LSG Niedersachsen-Bremen

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Zitieren als:
LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 18.12.2008 - L 11 AY 117/08 ER u. - asyl.net: M15034
https://www.asyl.net/rsdb/M15034
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt, Dauerwirkung, Verwaltungsakt, Bewilligungsbescheid, Widerspruch
Normen: SGG § 86a Abs. 1; AsylbLG § 2 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Die Beschwerden sind auch begründet.

Das SG Osnabrück hat zu Unrecht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 28. August 2008 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 12. August 2008 war festzustellen. Die Antragsteller haben ihr Antragsbegehren im Rahmen des am 29. August 2008 gestellten Antrages auf einstweiligen Rechtsschutzes zwar dahingehend formuliert, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern ab dem 1. September 2008 bis zur Entscheidung über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 12. August 2008 Leistungen gemäß § 2 AsylbLG sowie weiterhin Krankenversicherungsschutz zu gewähren. Da aber Widerspruch und Anfechtungsklage gemäß § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung haben, weil durch den angefochtenen Bescheid eine Regelung mit Dauerwirkung aufgehoben worden ist, ist der Antrag der Antragsteller dahingehend auszulegen, dass sie die Feststellung der aufschiebenden Wirkung begehren. Rechtsgrundlage für dieses Antragsbegehren ist eine entsprechende Anwendung des § 86a Abs 1 Satz 1 SGG.

Entgegen der Ansicht des SG Osnabrück spricht weit Überwiegendes dafür, dass durch den hier mit Widerspruch vom 28. August 2008 angefochtenen Bescheid vom 12. August 2008 eine Regelung mit Dauerwirkung aufgehoben wurde. Die vorangegangenen Bescheide vom 5. Oktober 2006 und vom 22. Mai 2008, mit denen Leistungen nach § 2 AsylbLG "ab dem 01.12.2006" bzw. "ab dem 01.06.2008" bewilligt worden waren, enthielten nämlich keine zeitliche Begrenzung und auch keinen Hinweis auf eine grundsätzlich nur monatsbezogene Bewilligung; Letzteres lässt sich auch nicht allein daraus herleiten, dass diesen Bescheiden jeweils eine Berechnung für den nächsten Leistungsmonat beigefügt war. Damit enthält der angefochtene Bescheid vom 12. August 2008 inhaltlich eine Aufhebungsentscheidung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X für die Zukunft. Dieses wird auch dadurch deutlich, dass der Antragsgegner selbst auch folgende Regelung getroffen hat: "Der Bescheid vom 24.03.2006 verliert ab dem 01.09.2008 seine Gültigkeit". Dabei ist es unerheblich, dass es keinen "Bescheid vom 24.03.2006" gibt, der den Leistungsbezug nach § 2 AsylbLG geregelt hat; vielmehr wurden erstmals durch den Bescheid vom 5. Oktober 2006 Leistungen nach § 2 AsylbLG zugesprochen. Bei dieser Entscheidungslage entwickelt der Widerspruch vom 28. August 2008 gemäß § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung. Diese entfällt auch nicht kraft Gesetzes, weil die insoweit in Betracht kommende Ausnahmeregelung des § 86 a Abs. 2 Nr. 3 SGG hier nicht greift, weil es sich bei der Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG nicht um eine Angelegenheit der Sozialversicherung handelt. Der Antragsgegner hat auch nicht die sofortige Vollziehung angeordnet.

Da damit der Widerspruch gegen den Bescheid vom 12. August 2008 bereits aufschiebende Wirkung hat, bedürfte es eigentlich keines vorläufigen Rechtsschutzes. Da vorliegend aber der Antragsgegner die Weitergewährung von Leistungen in der bisherigen Höhe trotz des Widerspruchs verweigert, war ein einstweiliger Rechtsschutz mit dem Ziel der Feststellung der aufschiebenden Wirkung geboten. In Fällen, in denen die behördliche Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes trotz der bestehenden aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs erfolgt (faktische Vollziehung) oder eine solche faktische Vollziehung droht, ist vorläufiger Rechtsschutz nach § 86b Abs. 1 SGG statthaft, vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, FamRZ 2003, 1334, LSG NRW, Beschluss vom 10. März 2005, L 1 B 46/04 AL-ER, veröffentlicht in juris, Thüringer LSG, Beschluss vom 4. Februar 2005, L 3 AL 484/04 ER, veröffentlicht in juris; Hessisches LSG, Beschluss vom 28. Dezember 2004, L 6 AL 195/04 ER, veröffentlicht in juris; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. Oktober 2004, L 12 AL 4018/04 ERB, NZS 2005, 335, LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 8. Juni 2004, L 3 ER 29/04 AL, NZS 2005, 279ff; Sächsisches LSG, Beschluss vom 19. Januar 2004, L 3 B 130/03 AL-ER, veröffentlicht in juris. [...]