVerfG, Urteil vom 12. Mai 1987, a.a.O.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Juli 2008, a.a.O.).
II. Es bestehen darüber hinaus Zweifel an der wirksamen Eheschließung der Klägerin zu 1. mit dem in Deutschland lebenden C. Die im Visumsverfahren vorgelegte Heiratsurkunde bezüglich der Eheschließung am 17. Dezember 1986 ist – wie die Kläger selbst einräumen - gefälscht. [...] Im Klageverfahren tragen die Kläger nunmehr vor, dass die Eheschließung bereits am 10. August 1986 erfolgt sei. Die Zweifel an der Wirksamkeit dieser Eheschließung ergeben sich aus der von dem C. behaupteten Zugehörigkeit zur Ahmadiyya-Bewegung. Seine Angaben sind allerdings widersprüchlich. [...] Trotz der Widersprüchlichkeit der Angaben ist aufgrund seines Vortrags davon auszugehen, dass er Mitglied der Ahmadiyya-Bewegung ist. Dies begründet indes erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der Ehe mit der Klägerin zu 1., die – zumindest im Zeitpunkt der Eheschließung - Muslima war. Denn nach dem hier anzuwendenden pakistanischen Recht gelten Anhänger der Ahmadiyya-Bewegung als Nichtmoslems (vgl. Constitution [Second Amendment] Act, 1974). Eine Ehe zwischen Moslems und Nichtmoslems dürfte nach pakistanischem Recht als nichtig anzusehen sein, weil eine Muslima nur mit einem Moslem verheiratet sein darf (nicht eindeutig: Weishaupt in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Bd. XIII, 153. Aufl. 2003 S.29, 44 ).
Zweifel an der Wirksamkeit der Eheschließung im August 1986 bestehen auch deswegen, weil Herr C. nach eigenen Angaben mit deren Ritus nicht einverstanden war. Die Eheschließung in Abwesenheit eines Ehepartners durch einen Stellvertreter (sog. Handschuhehe) als solche ist nach dem hier gemäß Art. 11 Abs. 1, 3 EGBGB anwendbaren pakistanischen Recht zwar wirksam (vgl. LG Stuttgart, Beschluss vom 28. Januar 1992 – 2 T 175/91 -, StAZ 1992, 379). Allerdings dürfte die Vollmachterteilung durch Herrn C., die sich gemäß Art. 13 Abs. 2 EGBGB nach deutschem Recht beurteilt (vgl. Coester in Münchner Kommentar EGBGB Art 13 Rdnr.150), unwirksam sein, weil er als Anhänger der Ahmadiyya-Gemeinschaft lediglich eine Eheschließung nach dem Ritus der Ahmadi wünschte, so dass seine Vollmacht sich nicht auf eine Eheschließung nach einem anderen Ritus erstreckte. [...]