Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 AufenthG nach Angola für Kleinkind.
Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 AufenthG nach Angola für Kleinkind.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
Es liegt jedoch ein Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezüglich Angola vor. [...]
Die aktuellen Lebensbedingungen hinsichtlich der allgemeinen und medizinischen Versorgungslage für Kleinkinder sind in Angola sehr schlecht (VG Regensburg, Urteil vom 25.06.2003, Az.: RO 2 K 02.03484). Angesichts der bestehenden Defizite ist die Kindersterblichkeit infolge Krankheitsepidemien durch Tropenkrankheiten (beispielsweise Malaria) sehr hoch, 250 von 1.000 geborenen Kindern unter fünf Jahre überleben nicht (United States/Department of State Angola - Country Reports on Human Rights Practices - 2003 vom 25.02.2004, Az.: ohne). Hinzu kommen die desolaten hygienischen Verhältnisse und das Nichtvorhandensein einer leistungsfähigen staatlichen Gesundheitsversorgung (Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, Auskunft vom 16.09.2004; Deutschland/Botschaft, Auskunft vom 18.08.2004 an OVG Lüneburg, Az.: (ohne).
Kinder oder Jugendliche haben keine realistische Möglichkeit, sich in Angola das zum Überleben erforderliche Existenzminimum durch die Aufnahme einer legalen Tätigkeit im informellen Sektor zu sichern. Dieser Personenkreis ist in besonderer Weise gefährdet. Die Situation der Kinder und Jugendlichen ist selbst in Luanda nach wie vor prekär. Eine kindgerechte öffentliche Versorgungsstruktur ist nicht vorhanden. Von entscheidender Bedeutung ist der Umstand, ob die Antragstellerin in einen Familienverbund zurückkehren kann, der sie auffängt und ein (noch) menschenwürdiges Dasein sicherstellen kann.
Die Rechtsprechung beurteilt die Gefahrenlage für zurückkehrende angolanische Kinder uneinheitlich. Der VGH Kassel verneinte die Voraussetzungen einer extremen Gefahrenlage i.S.d. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 06.11.2003, Az,: 3 UE 557/01.A [für 1996 geborenes Kind in Luanda] und Beschluss vom 17.10.2003, Az.: 3 UE 588/01.A [für 1994 geborenes Kind in Luanda], ebenso der VGH München (Beschluss vom 27.10.2003, Az.: 25 B 02.31192 [1998 geborenes Kind]), Beschluss vom 10.10.2000, Az.: 25 B 00.30751 [vier Jahre altes Kind], Beschluss vom 28.02.2000, Az.: 25 B 99.31535 [drei und sechs Jahre alte Kinder], Beschluss vom 10.11.1999, Az.: 25 B 99.32078 [unter ein Jahr altes Kind] und Urteil vom 30.03.1999, Az.: 25 B 96.35630 [sieben Jahre altes Kind], das OVG Lüneburg, Urteile vom 12.12.2002, Az.: 1 LB 1209/01 [13 und zwölf Jahre alte Kinder] und vom 01.03.2001, Az.: 1 L 649/00 [drei Jahre altes Kind bei Rückkehr im Familienverband] sowie das OVG Koblenz, Urteil vom 17.11.1999, Az.: 8 A 11815/99.OVG [drei Jahre altes Kind]. Dagegen sahen das OVG Bremen, Urteil vom 06.02.2003, Az.: 1 A 264/02.A (Kleinstkinder ohne familiäre Betreuung), das OVG Lüneburg, Urteil vom 01.03.2001, Az.: 1 L 4006/00 (Sonderfall bei Kleinstkindern im Alter von 12 bis 15 Monaten wegen deren Infektanfälligkeit) und das OVG Magdeburg, Urteil vom 20.01.1999, Az.: 2 L 7/94 (zwei und elf Jahre alte Kinder bei Rückkehr ohne elterliche Begleitung), die Voraussetzungen einer extremen Gefahrenlage i.S.d. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als gegeben an. Auch das OVG Münster, Urteil vom 28.06,2000, Az.: 1 A 1462/96.A (1991 geborenes Kind) bejahte die Voraussetzungen einer extremen Gefahrenlage, ebenso z.B. VG Aachen, Urteil vom 23.07.2004, Az.: 7 K 770/03.A (für ein 15-jähriges allein stehendes Mädchen), VG Ansbach, Urteil vom 26.03.2004, Az.: An 2 K 03.30334 (19-jährige Antragstellerin nach vier Jahren Abwesenheit), VG Köln, Urteil vom 03.12.2003, Az.: 8 K 4041/98.A (allein stehende 22-jährige Antragstellerin mit 21 Monate altem im Bundesgebiet geborenem Kind) und VG Gelsenkirchen, Urteil vom 18.12.2002, Az.: 4a L 2764/02.A.
Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der Antragstellerin um ein 5 Monate altes Baby. Sie gehört mithin zur Hochrisikogruppe der Kleinkinder bis 5 Jahre, für die das existenzielle Minimum in Angola nicht gewährleistet ist.
Für die Antragstellerin besteht als Mitglied einer fünfköpfigen Familie auch nicht die Möglichkeit, in einen intakten Familienverbund in Angola zurückzukehren, der ihre Ernährung und auch die allgemeine und insbesondere die gesundheitliche Versorgung sicherstellen kann.
Des weiteren besteht auch für die Antragstellerin als 5 Monate altes Baby eine extreme Gefahrenlage im obigen Sinne im Hinblick auf das Risiko einer Erkrankung an Malaria oder einer sonstigen Tropenkrankheit und insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit kumulativ zusammentreffender Krankheiten.
Dem 4-jährigen Bruder der Antragstellerin (AZ: 5106131) wurde aus diesen Gründen ebenfalls ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs.7 AufenthG durch Urteil des Verwaltungsgerichtes Stuttgart vom 14.7.2005 (AZ: A 1 K 13372/04) rechtskräftig zuerkannt. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Gerichts, die hier bei der Antragstellerin ebenso gelten, wird verwiesen. [...]