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VG Saarland

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Zitieren als:
VG Saarland, Urteil vom 27.11.2008 - 10 K 190/07 - asyl.net: M14926
https://www.asyl.net/rsdb/M14926
Leitsatz:
Schlagwörter: Syrien, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Kurden, Jesiden, Krankheit, Nierenerkrankung, Hypertonie, Nierenbeckenentzündung, Niereninsuffizienz, membranöse Glumerulonephritis, medizinische Versorgung, Finanzierbarkeit
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

[...]

Die zulässige, auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes i.S.v. § 60 Abs. 7 AufenthG gerichtete Klage ist nicht begründet. [...]

Zu Recht weist die Beklagte zunächst allgemein darauf hin, dass sich seit Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens des Klägers die Situation für die Kurden in Syrien - und zwar auch für die Kurden yezidischer Religionszugehörigkeit - nicht derart dramatisch verschlechtert hat, wie es der Kläger unter Berufung auf Stellungnahmen von amnesty international vom 09.06.2005 und 05.01.2007 behauptet. Nach der Bewertung der Kammer bestehen unter Berücksichtigung der zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Erkenntnisquellen allgemein keine genügenden Anhaltspunkte für eine Verschärfung der Situation in Syrien für diese Personengruppe, die es gerechtfertigt erscheinen ließe, vor diesem Hintergrund eine Gefährdung des Klägers allgemein und auch im Hinblick auf die von ihm geltend gemachten Erkrankungen nach Rückkehr in genügender Weise belegen zu können (vgl. dazu Lagebericht des Auswärtigen Amtes (Stand: März 2008) vom 05.05.2008, 508-516.80/3 SYR, II., 1.4.3 Yeziden, und IV., 1.3. Medizinische Versorgung).

Hinzu kommt, dass die von dem Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen bereits nicht für derart schwere Erkrankungen sprechen, von denen erwartet werden könnte, dass in absehbarer Zeit nach Rückkehr mit einer wesentlichen Verschlimmerung der Erkrankungen zu rechnen wäre. Nach dem ärztlichen Attest der Gemeinschaftspraxis Dres. ... vom 25.11.2006 ist aus nephrologischer Sicht bei einem vollkommenen Absetzen der Therapie der dort allerdings nicht näher diagnostizierten chronischen Erkrankung des Klägers nicht sofort, sondern erst innerhalb von wenigen Jahren in Form einer bedeutsamen Verschlechterung zu rechnen. Auf eine derartige Situation ist § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ersichtlich nicht zugeschnitten. Die Vorschrift erfordert vielmehr eine zeitnah eintretende wesentliche Verschlimmerung. Das kann der Darlegung einer zu erwartenden, "bedeutsamen" Verschlimmerung nicht entnommen werden, wenn weiter berücksichtigt wird, dass nach den von der Beklagten bereits im angefochtenen Bescheid aufgeführten Erkenntnisquellen ebenso wie etwa aus dem Botschaftsbericht der Deutschen Botschaft in Damaskus vom 31.07.2002, an VG Freiburg zu A 2 K 10603/99 hervorgeht, dass in Syrien Behandlungsmöglichkeiten sowie Kontrolluntersuchungen für Patienten u.a. mit Niereninsuffizienz und Bluthochdruck vorhanden sind, der Patient seine häusliche medikamentöse Behandlung bezahlt und die Krankenhausbehandlung in den städtischen Krankenhäusern kostenlos möglich ist.

Nach Maßgabe der vom Kläger im Verwaltungsverfahren und der im gerichtlichen Verfahren vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen sowie der Angaben des Klägers im Rahmen seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung der Kammer leidet der Kläger an einer Nierenerkrankung. [...]

Nach den dargelegten Umständen ist von einer chronischen Nierenerkrankung des Klägers in Form einer membranösen Glomerulonephritis (Abkürzung: MGN) auszugehen. Diese Erkrankung ist geprägt durch ein nephrotisches Syndrom, wie es auch für den Kläger diagnostiziert ist, das durch eine langsame Progredienz und erhöhte Blutdruckwerte gekennzeichnet ist (vgl. Pschyrembel, Therapeutisches Wörterbuch, 2. Auflage, 2001, S. 307, Schlagwort: Glomerulonephritis, chronische (Form: 4.)).

Im Gegensatz etwa zu der dort unter 5. beschriebenen Form der Glomerulonephritis, bei der eine ungünstige Prognose besteht, weil bei nephrotischem Syndrom in 80 Prozent der Fälle innerhalb von zehn Jahren eine terminale Niereninsuffizienz, die ein Blutreinigungsverfahren erfordert, a.a.O., 308 (sonstige Maßnahmen - 1.)) eintritt, handelt es sich bei der Erkrankung des Klägers dem Grunde nach zwar um eine chronische Erkrankung, von der aber nicht gesagt werden kann, dass sie nach einer Rückkehr nach Syrien konkret und zeitlich absehbar zu einer wesentlichen Verschlimmerung führt, sofern dort adäquate Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Davon ist, wie die Beklagte im angefochtenen Bescheid bereits zu Recht dargelegt hat, indes auszugehen. Aufgrund der vorliegenden amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes und der Deutschen Botschaft in Damaskus bestehen dort Behandlungsmöglichkeiten für Patienten mit Niereninsuffizienz sogar nach einer Nephrektomie und ist selbst eine Dialysebehandlung, wie sie nach allem für den Kläger derzeit auf absehbare Zeit in keiner Weise in den Blick zu nehmen ist, sowohl privat als auch staatlicherseits möglich (vgl. insbesondere die Botschaftsberichte vom 23.04.2002, a.a.O., sowie vom 14.05.2007, RK 518 SE/I.V., an VG Arnsberg und die Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Berlin vom 06.06.2006, 509-511/22820).

Soweit aus dem weiter vorgelegten Botschaftsbericht der Deutschen Botschaft in Damaskus vom 13.05.2004 an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, RK 521 SE, hervorgeht, dass die Betreuung und Behandlung von Patienten, bei denen eine Leber- und Nierentransplantation durchgeführt worden ist, in Syrien nicht immer erfolgreich, besonders die erforderlichen teueren Medikamente nur eingeschränkt vorhanden sind, kann der Kläger hieraus nichts für sich herleiten, da es in seinem Falle gerade nicht um eine Behandlung nach einer Nierentransplantation geht und auch eine Nierentransplantation bei ihm derzeit und auf absehbare Zukunft jedenfalls nicht als erforderlich angesehen werden kann. Die so vorliegenden Auskünfte belegen bereits, dass für den Kläger in Syrien die erforderlichen Medikamente für die Behandlung seiner Erkrankung nach dem dortigen medizinischen Standard, auf den sich der Kläger verweisen lassen muss, zur Verfügung stehen. Was die aus der Einnahme-Empfehlung der Gemeinschaftspraxis vom 22.10.2007 (Blatt 27 GA) angegebenen Medikamente anbelangt, handelt es sich bei den Medikamenten Ramipril Bastes PL 5/25 MG, Ramipril 5 MG N3, Verahexal und Olmetec um den Blutdruck regulierende Medikamente sowie bei dem Medikament Omep um ein die Magensäureabgabe hemmendes Medikament (vgl. www.netdoktor.de/medikamente/vesdil-2-5-mg-5-mgprotec-100004768.html betreffend den Wirkstoff Ramipril; www.netdoktor.de/medikamente/verahexal-KHK-20-retard-1QQQ04503.html; www.netdoktor.de/medikamente/Omep-20mg-Tab-magensaftr-100009561.html; www.netdoktor.de/medikamente/Olmetec-10-mq-20-mg-40-mg-1000011499.html).

Es bestehen keine durchgreifenden Zweifel daran, dass Medikamente mit den in den genannten Medikamenten enthaltenen Wirkstoffen in Syrien erreichbar zur Verfügung stehen. Bei der darüber hinaus angegebenen Medikation mit dem Medikament Sandimmun Optoral 100 MG, einem Medikament mit dem Wirkstoff Ciclosporin, das zur Hemmung des Immunsystems eingesetzt wird, handelt es sich offensichtlich um den Einsatz "neuer immunsupressiver Substanzen", deren "Stellenwert" (Pschyrembel, Therapeutisches Wörterbuch, a.a.O., S. 308 (Neuentwicklung)) "zur Zeit bei verschiedenen chronischen Glomerulonephritiden geprüft" wird. Ungeachtet des Einsatzes eines neuentwickelten Medikaments, wie es offensichtlich von den Ärzten des Klägers bei der Behandlung im Bundesgebiet verordnet wird, sind daneben aber weitere Medikamente vorhanden, die herkömmlich zur Behandlung der Erkrankung des Klägers geeignet sind (vgl. a.a.O., S. 307 f. (Pharmakotherapie, 4. b)).

Auf derartige Medikamente, für die davon auszugehen ist, dass sie in Syrien erhältlich sind, zumal dort selbst das Medikament Sandimmun Optoral 100 MG nach der von dem Kläger vorgelegten Auskunft der ... Apotheke in Aleppo (Bl. 25 f. GA) zumindest zeitweise erhältlich ist, muss sich der Kläger verweisen lassen. Von daher bedarf es keiner weiteren Überprüfung der Frage, ob eine krankheitsangemessene Medikation in Syrien überhaupt möglich ist.

Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass die für die Behandlung seiner Krankheit erforderlichen Medikamente nach dem Standard der in Syrien möglichen medikamentösen Behandlung für ihn aus finanziellen Gründen nicht erreichbar sind. Der von ihm vorgelegten Übersicht der ... Apotheke in Aleppo ist zwar zu entnehmen, dass diese Medikamente "sehr teuer" sein sollen. Dies trifft ersichtlich aber in erster Linie auf das dort aufgeführte Immunpräparat zu. Hinzu kommt, dass der Kläger in keiner Weise nachvollziehbar dargelegt hat, die erforderlichen finanziellen Mittel für die Behandlung seiner Erkrankung nicht aufbringen zu können. Es handelt sich bei ihm um einen erst 26 Jahre alten Mann, der bis auf die geltend gemachten Erkrankungen in keiner Weise behindert ist und der sich in Syrien insbesondere auf die Hilfe seiner Familie stützen kann. Nach seinen Angaben leben in Syrien neben einer zwölf Jahre alten Schwester noch seine Mutter, eine 24 Jahre alte verheiratete Schwester sowie ein 23 Jahre alter Bruder und darüber hinaus noch drei Onkel und eine Tante. Anhaltspunkte dafür, dass er selbst krankheitsbedingt daran gehindert ist, zu seinem Lebensunterhalt beizutragen, liegen zudem nicht vor. [...]