OLG Brandenburg

Merkliste
Zitieren als:
OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.01.2009 - 1 Ss 90/08 - asyl.net: M15010
https://www.asyl.net/rsdb/M15010
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Strafrecht, wiederholtes Verlassen des Aufenthaltsbereichs, Duldung, räumliche Beschränkung, Auflage, Zuwanderungsgesetz
Normen: AufenthG § 95 Abs. 1 Nr. 7; AufenthG § 61 Abs. 1 S. 2; AufenthG § 61 Abs. 1 S. 1
Auszüge:

[...]

Die (Sprung-) Revision des Angeklagten ist nach § 335 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 341 Abs. 1, 344, 345 StPO).

Auf die zulässig erhobene Sachrüge des Angeklagten ist das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Luckenwalde aufzuheben. [...]

1. Zu Recht macht der Angeklagte geltend, dass die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen den Schuldspruch wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das AufenthaltsG nicht tragen. Das Amtsgericht hat hierzu folgende Feststellungen getroffen:

"... Am 24.08.2007 hielt sich der Angeklagte in den Nachmittags- und Abendstunden in 12489 Berlin auf im Bereich des ..., obwohl er vollziehbar ausreisepflichtig ist und derzeit lediglich im Besitz einer Duldung (ist), wobei sein Aufenthalt auf den Landkreis ... beschränkt ist. Trotzdem verließ der Angeklagte zum wiederholten Male ohne Genehmigung der Ausländerbehörde den ihm zugewiesenen Landkreis ... ."

Diese – bereits zum ausländerrechtlichen Status des Angeklagten nur dürftigen – Feststellungen sind insoweit unzureichend, als sich ihnen ein vorangegangener Verstoß des Angeklagten gegen die Aufenthaltsbeschränkung nicht entnehmen lässt.

Im Fall der Verurteilung des Angeklagten müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Hierfür reicht eine "Feststellung", die nur die Worte des Gesetzes wiederholt, nicht aus (vgl. BGH in NStZ 2000, 607).

Da die Strafnorm des § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG erst einen wiederholten Verstoß gegen die räumliche Beschränkung eines ausreisepflichtigen Ausländers sanktioniert, hätte es der Feststellung eines vorangegangen Verstoßes gegen die räumliche Beschränkung bedurft. Der Darstellung eines solchen Lebenssachverhaltes wird die vom Amtsgericht getroffene Formulierung "zum wiederholten Male", welche mit gleichbedeutenden Worten lediglich den Gesetzesinhalt wiedergibt, nicht gerecht.

Auch ist ein solcher (ordnungswidriger) Erstverstoß nicht der im Urteil festgestellten Vorverurteilung des Angeklagten durch das Amtsgericht Luckenwalde vom 29. März 2004 wegen wiederholter Zuwiderhandlung gegen die Aufenthaltsbeschränkung nach § 56 Abs. 1 AsylVfG, strafbar gemäß § 85 Nr. 2 AsylVfG, zu entnehmen. Denn die Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG setzt voraus, dass der vorangegangene Verstoß nach dem Inkrafttreten der neuen Strafnorm, also nach dem 01. Januar 2005, begangen wurde (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Februar 2007 - 1 Ss 96/06) und den verschiedenen Zuwiderhandlungen dieselbe Aufenthaltsbeschränkung zugrunde lag (Senatsbeschluss vom 24. Oktober 2007 - 1 Ss 79/07; Mosbacher in GK-AufenthG, § 95, Rdnr. 195). Ein vorangegangenes Zuwiderhandeln gegen eine im Asylverfahren bestehende räumliche Beschränkung nach § 56 AsylVfG erfüllt den Tatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG daher nicht.

Darüber hinaus begegnet die im Urteil getroffene Feststellung, dass das Aufenthaltsrecht des Angeklagten auf den Landkreis ... beschränkt ist, rechtlichen Bedenken. Sie indiziert, dass das Amtsgericht bereits das wiederholte Verlassen des Landkreises ... fehlerhaft als strafbewehrt angesehen hat.

Die Begrenzung des Aufenthaltsbereichs auf den Landkreis kann nur auf einer Anordnung nach § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG beruhen. Eine solche Anordnung ist nicht unter den Rechtsbegriff der räumlichen Beschränkung des Aufenthalts, wie er in § 61 Abs. 1 Satz 1 und in § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG verwendet wird, einzuordnen. Dies ergibt sich aus der Gesetzessystematik, wonach erstmalig begangene Zuwiderhandlungen gegen die räumliche Beschränkung nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als Ordnungswidrigkeit nach § 98 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG, jedoch solche gegen eine vollziehbare Anordnung gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nach der Bußgeldvorschrift des § 98 Abs. 3 Nr. 3 a.F. (jetzt Nr. 4) AufenthG geahndet werden. Da nur die wiederholte Zuwiderhandlung gegen eine räumliche Beschränkung nach § 61 Abs. 1 AufenthG den Straftatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG erfüllt, Verstöße gegen vollziehbare Auflagen dort aber nicht gleichermaßen aufgeführt sind, werden die Letztgenannten von der Strafnorm nicht erfasst, weshalb nur ein wiederholtes Verlassen des Bundeslandes unter Strafe steht (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Oktober 2007 - 1 Ss 79/07 -; OLG Karlsruhe, StV 2007, 136; vgl. aber auch a.M. OLG Bamberg, Beschluss vom 24. Juni 2008 - 2 Ss 45/08 -). [...]