Ein begründeter Ausnahmefall i.S.d. Art. 4 Abs. 4 AufnG liegt vor, wenn ein Ehepartner, Elternteil oder minderjähriges Kind eines geduldeten Ausländers einen Aufenthaltsstatus besitzt, der ihn nicht zum Wohnen in einer Gemeinschaftsunterkunft verpflichtet (hier: Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 3 AufenthG), so dass in diesem Fall eine Zuweisung in eine Gemeinschaftsunterkunft die Ausübung des Ermessens voraussetzt.
Ein begründeter Ausnahmefall i.S.d. Art. 4 Abs. 4 AufnG liegt vor, wenn ein Ehepartner, Elternteil oder minderjähriges Kind eines geduldeten Ausländers einen Aufenthaltsstatus besitzt, der ihn nicht zum Wohnen in einer Gemeinschaftsunterkunft verpflichtet (hier: Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 3 AufenthG), so dass in diesem Fall eine Zuweisung in eine Gemeinschaftsunterkunft die Ausübung des Ermessens voraussetzt.
(Leitsatz der Redaktion)
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Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht ist – im Ergebnis – zu Recht davon ausgegangen, dass hier ein begründeter Ausnahmefall im Sinn von Art. 4 Abs. 4 Satz 1 AufnG vorliegt, so dass die Zuweisung des Klägers in eine Gemeinschaftsunterkunft nur im Ermessenswege hätte getroffen werden dürfen. [...]
Der Kläger ist Inhaber einer Duldung (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG) und gehört somit unstreitig zu dem Personenkreis, der in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht werden soll. Die Behörde ist damit grundsätzlich verpflichtet, die Unterbringung vorzunehmen, ohne dass für sie ein Ermessensspielraum besteht. Liegt dagegen kein Regelfall, sondern ein begründeter Ausnahmefall im Sinn des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 AufnG vor, so ist für die Behörde ein Ermessensspielraum für ihre Entscheidung über die Gestattung des Auszugs aus einer staatlichen Gemeinschaftsunterkunft oder, wenn wie hier, der Betroffene noch nicht in einer solchen untergebracht ist, über das Absehen von der Unterbringung in einer staatlichen Gemeinschaftsunterkunft eröffnet. Die Frage, ob der Regelfall nach Art. 4 Abs. 1 AufnG oder ein begründeter Ausnahmefall nach Art. 4 Abs. 4 Satz 1 AufnG vorliegt, ist dabei eine tatbestandliche Rechtsfrage, die der vollen Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte unterliegt. Denn bei der Voraussetzung "begründeter Ausnahmefall" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der für die Behörde keinen Beurteilungsspielraum enthält, sondern aufgrund der gegebenen Umstände des Einzelfalls nach objektiven Kriterien zu beurteilen ist.
Im Vordergrund stehen dabei die vom Betroffenen geltend gemachten persönlichen Interessen, die gegen einen Umzug in eine staatliche Gemeinschaftsunterkunft sprechen und die das vom Gesetzgeber in Art. 4 Abs. 1 AufnG als Regelfall typisierte und in § 8 Abs. 5 Spiegelstriche 1 bis 3 DVAsyl und Art. 4 Abs. 4 Satz 2 AufnG spezifizierte öffentliche Interesse an der Unterbringung dieses Personenkreises in einer staatlichen Gemeinschaftsunterkunft deutlich überwiegen müssen. Deshalb betont auch die Begründung zu Art. 4 Abs. 4 AufnG, dass die Nichtunterbringung in einer staatlichen Gemeinschaftsunterkunft, nicht zuletzt aus Kostengründen, die absolute Ausnahme darstellen muss (vgl. LT-Drs. 14/8632, Begründung Teil B zu Art. 4 Abs. 2 [Seite 6]). Einen Beispielsfall für ein solches überwiegendes Privatinteresse, das einen begründeten Ausnahmefall darstellen kann, führt § 8 Abs. 6 DVAsyl an, wonach der Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten sowie Eltern und ihren minderjährigen ledigen Kindern oder sonstigen humanitären Gründen von gleichem Gewicht Rechnung getragen werden soll.
Der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. Beschluss vom 27.2.2006 - Az. 21 CS 06.138 - und vom 28.9.2006 - Az. 21 ZB 06.1558) die Auffassung vertreten, dass auch dann, wenn ein Ehegatte, der – wie hier – eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG besitzt und damit nicht verpflichtet ist, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen, nicht vom Vorliegen eines begründeten Ausnahmefalls nach Art. 4 Abs. 4 Satz 1 AufnG auszugehen ist, weil die Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten und/oder Familien in der Gemeinschaftsunterkunft dadurch aufrecht erhalten werden kann, dass der jeweilige Aufenthaltserlaubnisinhaber nach § 25 Abs. 3 AufenthG ebenfalls in der Gemeinschaftsunterkunft wohnt.
An dieser Rechtsprechung hält der Senat im Hinblick auf die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 (Richtlinie RL 2004/83/EG) und das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I 1970 ff) nicht mehr fest.
Vielmehr geht der Senat nunmehr bereits dann vom Vorliegen eines begründeten Ausnahmefalls im Sinn von Art. 4 Abs. 4 Satz 1 AufnG aus, wenn ein Ehepartner, Elternteil oder minderjähriges Kind einer Familie einen Aufenthaltsstatus besitzt, der diesen Personenkreis nicht zum Wohnen in einer Gemeinschaftsunterkunft verpflichtet. In diesem Fall kann die Zuweisungsentscheidung nur im Weg einer Ermessensentscheidung (§ 114 VwGO) getroffen werden. Nachdem diese hier im Zuweisungsbescheid aber noch nicht getroffen worden ist, führt das zu dessen Rechtswidrigkeit und damit im Ergebnis zu Recht zur Aufhebung durch das Verwaltungsgericht. [...]