VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Beschluss vom 14.01.2009 - 33 X 121.08 - asyl.net: M14856
https://www.asyl.net/rsdb/M14856
Leitsatz:

Vorläufiger Eilrechtsschutz gegen Abschiebung nach Georgien wegen Erkrankung an Hepatitis C.

Schlagwörter: Georgien, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Krankheit, Hepatitis C, Folgeantrag, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung
Normen: AsylVfG § 71 Abs. 1; VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 1; AufenthG § 60 Abs. 7; VwGO § 123 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Nicht mit gleicher Gewissheit festzustellen ist ein Anordnungsanspruch. Einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO darf das Verwaltungsgericht grundsätzlich allein dann gewähren, wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung des Bundesamtes bestehen, dass die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen. Indessen kann hier ausnahmsweise offen bleiben, ob dem Antragsteller ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des abgeschlossenen Verfahrens auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG a.F., heute gerichtet auf die Zuerkennung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG oder zumindest ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Bescheidung seines Begehrens zusteht. Eine Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten streitet nämlich für den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Der Antragsteller macht - wie bereits im Hauptsacheverfahren und im vorangegangenen Eilverfahren VG 33 X 91.08 - eine Erkrankung an Hepatitis C geltend, die sich verschlimmert habe und dringend behandelt werden müsse, deren Behandlung aber im Heimatland Georgien nicht gesichert sei. Anders als in dem für ihn negativ verlaufenen Verfahren VG 33 X 91.08 legt er nunmehr aber aktuelle medizinische Erkenntnisse vor, die sowohl eine Leidensverschlimmerung als auch einen Behandlungsbedarf nahelegen, um ein schwere Leibes-, wenn nicht gar Lebensgefahr von ihm abzuwenden. Neben einem Befundbericht der Medizinisch-Diagnostische Institute Laboratorien GmbH vom 11. August 2008 über eine seinerzeit erfolgte Blutuntersuchung hat er ein Attest der Ärztin im Gesundheitsamt Friedrichshain-Kreuzberg Medizinalrätin H. vom 3. Dezember 2008 eingereicht. Unter Bezugnahme auf die Laborbefunde gelangt die Medizinerin zu der Einschätzung, dass der Antragsteller eine antivirale Therapie erhalten solle, da sonst ein Leberversagen drohe. Wenngleich der Antragsteller nach dieser Bescheinigung zumindest seit Juli 2006 an einer akuten Hepatitis C leidet und sich bislang - soweit ersichtlich - keiner antiviralen Therapie unterzogen hat, ohne dass es zu einem Leberversagen gekommen ist, kann ein solches für die Zukunft nicht ohne Weiteres ausgeschlossen werden. Die aktenkundigen Äußerungen des Anstaltsarztes Dr. G. sind auch für das Gericht nicht nachvollziehhar und daher als Basis einer Gefahrenprognose ungeeignet. Gegenwärtig lässt sich für das Gericht nicht zuverlässig abschätzen, mit welcher Dringlichkeit der Antragsteller einer antiviralen Behandlung bedarf. Ungewiss ist aber auch, ob ihm diese Therapie, sollte er ihrer dringend bedürfen, in Georgien tatsächlich zur Verfügung stehen würde. Über das bloße Therapieangebot hinaus müsste er auch tatsächlich in der Lage sein, dieses in Anspruch zu nahmen. Ob die von ihm unter Hinweis auf eine Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe aus dem Jahre 2006 dargelegten finanziellen Hürden (seinerzeit 9.000 US-Dollar für eine halbjährige antivirale Behandlung) überwindbar sind, bedarf ebenfalls der Abklärung und Aktualisierung im Hauptsacheverfahren.

Angesichts der drohenden Leibes- und Lebensgefahr muss das Interesse der Antragsgegnerin an einer Abschiebung des Antragstellers einstweilen hinter der Interesse des Antragstellers, von einer solchen Maßnahme zunächst verschont zu werden, um zuvor eine Abklärung der für ihn mit einer Verbringung in sein Heimatland verbundenen Gefahren für wesentliche Rechtsgüter zu ermöglichen, zurücktreten. [...]