VG München

Merkliste
Zitieren als:
VG München, Urteil vom 10.12.2008 - M 21 K 07.50975 - asyl.net: M14917
https://www.asyl.net/rsdb/M14917
Leitsatz:

Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 AufenthG nach Nigeria wegen posttraumatischer Belastungsstörung.

 

Schlagwörter: Nigeria, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Krankheit, psychische Erkrankung, posttraumatische Belastungsstörung, Finanzierbarkeit, medizinische Versorgung
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 AufenthG nach Nigeria wegen posttraumatischer Belastungsstörung.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Die Beklagte ist jedoch verpflichtet, beim Kläger das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Nigeria festzustellen, und zwar ein individuelles krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot aufgrund seiner posttraumatischen Belastungsstörung (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO). [...]

Hinsichtlich der Erkrankung des Klägers - Posttraumatische Belastungsstörung nach ICD 10 F 43.1 -, der Behandlungsbedürftigkeit und der zu erwartenden Folgen für den Fall des Unterbleibens einer Behandlung oder eines vorzeitigen Behandlungsabbruchs folgt das Gericht den Feststellungen in den vorgelegten fachärztlichen Attest. Anhaltspunkte dafür, dass die dort getroffenen Feststellungen auf nicht hinreichend gesicherten Annahmen beruhen, sind nicht ersichtlich. Das Gericht geht also davon aus, dass der Kläger an der diagnostizierten Krankheit leidet, er einer dauerhaften und intensiven ärztlichen bzw. psychotherapeutischen Betreuung bedarf und ein Behandlungsabbruch oder eine ungenügende Versorgung mit hoher Wahrscheinlichkeit eine erhebliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zur Folge hätte.

Nach den Umständen des Falles ist das Gericht auch davon überzeugt, dass es dem Kläger nicht möglich sein würde, die erforderlichen Mittel für eine angemessene Behandlung auf Dauer aufzubringen, sollte er nach Nigeria zurückkehren müssen.

Es ist offenkundig, dass angesichts des Krankheitsbildes eine adäquate Versorgung in Nigeria mit hohen Kosten verbunden wäre. In Nigeria gibt es keine freie Gesundheitsfürsorge. Vielmehr müssen die Patienten ihre Behandlung auch in staatlichen Krankenhäusern selbst bezahlen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand: September 2007, vom 06.11.2007, Seite 23). Eine Chance auf eine angemessene Versorgung hätte der Kläger daher allenfalls dann, wenn er oder Verwandte (die bereit wären, ihn zu unterstützen) über erhebliche finanzielle Mittel verfügen würden, um eine Behandlung zu bezahlen. Die breite Mehrheit der nigerianischen Bevölkerung leidet unter Verarmung. Etwa 50 bis 70 % der Bevölkerung leben unterhalb der absoluten Armutsgrenze von 1 US-Dollar pro Tag (vgl. Lagebericht vom 06.11.2007, Seite 23). Umstände, die die Annahme rechtfertigen könnten, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria sich wirtschaftlich deutlich besser stellen könnte als die große Mehrheit der Bevölkerung dort, sind nicht ersichtlich. Allein die Tatsache, dass es dem Kläger gelungen äst, nach Deutschland zu gelangen und hierfür sicherlich beträchtliche Kosten angefallen sind, rechtfertigt eine solche Annahme nicht, weil daraus nicht auch gefolgert werden kann, dass der Kläger oder grundsätzlich zur Hilfe bereite Verwandte über weitere Mittel (etwa Ersparnisse oder sonst verwertbares Vermögen, das nicht schon für die Finanzierung der Reise verbraucht wurde) verfügen würden, durch die eine Finanzierung der gebotenen Behandlung gesichert werden könnte. [...]