VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 08.01.2009 - 17 K 2456/08.A - asyl.net: M14939
https://www.asyl.net/rsdb/M14939
Leitsatz:

Keine mittelbare Gruppenverfolgung von Yeziden in der Türkei mehr.

 

Schlagwörter: Türkei, Widerruf, Flüchtlingsanerkennung, Jesiden, Gruppenverfolgung, Verfolgung durch Dritte, mittelbare Verfolgung, Religion, religiös motivierte Verfolgung, religiöses Existenzminimum, Verfolgungshandlung
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; AsylVfG § 73 Abs. 1; RL 2004/83/EG Art. 10 Abs. 1 Bst. b; RL 2004/83/EG Art. 9 Abs. 1
Auszüge:

Keine mittelbare Gruppenverfolgung von Yeziden in der Türkei mehr.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Die Widerrufsentscheidung erweist sich auch in der Sache als rechtmäßig. [...]

Die Verhältnisse in der Türkei haben sich nach dem seinerzeitigen Anerkennungsbescheid erheblich geändert. Zur Begründung wird zunächst auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung des Bundesamtes verwiesen.

Der Hinweis des Klägers darauf, dass er glaubensgebunden der yezidischen Glaubensgemeinschaft angehöre, rechtfertigt nicht mehr die Aufrechterhaltung der im Bescheid vom 17. Dezember 2001 getroffenen Feststellungen. Yeziden unterliegen in der Türkei keiner (mittelbar staatlichen) Gruppenverfolgung mehr. Sie sind vor einer Gruppenverfolgung in der Türkei mit mehr als nur überwiegender Wahrscheinlichkeit hinreichend sicher. An der Verfolgungssicherheit der Yeziden bestehen keine ernsthaften Zweifel (vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. Februar 2006 - 15 A 2119/02A -, juris; Urteil vom 31. August 2007 - 15 A 1558/04.A -, Beschluss vom 16. Juni 2008 - 8 A 1444/08.A).

In dem zitierten Urteil vom 31. August 2007 hat das OVG NRW unter Berücksichtigung der Stellungnahmen des Yezidischen Forums e.V. und der Auskunft von Azad Baris an das OVG Sachsen-Anhalt vom 17. April 2006 festgestellt, dass es, soweit zwischen Yeziden und Teilen der moslemischen Bevölkerung weiterhin Auseinandersetzungen stattfinden, nahezu durchgängig an Anhaltspunkten dafür fehlt, dass diese Übergriffe an asylerhebliche Merkmale anknüpfen. An dieser Einschätzung ist festzuhalten. Nach Überzeugung des Gerichts ist derzeit nicht anzunehmen, dass dem Kläger als Yezide mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht.

Das Bundesamt hat aus den vorgenannten Gründen zu Recht festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen. Aus § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 lit. b der Qualifikationsrichtlinie ergibt sich nichts anderes. Selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass über den Schutz des sog. religiösen Existenzminimums hinausgehend auch die öffentliche Glaubensbetätigung geschützt ist, ist eine relevante Beeinträchtigung der so verstandenen Religionsfreiheit jedenfalls nur bei schwerwiegenden Eingriffen gegeben (Art. 9 Abs. 1 lit. a der Qualifikationsrichtlinie). Die Gefahr derartiger Eingriffe ist aber auszuschließen, weil die religiösen Rituale der Yeziden nicht vor den Augen von - aus deren Sicht - Ungläubigen praktiziert werden dürfen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 31. August 2007 - 15 A 1558/04.A -, a.a.O und OVG Saarland, Beschluss vom 26. März 2007 - 3 A 30/07 -, Juris). [...]