OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.01.2009 - 18 B 1775/08 - asyl.net: M14879
https://www.asyl.net/rsdb/M14879
Leitsatz:

Es bleibt offen, ob in Fällen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ein Anspruch auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung bzw. auf Gewährung von Abschiebungsschutz für die Dauer des Verfahrens auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gegeben sein kann, obgleich der gestellte Antrag ein Bleiberecht in Form einer Fiktion nicht ausgelöst hat und demzufolge ein nach Antragsablehnung gestellter Aussetzungsantrag unzulässig ist.

 

Schlagwörter: Beschwerde, Zulässigkeit, Beschwerdebefugnis, Anwaltszwang, Postulationsfähigkeit, Oberverwaltungsgericht, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Antragsänderung, einstweilige Anordnung, Suspensiveffekt, Familienzusammenführung, Ehegattennachzug, Deutschverheiratung, allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, Ermessen
Normen: VwGO § 67 Abs. 1; VwGO § 146 Abs. 1; VwGO § 123 Abs. 1; VwGO § 80 Abs. 5; AufenthG § 60a Abs. 2; AufenthG § 5 Abs. 2 S. 2; AufenthG § 28 Abs. 1
Auszüge:

Es bleibt offen, ob in Fällen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ein Anspruch auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung bzw. auf Gewährung von Abschiebungsschutz für die Dauer des Verfahrens auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gegeben sein kann, obgleich der gestellte Antrag ein Bleiberecht in Form einer Fiktion nicht ausgelöst hat und demzufolge ein nach Antragsablehnung gestellter Aussetzungsantrag unzulässig ist.

(Amtlicher Leitsatz)

 

[...]

Die Beschwerde des Antragstellers, die dieser am 23. November 2008 ohne anwaltliche Vertretung erklärtermaßen gemeinsam mit der Antragstellerin eingelegt hat, ist unzulässig. Der Antragsteller war nicht Beteiligter des erstinstanzlichen Verfahrens, daher nicht gemäß § 146 Abs. 1 VwGO beschwerdebefugt, und er ist auch nicht gemäß § 67 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO ordnungsgemäß vertreten, da der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin rechtzeitig die Beschwerde nur für diese, nicht aber für den Antragsteller eingelegt hat.

Auch die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Aus den von der Antragstellerin dargelegten, gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 der Verwaltungsgerichtsordnung VwGO vom Senat nur zu prüfenden Gründen ergibt sich nicht, dass die Ablehnung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht zu Unrecht erfolgt ist.

Die Beschwerde ist mit dem anwaltlicherseits formulierten Antrag, anzuordnen, dass bis zu einer Entscheidung über die Klage 27 K 4633/08 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 12. Juni 2008 sowie die Klage 27 K 4632/08 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 25. Juni 2008 von dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen abzusehen ist, unzulässig. Ein solcher Antrag nach § 123 VwGO ist nämlich in erster Instanz nicht gestellt und daher vom Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss nicht beschieden worden. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht allein den in erster Instanz ausdrücklich gestellten Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klagen der Antragstellerin gegen die Ordnungsverfügungen des Antragsgegners vom 12. Juni 2008 und 25. Juni 2008 anzuordnen bzw. wieder herzustellen, durch Ablehnung beschieden und ausdrücklich davon abgesehen, einen Antrag nach § 123 VwGO, wie ihn die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren verfolgt, anzuregen oder den Antrag dahingehend umzudeuten. Dies ist im Übrigen auch zu Recht geschehen. Wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend dargetan hat, hätte der mit der Beschwerde für richtig gehaltene Antrag wegen Fehlens eines Anordnungsanspruchs keinen Erfolg gehabt.

Soweit die Antragstellerin, die nach dem Widerruf ihres Schengen-Visums durch Verfügung des Antragsgegners vom 12. Juni 2008 wegen unerlaubter Ausübung einer Erwerbstätigkeit (Prostitution) am 19. Juni 2008 in Dänemark einen deutschen Staatsangehörigen geheiratet und am 25. Juni 2008 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beantragt hat, ohne im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder eines Visums zu sein und deren Abschiebung auch nicht nach § 60a AufenthG ausgesetzt war, geltend macht, sie habe einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG und die ihren Antrag ablehnende Verfügung des Antragsgegners vom 25. Juni 2008 leide an einem entscheidungserheblichen Ermessensmangel hinsichtlich der Anwendung des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, ist ihr folgendes entgegenzuhalten:

Die Ausführungen in der Beschwerdebegründung zum Bestehen eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis können einem Antrag nach § 123 VwGO auf Schutz von Abschiebung bzw. Verpflichtung des Antragsgegners auf Erteilung einer Duldung nicht zum Erfolg verhelfen. Ob auch in Fällen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ein Anspruch auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung bzw. auf Gewährung von Abschiebungsschutz für die Dauer des Verfahrens auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus gesetzessystematischen Gründen nicht gegeben sein kann, wenn – wie hier – der gestellte Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ein Bleiberecht in Form einer Fiktion nicht ausgelöst hat und demzufolge ein nach Antragsablehnung gestellter Aussetzungsantrag – wie vom Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt und mit der Beschwerde nicht angegriffen - unzulässig ist, kann hier offen bleiben.

Für eine Ausnahme von diesem Grundsatz für die Fälle des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG: Benassi in InfAuslR 2006, 178 (186).

Entgegen der in der Beschwerdebegründung geäußerten Ansicht hat der Antragsgegner nämlich eine Ermessensentscheidung im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG zu Lasten der Antragstellerin getroffen und diese in nach summarischer Prüfung nicht zu beanstandender Weise – wenn auch nur knapp – damit begründet, dass sie bei ihrer Anhörung lediglich auf die Zeitdauer des Visumsverfahrens hingewiesen habe und ihr die mit der Nachholung des Visumsverfahrens stets verbundenen Unannehmlichkeiten und die Zeitdauer zur Erfüllung der Einreisebestimmungen zuzumuten seien. Das Ermessen des Antragsgegners war entgegen der Ansicht der Antragstellerin keineswegs dahingehend reduziert, dass er von dem Visumserfordernis hätte absehen müssen.

Der Antragstellerin ist es nämlich - wie grundsätzlich jedem Ausländer - zuzumuten, vom Ausland aus für den endgültig von ihm beabsichtigten Aufenthaltszweck das erforderliche Visumsverfahren zu betreiben. [...]