Vom Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ist beim Kindernachzug abzusehen, wenn das Eltern-Kind-Verhältnis nur in Deutschland gelebt werden kann, weil dem Elternteil das Verlassen des Bundesgebiets nicht zuzumuten ist (hier: Ehe mit deutschem Staatsangehörigen und gemeinsamen Kindern).
Vom Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ist beim Kindernachzug abzusehen, wenn das Eltern-Kind-Verhältnis nur in Deutschland gelebt werden kann, weil dem Elternteil das Verlassen des Bundesgebiets nicht zuzumuten ist (hier: Ehe mit deutschem Staatsangehörigen und gemeinsamen Kindern).
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
Die Klage ist auch begründet. Die Klägerinnen haben einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Kindernachzug (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). [...]
Die Voraussetzungen des § 32 Abs. 3 AufenthG sind erfüllt, weil die Klägerin zu 3. eine bis zum 22. November 2008 befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG besitzt und ihr alleine das Sorgerecht über ihre unehelichen Töchter, die Klägerinnen zu 1. und 2., zusteht.
Abweichend von der zunächst von der Kammer im Beschluss vom 26. Februar 2008 vertretenen Auffassung steht dem Begehren der Klägerinnen nicht entgegen, dass die Klägerin zu 3. und ihr Ehemann Sozialleistungen beziehen und nicht absehbar ist, dass sich dieser Zustand in einem überschaubaren Zeitraum ändern könnte. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Nach der überzeugenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, beziehen sich die Worte "in der Regel" im System der Rechtsgrundlagen für Aufenthaltstitel sowie der Ausweisungstatbestände auf Regelfälle, die sich nicht durch besondere Umstände von der Menge gleich liegender Fälle unterscheiden. Ausnahmefälle sind demgegenüber durch atypische Umstände gekennzeichnet, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regel beseitigen. Die Prüfung, ob ein Ausnahmefall vorliegt, unterliegt uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2007 - BVerwG 1 C 10.07 -, bei Juris, m.w.N.). Ein solcher Ausnahmefall kann insbesondere dann vorliegen, wenn eine andere Entscheidung mit verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (z.B. aus Art. 6 Abs. 1 GG) nicht vereinbar wäre. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entspricht der verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 - bei Juris). Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles. Kann die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, etwa weil das Kind deutscher Staatsangehörigkeit und ihm wegen der Beziehungen zu seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück (so BVerfG, a.a.O.).
Bei der danach erforderlichen Abwägung der Umstände des Einzelfalles ist zunächst zu berücksichtigen, dass die in § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG normierte Regelerteilungsvoraussetzung dem Zweck dient, die öffentlichen Haushalte davor zu bewahren, den Lebensunterhalt von Ausländern mit öffentlichen Mitteln sichern zu müssen. Sie gehört deshalb nach dem Konzept des Gesetzgebers zu den wichtigsten Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels (vgl. zum Vorstehenden OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Februar 2007 - OVG 3 N 106.06 - m.w.N.). Diese einwanderungspolitische Zielsetzung muss gleichwohl angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalles zurücktreten. Insoweit hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 9. Mai 2008 überzeugend ausgeführt, dass bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren der minderjährigen Klägerinnen zu 1. und 2. nicht nur deren Bindung an die berechtigterweise im Bundesgebiet lebende Mutter im Rahmen einer Eltern-Kind-Beziehung zu berücksichtigen ist, sondern darüber hinaus auch die familiäre Bindung der Mutter an den hier lebenden deutschen Ehemann sowie an den am 22. März 2007 geborenen ehelichen Sohn mit deutscher Staatsangehörigkeit.
Nach Auswertung der vorhandenen Erkenntnismittel und insbesondere der Befragung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestehen keine Zweifel, dass die Familie(n) der Klägerin zu 3. in ihrer Zusammensetzung mit Staatsangehörigen der Bundesrepublik Deutschland und der Dominikanischen Republik nur in Deutschland eine gemeinsame Zukunft haben kann. Die Klägerin zu 3. konnte sich in der mündlichen Verhandlung in der deutschen Sprache verständlich machen und bedurfte nur ausnahmsweise der Unterstützung durch die Dolmetscherin. Nach ihren Angaben ist sie bemüht, sich durch selbständige Erwerbstätigkeit eine Existenzgrundlage zu verschaffen. Allerdings konnte sie auch im Hinblick auf die geringe Dauer ihrer Tätigkeit noch keine verlässlichen Angaben über die zu erwartenden Einnahmen machen und keine aussagekräftigen Belege vorlegen. Es ist daher weiterhin nicht mit hinreichender Sicherheit zu erwarten, dass die Familie in Zukunft nicht mehr auf den Bezug von Sozialleistungen angewiesen sein wird.
Die Klägerin zu 3. hat nochmals verdeutlicht, dass sie ihre Kinder bereits bei ihrer Einreise mitnehmen wollte und nur im Hinblick auf die damalige Versagung der Visa für die Kinder in ihrem Heimatland in der Obhut ihrer Verwandten zurückließ. Sie hat glaubhaft versichert, dass sie mit ihren Kindern engen Kontakt hält und täglich mit ihnen telefoniert. Daher ist zwar zu berücksichtigen, dass die Klägerin zu 3. durch ihre Eheschließung und den Ehegattennachzug nach Deutschland die Trennung zu ihren Kindern selbst herbeigeführt hat. Dies kann jedoch unter Berücksichtigung der durch Art. 6 GG geschützten Belange der Klägerinnen zu 1. und 2. keine ausschlaggebende Bedeutung haben. Insoweit teilt die Kammer die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, dass der persönliche Kontakt der fünf- und siebenjährigen Kinder zur allein sorgeberechtigten Mutter deren Persönlichkeitsentwicklung dient und sie die Mutter brauchen (vgl. Beschluss vom 9. Mai 2008). Dies gilt in besonderem Maße, da die Väter sich nicht zu ihren Töchtern bekannt haben und keine Verantwortung für sie übernehmen.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass der Kindernachzug nach Deutschland im Hinblick auf die Persönlichkeit des Ehemannes der Klägerin zu 3., mit dem die Klägerinnen zu 1. und 2. in häuslicher Gemeinschaft leben müssten, das Kindeswohl gefährden würde. [...]
Schließlich kann nicht gänzlich außer Betracht bleiben, dass die Klägerin zu 3. nunmehr gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ein eigenständiges Aufenthaltsrecht besitzt, so dass von einer weiteren Verfestigung ihres Aufenthalts im Bundesgebiet auszugehen ist. [...]