VG Sigmaringen

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Zitieren als:
VG Sigmaringen, Urteil vom 12.11.2008 - A 1 K 1219/07 - asyl.net: M14908
https://www.asyl.net/rsdb/M14908
Leitsatz:

Angesichts von erheblichen Schwierigkeiten bei der Registrierung ist für Roma und Ashkali, die nicht aus Serbien stammen, kein zeitnaher Zugang zu Gesundheitsversorgung gewährleistet.

 

Schlagwörter: Serbien, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Krankheit, psychische Erkrankung, Suizidgefahr, medizinische Versorgung, Serbien, Roma, Ashkali, Registrierung, Situation bei Rückkehr
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Angesichts von erheblichen Schwierigkeiten bei der Registrierung ist für Roma und Ashkali, die nicht aus Serbien stammen, kein zeitnaher Zugang zu Gesundheitsversorgung gewährleistet.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Soweit die Klagen zurückgenommen wurden, war das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Im Übrigen ist die Klage des Klägers zulässig und begründet. Er hat einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aus gesundheitlichen Gründen. [...]

Der behandelnde Psychiater, Herr ..., geht für den Fall einer Rückführung von einer akuten Exazerbation der Symptomatik aus (Bericht vom 2.5.2007). Der Kläger wäre in höchstem Maße suizidgefährdet. [...]

Diese Gefahr ist auch zielstaatsbezogen, weil eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers dadurch einträte, dass die Krankheit in Serbien nicht ausreichend behandelt werden könnte. Es reicht nicht aus, dass eine Krankheit im Einzelfall adäquat behandelt werden kann. Es muss vielmehr davon ausgegangen werden können, dass die Behandlung dem Betroffen auch rechtzeitig und tatsächlich zur Verfügung steht. Davon kann nicht ausgegangen werden.

Nach dem jüngsten Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die Republik Serbien vom 22.09.2008 setzt der für Roma grundsätzlich gegebene Zugang zur Gesundheitsfürsorge eine Registrierung voraus. Das Gericht geht davon aus, dass diese Information auch für Ashkali gilt, die etwa im Lagebericht über den Kosovo vom 29.11.2007 als "ashkalische Roma" der Minderheit der Roma zugerechnet werden (S. 13). Gegenüber den Erkenntnissen, die dem Urteil im Verfahren A 1 K 10697/04 zugrunde lagen, hat sich die Darstellung im Lagebericht (22.9.2008 - Serbien) geändert. Nach dem Lagebericht vom 24.02.2004 war eine Registrierung für die nicht aus Serbien stammenden Roma ein Problem. Nach gegenwärtiger Erkenntnislage stellt eine Registrierung üblicherweise dann kein Problem dar, wenn Roma in (Inner-) Serbien geboren und dort weiter ansässig sind. Während der Kläger zwar aus Serbien stammt, ist er dort nicht geboren und insbesondere seit 1991 nicht mehr dort ansässig. Es ist daher davon auszugehen, dass eine Registrierung, die die Vorlage von 13 bis 16 verschiedenen Dokumenten erfordert, für ihn ein "ernsthaftes Hindernis" darstellt. Es ist daher nicht gewährleistet, dass er in Serbien zeitnah Zugang zu Leistungen des Gesundheitswesens erhält. [...]