SG Dresden

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Zitieren als:
SG Dresden, Gerichtsbescheid vom 22.01.2009 - S 30 EG 5/07 - asyl.net: M14850
https://www.asyl.net/rsdb/M14850
Leitsatz:

Das Erfordernis der Erwerbstätigkeit, des Bezugs von Leistungen nach SGB III oder der Inanspruchnahme von Elternzeit für den Bezug von Elterngeld für Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG ist sowohl mit dem Grundgesetz als auch mit der Qualifikationsrichtlinie vereinbar.

 

Schlagwörter: D (A), Elterngeld, Aufenthaltserlaubnis, subsidiärer Schutz, Erwerbstätigkeit, Verfassungsmäßigkeit, Gleichheitsgrundsatz, EMRK, Diskriminierungsverbot, Anerkennungsrichtlinie
Normen: BEEG § 1 Abs. 7 Nr. 3; AufenthG § 25 Abs. 3; GG Art. 3 Abs. 1; RL 2004/83/EG Art. 28
Auszüge:

Das Erfordernis der Erwerbstätigkeit, des Bezugs von Leistungen nach SGB III oder der Inanspruchnahme von Elternzeit für den Bezug von Elterngeld für Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG ist sowohl mit dem Grundgesetz als auch mit der Qualifikationsrichtlinie vereinbar.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Die zulässige Klage ist unbegründet. [...] Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf das begehrte Elterngeld, da er die Voraussetzungen des § 1 Abs. 7 Nr. 3 b) BEEG nicht erfüllt.

Zwar ist der Kläger als nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt; allerdings handelt es sich dabei um eine solche gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (§ 1 Abs. 7 Nr. 2 c) BEEG). In einem solchen Fall hängt der Anspruch auf Elterngeld gemäß § 1 Abs. 7 Nr. 3 BEEG des weiteren davon ab, dass der Ausländer sich a) und wie vorliegend der Kläger seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und b) dort berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt. Der Kläger hingegen ist im Bundesgebiet weder berechtigt erwerbstätig noch bezieht er laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch noch nimmt er Elternzeit in Anspruch.

§ 1 Abs. 7 BEEG ist mit dem Grundgesetz vereinbar (so auch BFH, Urteile v. 22.11.2007 - III R 63/07 und III R 61/04, FG Köln, Urt. v. 14.06.2007 - 15 K 1928/02 und Urt. v. 09.05.2007 - 10 K 3563/05 zum gleichlautenden § 1 Abs. 3 BKGG und § 62 Abs. 2 EStG sowie LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 10.07.2007 - L 11 EL 2361/07 LSG Niedersachsen, Urt. v. 23.08.2007 - L 8 EG 12/06, SG Aachen, Urteile v. 12.02.2008 - S 13 EG 24/07 und v. 14.10.2008 - S 13 EG 14/08 zum gleichlautenden § 1 Absatz 6 BErzGG), so dass eine Aussetzung des Verfahrens und die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Artikel 100 Grundgesetz nicht in Betracht kommen. Die Erwägungen, die in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Beschlüsse v. 06. Juli 2004 - 1 BvR 2515/95 und 1 BvL 4/97) angeführt wurden, führen nicht zur Verfassungswidrigkeit des angegriffenen § 1 Abs. 7 BEEG.

Die Vorschrift § 1 Abs. 7 BEEG trägt den Grundsätzen in den zum Erziehungs- und zum Kindergeld ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Rechnung, indem sie nicht allein an die formale Art des Aufenthaltstitels anknüpft, sondern weitere und für die vorgenommene Differenzierung auch sachgerechte Kriterien aufstellt, welche nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer erfüllen müssen. Auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts handelt der Gesetzgeber nämlich im Einklang mit Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz, wenn für die getroffene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass die Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist. Zwar gebiete der allgemeine Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln, dem Gesetzgeber sei damit aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Ihm stehe dabei insbesondere auf dem Gebiet des Sozialrechts ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfG, Beschl. v. 06.07.2004 - 1 BvL 4/97).

Das Gericht ist der Überzeugung, dass vorliegend für die Differenzierung zwischen solchen Klägern, denen eine Erwerbstätigkeit uneingeschränkt im gesamten Bundesgebiet gestattet ist, wie z.B. arbeitslosen Deutschen und freizügigkeitsberechtigten Ausländern und die Anspruch auf den Mindestsatz des Elterngeldes haben und solchen, wie dem Kläger, ein sachliches Entscheidungskriterium im Sinne des Artikels 3 Abs. 3 Grundgesetz vorliegt. Durch die Neuregelung des § 1 Abs. 7 BEEG werden nicht generell Ausländer von der Gewährung von Elterngeld ausgeschlossen, sondern in den Genuss von Elterngeld kommen nur solche Ausländer, die zudem erwerbstätig sind, Arbeitslosengeld I beziehen bzw. Elternzeit in Anspruch nehmen, also nur solche, die zu Lasten einer (möglichen) Erwerbsarbeit ihre Kinder selbst betreuen und erziehen bzw. von ihrem Wahlrecht zwischen Elterngeld und Arbeitslosengeld Gebrauch machen können. Damit wird das gesetzgeberische Anliegen, Eltern zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihre Kinder im ersten Lebensjahr selbst zu betreuen, unterstützt, andererseits wird ein hinreichender Bezug zur Erwerbstätigkeit anspruchsberechtigter Eltern begründet. Vor diesem Hintergrund ist auch der Auffassung des Klägers zu widersprechen, dass es sich bei dem Betrag von 300,00 Euro um eine Sozialleistung handele. Das Elterngeld hat nach dem Willen des Gesetzgebers in erster Linie eine Einkommensersatzfunktion und soll als Einkommensersatzleistung dienen (vgl. Hambüchen, BEEG - EStG - BKGG, Kommentar, Einführung BEEG, RN 12 und 13).

Entgegen der Auffassung des Klägers liegt auch kein Verstoß gegen die Regelungen der Richtlinie 2004/83/EG des Rates v. 29.04.2004 vor. Sowohl der Wortlaut des Art. 28

(1) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, in dem Mitgliedstaat, der die jeweilige Rechtsstellung gewährt hat, die notwendige Sozialhilfe wie Staatsangehörige dieses Mitgliedsstaats erhalten.

(2) Abweichend von der allgemeinen Regel nach Absatz 1 können die Mitgliedstaaten die Sozialhilfe für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus, zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen beschränken, die sie im gleichen Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene Staatsangehörige gewähren.

wie auch der Erwägungsgrund (34)

"Bei der Sozialhilfe und der medizinischen Versorgung sollten die Modalitäten und die Einzelheiten der Gewährung der Kernleistungen durch einzelstaatliche Rechtsvorschriften bestimmt werden. Die Möglichkeit der Einschränkung von Leistungen für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen ist so zu verstehen, dass dieser Begriff zumindest ein Mindesteinkommen sowie Unterstützung bei Krankheit, bei Schwangerschaft und bei Elternschaft umfasst, sofern diese Leistungen nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats eigenen Staatsangehörigen gewährt werden."

sprechen eindeutig nicht von "Sozialleistungen", sondern von "notwendiger Sozialhilfe", "Kernleistungen" und stellen die "Elternschaft" im Satz 2 des Erwägungsgrundes unter dem Gesichtspunkt, dass eine Leistungseinschränkung auf Kernleistungen erfolgen kann, in eine Reihe mit "Mindesteinkommen". Da es sich bei den Leistungen nach dem BEEG - wie vorstehend dargelegt - nicht um Sozialhilfe handelt und der Wortlaut einer Vorschrift für die Auslegung derselben deren äußerste Schranke bildet, kann der Kläger aus der Richtlinie 2004/83 EG keinen Anspruch auf Elterngeld herleiten.

Zudem ist § 1 Absatz 7 BEEG auch mit dem Familienschutz und dem Diskriminierungsverbot der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vereinbar, auch wenn dies zu einer Schlechterstellung gegenüber einem EU-Bürger führt. Grundsätzlich ist nämlich der nationale Gesetzgeber berechtigt, Bürger aus nicht EU-Staaten anders behandeln als EU-Bürger. Gerade die Situation als Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates der Gemeinschaft kann ein sachgerechtes Kriterium für die Gewährung von Vergünstigungen sein, während andererseits der nationale Gesetzgeber berechtigt ist, Anspruchsvoraussetzungen zu normieren, die insbesondere Bürger aus nicht EU-Staaten betreffen. [...]