[...]
Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass das Gericht die Beklagte unter Aufhebung ihres Gebührenbescheides vom 03.07.2006 und des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Dresden vom 15.12.2006 verpflichtet, die Verwaltungsgebühr für die Einbürgerung der Klägerin auf 100,- Euro zu ermäßigen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) (1). Die Klägerin hat jedoch einen Anspruch, die Beklagte unter Aufhebung des Gebührenbescheides vom 03.07.2006 und des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2006 zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, über den Ermäßigungsantrag hinsichtlich der Verwaltungsgebühr für die Einbürgerung der Klägerin erneut zu entscheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) (2).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei Verpflichtungsklagen mit denen ein noch von der Behörde zu erfüllendes Leistungsbegehren geltend gemacht wird, wie im vorliegenden Fall gegeben, ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, also das Bestehen des geltend gemachten Rechtsanspruchs zu diesem Zeitpunkt (vgl. BverwGE 74, 115 [118] = NJW 1986, 2329; Gerhardt in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Kommentar zur VwGO, § 113 RdNr. 66 m.w.N.). Damit ist im vorliegenden Fall Anspruchsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Gebührenermäßigungsanspruch § 38 Abs. 2 Satz 5 StAG i.d.F. des Gesetzes vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970), in Kraft getreten am 28.08.2007. Im Zeitpunkt des Erlasses des Gebührenbescheides der Beklagten am 03.07.2006 war der von der Klägerin geltend gemachte Gebührenermäßigungsanspruch im Satz 4 des § 38 Abs. 2 StAG geregelt. Der Wortlaut der Vorschrift ist identisch geblieben.
1) Nach § 38 Abs. 1 StAG werden für Amtshandlungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten - hierzu gehört auch der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch einen Ausländer durch die Einbürgerung nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. §§ 8 bis 16 StAG -, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben. Nach § 38 Abs. 2 Satz 1 StAG beträgt die Gebühr für die Einbürgerung nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz 255,- Euro. In bestimmten, in § 38 Abs. 2 Sätze 2 und 3 StAG geregelten Fällen, die bei der Klägerin nicht vorliegen, ermäßigt sich die Einbürgerungsgebühr bzw. die Einbürgerung ist gebührenfrei. Von der (vollen) Gebühr nach § 38 Abs. 2 Satz 1 kann gemäß § 38 Abs. 2 Satz 5 StAG aus Gründen der Billigkeit oder des öffentlichen Interesses Gebührenermäßigung (1. Alternative) oder -befreiung (2. Alternative) seitens der zuständigen Behörde gewährt werden. Der Behörde steht nach dem Wortlaut des Tatbestandes des § 38 Abs. 2 Satz 5 StAG bei der Entscheidung über eine Gebührenermäßigung oder -befreiung ein Ermessensspielraum zu (vgl. Marx in GK-StAR, Stand 10.07.2006, § 38 StAG, RdNr. 18), der beim Anspruchsberechtigten mit dem subjektiven Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung durch die Behörde korrespondiert. Der Gesetzgeber musste in dieser Vorschrift das Ausmaß der Ermäßigung nicht abstrakt vorgeben, da es maßgeblich von den Einzelfallumständen bestimmt wird und sich weitgehend einer generellen Bestimmung entzieht (vgl. Renner in Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 3. Aufl. § 38 StAG, RdNr. 22). Dies folgt aus der Vielzahl der möglichen Lebensumstände von eingebürgerten Ausländern, bei denen eine Gebührenermäßigung oder -befreiung nach § 38 Abs. 2 Satz 5 StAG in Betracht kommt und die sich einer starren Regelung im Gesetz entziehen. [...]
Damit ist es jedoch dem Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall verwehrt, dem von der Klägerin in der Hauptsache gestellten Klageantrag stattzugeben und die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verpflichten, die Einbürgerungsgebühr bei der Klägerin auf 100,- Euro zu ermäßigen. Die für diese Entscheidung zu einem konkreten Ermäßigungsbetrag notwendigen Ermessenserwägungen muss aus den vorstehend genannten Gründen die Beklagte anstellen. Insoweit war die Klage hinsichtlich des Hauptantrages als unbegründet abzuweisen.
2) Hiergegen hat der Hilfsantrag Erfolg.
Der hier streitbefangene Gebührenermäßigungstatbestand des § 38 Abs. 2 Satz 5 StAG knüpft an die im allgemeinen Verwaltungskostenrecht vorgesehenen Regelungen an, nach denen für bestimmte Arten von Amtshandlungen aus Gründen der Billigkeit oder des öffentlichen Interesses Gebührenermäßigungen oder Auslagenermäßigungen sowie Gebührenbefreiungen und Auslagenbefreiungen vorgesehen oder zugelassen werden können (siehe z.B. § 6 VwKostG Bund). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, soll durch die Möglichkeit einer Gebührenreduktion aus Billigkeitsgründen regelmäßig die Möglichkeit geschaffen werden, bei der Gebührenerhebung besonderen Umständen des Einzelfalles Rechnung zu tragen, etwa dann, wenn die Gebührenerhebung nach Art und Umfang der Verwaltungstätigkeit im Einzelfall nicht gerechtfertigt erscheint (sachlicher Billigkeitsgrund) oder sie angesichts der wirtschaftlichen Lage des Gebührenschuldners unbillig erscheint (persönlicher Billigkeitsqrund). Aus persönlichen Gründen kommt eine Billigkeitsermäßigung, wie sie die Vorschrift des § 38 Abs. 2 Satz 5 StAG regelt, dann in Betracht, wenn der Einbürgerungsbewerber für seinen Lebensunterhalt auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist, ohne dass dies nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 die Einbürgerung hindert und absehbar ist, dass sich hieran in einem überschaubaren Zeitraum nichts ändern wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.11.2006 - 5 C 26/05 -, zitiert nach Juris). Eine Gebührenermäßigung oder -befreiung aus Gründen der Billigkeit im Sinne des § 38 Abs. 2 Satz 5 StAG kann dabei nur bei einzelfallbezogenen Härten gewährt werden; allgemeine Regelungen des Gesetzes dürfen nicht im Wege einer Billigkeitsmaßnahme korrigiert werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 13.08.2003- 13 S 1167/02 -, zitiert nach Juris).
Den vorstehend genannten Anforderungen hat sowohl die Beklagte mit dem angefochtenen Gebührenbescheid vom 03.07.2006 wie auch die Widerspruchsbehörde mit dem den Widerspruch der Klägerin vom 05.07.2006 zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 15.12.2006 nicht Genüge getan. Während der Gebührenbescheid der Beklagten, mit dem diese die Einbürgerungsgebühr für die Klägerin entsprechend der gesetzlichen Vorschrift des § 38 Abs. 2 Satz 1 StAG in voller Höhe (255,- Euro) erhebt, den Ermäßigungsantrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 03.03.2005 vollständig ignoriert und somit überhaupt keine Ermessensentscheidung nach § 38 Abs. 2 Satz 4 (jetzt 5) StAG erkennen lässt, werden die von der Widerspruchsbehörde in der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2006 angestellten Ermessenserwägungen den vorstehend aufgeführten Anforderungen, die an eine Billigkeitsentscheidung nach § 38 Abs. 2 Satz 5 StAG in persönlicher Hinsicht zu stellen sind nicht gerecht, weil sie der besondere persönlichen Situation, insbesondere den besonderen wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt und heute nicht gerecht werden.
Die wirtschaftlichen Verhältnisse der ledigen Klägerin sind davon gekennzeichnet, dass sie nicht nur beim Erlass des Gebührenbescheides der Beklagten vom 03.07.2006 gemeinsam mit ihren beiden Geschwistern im elterlichen Haushalt lebte und dies auch heute noch der Fall ist. Ihr Vater bestreitet seinen Lebensunterhalt durch Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Die Mutter der Klägerin ist als Reinigungskraft teilzeitbeschäftigt und bezieht ergänzend zu ihrem Lohn Leistungen nach dem SGB II. Die Klägerin selbst befindet sich noch in Ausbildung, die auch über den Juli 2008 andauern wird. [...] Die eigene finanzielle Situation der Klägerin ist dadurch gekennzeichnet, dass sie nach dem Bescheid der ARGE Dresden vom 20.09.2007 in einer Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Mutter und ihrer Schwester ... anteilig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (inkl. Mehrbedarf) nach dem SGB II in Höhe von 88,06 Euro monatlich sowie anteilig Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 135,48 Euro monatlich bezieht. Mithin lebt nicht nur die Klägerin vom sozialhilferechtlichen Mindestbedarf, sondern auch die übrigen Personen, von denen die Klägerin Unterstützung erhoffen könnte, ohne dass eine sachliche begründete Erwartung auf eine positive Änderung in absehbarer Zeit besteht. Dies erscheint dem Gerichts als hinreichender Grund für die Annahme eines persönlichen Billigkeitsgrundes gemäß § 38 Abs. 2 Satz 5 StAG hinsichtlich der Ermäßigung der (vollen) Einbürgerungsgebühr nach § 38 Abs. 2 Satz 1 StAG. Für die Annahme eines solchen Billigkeitsgrundes spricht auch die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin im vorliegenden Klageverfahren vorgelegte vom Bundesministerium des Innern an die Innenministerien und -senatverwaltungen der Länder gerichtete Stellungnahme vom 13.06.2007 zur Gebührenbefreiung bei der Beantragung von Personaldokumenten (Personalausweis und Reisepass). Aus dieser Stellungnahme geht hervor, dass das Bundesministerium des Innern davon ausgeht, dass die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), die die Datengrundlage für die Regelleistungs- bzw. - satzbemessung nach § 20 Abs. 1 SGB II und § 28 Abs. 3 SGB XII bildet, keine Ausgaben für die Verwaltungsgebühren bei der Ausstellung der genannten Personaldokumente umfasst. Deshalb ist derzeit bei Bedürftigen, die Leistungen nach SGB II oder XII erhalten, von einer Gebührenerhebung für die Ausstellung eines Personalausweises oder eines Reisepasses abzusehen. Es liegt nahe, den gleichen Maßstab an Bedürftige, die Leistungen nach dem SGB II oder XII beziehen, bei der gegenüber den Gebühren für Personaldokumente (vgl. z.B. § 1 Abs. 6 PauswG oder § 15 PassV) wesentlich höheren Einbürgerungsgebühr nach § 38 Abs. 2 Satz 1 StAG anzulegen und auch diesen Personenkreis von der Gebühr zu befreien oder zumindest ihm eine Ermäßigung zu gewähren. Nach Auffassung des Gerichts gilt dies jedenfalls dann, wenn keine greifbaren Anhaltspunkte dafür bestehen, dass diese Situation sich in absehbarer Zeit verbessern wird. Insoweit geht die Kammer unter Zugrundelegung der zum Billigkeitserlass ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.11.2006, aaO) davon aus, dass eine sichere Veränderung der finanziellen Situation jedenfalls im Verlaufe des nächsten Jahres zu erwarten sein müsste, um eine außergewöhnliche persönliche Situation des Einbürgerungsgebührenschuldner ablehnen zu können. Hiervon kann im Falle der Klägerin nicht ausgegangen werden. [...]