[...]
Die Klage ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Der Widerruf der Feststellung nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO, dazu 1.). Dem Kläger steht in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblicher Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) kein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG zu. [...]
Das ist nach Überzeugung des Gerichts der Fall, weil keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Kläger bei Rückkehr nach Afghanistan einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt sein wird, wie sie § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG voraussetzt. Der Kläger beruft sich nicht auf individuelle Gefahren, denen er nach einer Rückkehr ausgesetzt wäre, sondern stützt sich allein darauf, dass die allgemeine Situation in Afghanistan extrem gefährlich sei. [...]
Für den Kläger als alleinstehenden gesunden Tadschiken liegt bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine solche extreme Gefahrenlage jedenfalls im Raum Kabul derzeit nicht vor (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 14,6.2002 - 1 Bf 38/02.A, 1 Bf 37/02.A; bestätigt durch Beschluss vom 24.10.2002 - 1 Bf 67.98.A, Urt. vom 22.11.2002 - 1 Bf 154/02.A, 1 Bf 155/02.A, 1 Bf 156/02A Urt. v. 11.4.2003 - 1 Bf 104/01.A; OVG Münster, Urt. v. 28.2.2008 - 20 A 2375/07.A; OVG Bautzen, Urt. v. 23.8.2006 - A 1 B 58/06; VGH Kassel, Urt. v. 7.2.2008 - 8 UE 1913/06A VG Ansbach, Urt. v. 26.11.2007 - AN 11 K 07.30671, jew. juris).
Die Sicherheitslage im Raum Kabul ist aufgrund der ISAF-Präsenz im regionalen Vergleich zufriedenstellend, wenn auch weiterhin fragil (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7.3.2008). Sie wird vom United High Comissioner for Refugees (UNHCR) für freiwillige Rückkehrer im Wesentlichen als "ausreichend sicher" bezeichnet. Insoweit kommt es zwar insbesondere in Kabul zu Attentaten, Überfällen und Übergriffen. Diese sind jedoch in der Regel gegen Angehörige der ISAF-Truppen oder Repräsentanten staatlicher Organe, insbesondere der Polizei gerichtet. Hierbei sind auch Opfer in der Zivilbevölkerung zu beklagen. Dennoch erreichen die Auswirkungen von Attentaten, Übergriffen und Überfällen nicht eine Häufigkeit und Intensität, die gemessen an der Gesamtbevölkerung in diesem Gebiet, eine erhebliche individuelle Gefahr bzw. eine ernsthafte individuelle Bedrohung für Leib und Leben des Klägers begründet.
Die allgemeinen Lebensbedingungen, insbesondere auch die Versorgungsiage im Raum Kabul bieten für die Rückkehr eines alieinstehenden, gesunden, jungen afghanischen Tadschiken auch dann keinen Grund für die Annahme, alsbald schwerste Beeinträchtigungen erleiden zu müssen, wenn er - wie der Kläger - über keine weiteren Verwandten in Afghanistan verfügt. Zwar ist die Situation für Rückkehrer keinesfalls frei von Gefahren. Dies ist jedoch im Hinblick auf die oben dargestellten Anforderungen an allgemeine Gefahren nicht hinreichend. Insoweit wird auf die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 28. Februar 2008 (20 A 2375/07.A, Rn. 44 - 74, juris), die das Gericht teilt, ergänzend Bezug genommen. Hieran hält das Gericht auch unter Einbeziehung der neuesten Berichte über die Versorgungslage in Afghanistan (DPA in: Pressespiegel Afghanistan ai - Mai 2008 - vom 6.3.2008, DPA in: Pressespiegel Afghanistan ai - August 2008 - vom 18.5.2008, 29.5.2008 und 13.6.2008; International Herald Tribune vom 18.9.2008) fest. [...] Soweit das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz im Urteil vom 6. Mai 2008 die Lage für einen zurückkehrenden jungen Mann anders beurteilt, liegt dies im Wesentlichen an dem Umstand, dass das Gericht dort davon ausgegangen ist, dass der Rückkehrer aus dem Volk der Hazara voraussichtlich keine Arbeit wird finden können. Das hält das Gericht für den Kläger hingegen nicht für wahrscheinlich. Der Kläger ist Tadschike. Er hat vor seiner Ausreise aus Afghanistan 8 Jahre lang die Schule besucht. Im Bundesgebiet ist er weitere ... Jahre lang zur Schule gegangen, hat die Fahrerlaubnis und einen Taxischein erworben und arbeitete jedenfalls bis zum Frühjahr 2008 als Taxifahrer. Über die gegenwärtige Beschäftigung des Klägers konnte das Gericht keine Feststellungen treffen, da er zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen war. Der Kläger dürfte auch nach wie vor Dari sprechen, da er in dieser Sprache Kontakte zu seinen in Deutschland lebenden Familienangehörigen pflegen dürfte. Über gesundheitliche Beeinträchtigungen des Klägers ist nichts bekannt. Trotz der enormen Probleme auf dem Arbeitsmarkt in Kabul dürfte es dem Kläger aufgrund seiner Bildung, der erworbenen Fähigkeiten und seiner Flexibilität möglich sein, zumindest Gelegenheitsarbeiten zu finden.
Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert, weil er den Verhältnissen seines Ursprungslandes durch seinen ca. 13 Jahre dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet entfremdet wäre. Er hat seine Kindheit und einen Teil seiner Jugend in Afghanistan verbracht und ist dort zur Schule gegangen. Im Bundesgebiet dürfte er sich in einem zumindest teilweise afghanisch geprägten Umfeld bewegen und schon wegen seiner familiären Kontakte weiterhin Dari sprechen. [...]