VG Dresden

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Zitieren als:
VG Dresden, Beschluss vom 19.12.2008 - 3 L 1895/08 - asyl.net: M15032
https://www.asyl.net/rsdb/M15032
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Abschiebung, Folgenbeseitigungsanspruch, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung, Duldung, Ausreisepflicht, Abschiebungshindernis, Abschiebungsandrohung, Grenzübertrittsbescheinigung
Normen: VwGO § 123 Abs. 1; AufenthG § 60a Abs. 5 S. 4
Auszüge:

[...]

Die Anträge haben keinen Erfolg. Soweit der Antragsgegner zu 1 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet werden soll, die am 5. Dezember 2008 abgeschobenen Antragsteller aus Serbien zurückzuholen, ist jedenfalls kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO).

Die Antragsteller haben nicht glaubhaft gemacht, dass ihnen Folgenbeseitigungsansprüche hinsichtlich der erfolgten Abschiebungen zur Seite stehen.

Der in § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO vorausgesetzte Folgenbeseitigungsanspruch, der verfassungsrechtlich verankert ist (etwa Art. 20 Abs. 3, 19 Abs. 4 GG und Grundrechte, vgl. BVerwG, Urteil vom 26. August 1993 und 23. Mai 1989, BVerwGE 94, 100 und 82, 76 S. 95) und als allgemeiner Rechtsgedanke in mehreren Schadensersatzansprüchen bei Vollstreckung nachträglich aufgehobener Titel zum Ausdruck kommt (etwa §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO), erfasst die rechtswidrigen Folgen einer Amtshandlung der vollziehenden Gewalt (grundsätzlich: BVerwG, Urteil vom 19. Juli 1984, BVerwGE 69, 366). Er zielt allerdings auf die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands ab, der ohne den rechtswidrigen Eingriff unverändert bestünde, knüpft also nicht an die Rechtswidrigkeit des Eingriffsakts an, sondern an die Rechtswidrigkeit des dadurch geschaffenen Zustands, der sich wieder mit der Rechtslage decken soll (BVerwGE 82, 76). In diesem Sinne ist aber im vorliegenden Fall kein andauernder rechtswidriger Zustand geschaffen worden (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. September 1988, BVerwGE 80, 178) und eine Pflicht zur Folgenbeseitigung kann nicht zur maßgebenden Rechtslage in Widerspruch treten (BVerwG, Urteil vom 6. März 1987, NVwZ 1988, 155; VG Stuttgart, Beschluss vom 1. Juli 2003, 11 K 2173/03, Juris, Rdnr. 3).

Die vollzogene Abschiebung hat nicht zu einem rechtswidrigen Zustand geführt. Die Antragsteller hielten sich vor ihrer Abschiebung unerlaubt im Bundesgebiet auf und waren nach rechtskräftiger Ablehnung ihrer Asylanträge seit mehreren Jahren vollziehbar ausreisepflichtig. Sie verfügten weder über Aufenthaltstitel oder einen Anspruch darauf, noch standen ihnen Abschiebungshindernisse oder Duldungsgründe zur Seite.

Der Antragsteller zu 2 geht zu Recht davon aus, dass die Antragsteller nicht der VwV Bleiberecht 2006 unterfallen, da insoweit ein Ausschluss nach Maßgabe der Ziffer II Nr. 1 Buchstabe b der Regelung vorliegt. Danach sind Ausländer von der Bleiberechtsregelung ausgeschlossen, wenn sie die behördlichen Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vorsätzlich hinausgezögert oder behindert haben. [...]

Dass der Heimreise der Antragsteller keine zielstaatsbezogenen Hindernisse entgegen standen, hat bereits das damalige Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge bzw. für Migration und Flüchtlinge bestandskräftig festgestellt. Daneben lagen auch keine rechtlichen oder tatsächlichen Ausreise- oder Abschiebehindernisse (vgl. §§ 25 Abs. 5, 60 a Abs. 2 AufenthG) vor, die sich für den Antragsgegner zu 1 als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis dargestellt hätten. [...]

Würde man in dieser Situation den Antragstellern die (sofortige) Rückreise in die Bundesrepublik ermöglichen, dürften sie nicht besser gestellt sein als vor ihrer Abschiebung am 5. Dezember 2008, wären also wiederum vollziehbar ausreisepflichtig. Der Antragsgegner zu 1 wäre wiederum gehalten, die Ausreisepflicht durchzusetzen und die Antragsteller ggf. nach dem Erlass entsprechender Abschiebungsandrohungen erneut abzuschieben. Insofern kann es für die erstrebten Folgenbeseitigungsansprüche also nicht darauf ankommen, ob – wie der Antragstellervertreter meint – die Abschiebung rechtswidrig war, weil in den letzten 12 Monaten keine neue Abschiebungsandrohung ergangen ist. Insoweit übersieht der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller allerdings ohnehin, dass § 60 a Abs. 5 Satz 4 AufenthG vorliegend nicht einschlägig ist. Nach dieser Vorschrift ist eine Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen, wenn die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt war. Die Antragsteller verfügten aber bereits seit Mai 2006 nicht mehr über Duldungen, d.h. ihre Abschiebung war nicht vorübergehend ausgesetzt (siehe dazu die Legaldefinition der Duldung als vorübergehende Aussetzung der Abschiebung in § 60 a Abs. 2 AufenthG). In den ihnen ausgehändigten Grenzübertrittsbescheinigungen wurden sie ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich dabei u.a. nicht um eine Duldung handele. Es bestehe kein Vertrauensschutz, eine Abschiebung könne auch innerhalb der Gültigkeit der Grenzübertrittsbescheinigung erfolgen. [...]