VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 15.01.2009 - 19 C 08.2281 - asyl.net: M15012
https://www.asyl.net/rsdb/M15012
Leitsatz:

Eine Soll-Regelung stellt keinen Anspruch gem. § 10 Abs. 3 S. 2 AufenthG dar, so dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG im Falle der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet gem. § 30 Abs. 3 AsylVfG ausgeschlossen ist.

 

Schlagwörter: D (A), Prozesskostenhilfe, Erfolgsaussichten, Aufenthaltserlaubnis, abgelehnte Asylbewerber, offensichtlich unbegründet, Ausreisehindernis, Anspruch, Soll-Regelung
Normen: VwGO § 146; ZPO § 114; AufenthG § 25 Abs. 5; AufenthG § 10 Abs. 3 S. 2
Auszüge:

Eine Soll-Regelung stellt keinen Anspruch gem. § 10 Abs. 3 S. 2 AufenthG dar, so dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG im Falle der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet gem. § 30 Abs. 3 AsylVfG ausgeschlossen ist.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Die Beschwerde im Prozesskostenhilfeverfahren ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 146 Abs. 1, 147 Abs. 1, 148 Abs. 1 Satz 2 VwGO).

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. [...]

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte zu Recht die von der Klägerin begehrte Aufenthaltserlaubnis abgelehnt hat, weil es hierfür an einer Anspruchsgrundlage fehlt. [...]

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht auch verneint, dass der Klägerin ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Vorschrift des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG nicht zusteht. Ob sich daraus, dass die Klägerin als albanische Staatsangehörige und Mutter einer am 28. September 2004 geborenen Tochter ein rechtliches Hindernis i.S.d. § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG ergibt, weil der Vater des Kindes, ebenfalls albanischer Staatsangehöriger, die Vaterschaft anerkannt und mit der Klägerin das Sorgerecht gemeinsam ausübt, eine Niederlassungserlaubnis hat und deshalb Art. 8 EMRK der grundsätzlich bestehenden Ausreisepflicht der Klägerin entgegenstehen könnte, kann dahinstehen. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG stünde nämlich zunächst im Ermessen der Ausländerbehörde und hätte sich, da die Abschiebung der Klägerin bereits seit mehr als 18 Monaten ausgesetzt war, zu einem Soll-Anspruch nach § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG verdichtet. Grundsätzlich würde dem aber die Regelung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG entgegenstehen, da der Asylantrag der Klägerin nach § 30 Abs. 3 AsylVfG abgelehnt wurde. Eine Ausnahme hiervon ergibt sich nach § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG "im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels". Ob sich ein solcher Anspruch bereits aus der Soll-Vorschrift des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG ergibt, hat das Verwaltungsgericht zutreffend verneint. Zwar sind "Soll"-Vorschriften im Regelfall für die mit ihrer Durchführung betraute Behörde rechtlich zwingend und verpflichten sie, grundsätzlich so zu verfahren, wie es im Gesetz bestimmt ist. Im Regelfall bedeutet das "Soll" ein "Muss". Nur in atypischen Fällen darf die Behörde anders verfahren und nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden (BVerwG vom 2.7.1992, BVerwGE 90, 275/278; vom 20.11.2005 - 1 C 18.04 -, BVerwGE 124, 326, 331). Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (B. v. 10.7.2006 - 9 UZ 831/06 - Asylmagazin 7–8/2006, 46) hat die Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG zwar dann eingreifen lassen, wenn es um die "Soll"-Vorschrift des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG gehe, wie dies nunmehr ausdrücklich auch in § 10 Abs. 3 Satz 3 2. Halbsatz AufenthG mit dem Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl 2007, S. 1970) geregelt wurde. Ersichtlich hat der Gesetzgeber mit der Ergänzung zu § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG aber gerade nur diesen Fall, nämlich den des § 25 Abs. 3 AufenthG, der Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG entzogen. Hat er aber nur den in § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG geregelten Soll-Anspruch ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG herausgenommen, jedoch den Fall der Soll-Vorschrift des § 25 Abs. 5 Sätze 1 und 2 AufenthG gerade nicht ausdrücklich in die Neuregelung der Vorschrift einbezogen, so sollte es für diesen Fall bei der Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG bleiben, wie das OVG Mecklenburg-Vorpommern im Urteil vom 26. September 2007 (2 L 173/06 - Juris RN 59 bis 64) eingehend dargelegt hat. Diese Auffassung teilt der erkennende Senat. Eine abweichende Auffassung in der Kommentarliteratur (GK-AufenthG 18, RN 193 zu § 25 AufenthG; Hailbronner, AuslR, RN 22 zu § 10 AufenthG) kann demgegenüber nicht überzeugen, weil es, würden auch Soll-Ansprüche von § 10 Abs. 3 Satz 3 1. Halbsatz AufenthG erfasst, nicht der nachträglich eingefügten Sonderregelung für § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG bedurft hätte (so auch BayVGH, U. v. 06.03.2008 - 10 B 06.2961 - Juris RN 16 und Nds. OVG, B. v. 08.12.2008 - 13 DA 145/08 - Juris RN 4).

Auch wenn das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss hinsichtlich der Behandlung von Soll-Vorschriften auf abweichende Auffassungen in Kommentarliteratur und früherer Rechtsprechung hingewiesen hat, und deshalb, wie die Klägerin meint, "umstrittene Rechtsfragen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden sollten", so erscheint dem Senat aufgrund der o.g. Darlegungen die Rechtslage klar genug. Ein Widerspruch zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Februar 2008 (1 BvR 1807/07 - NJW 2008, 1060 = EuGRZ 2008, 215) liegt deshalb nicht vor. [...]