Die Abschiebungsankündigung gem. § 60 a Abs. 5 S. 4 AufenthG muss nicht dem Verfahrensbevollmächtigten gegenüber erfolgen; es ist einem Ausländer grundsätzlich zuzumuten, einen Abschiebungsversuch in einen vermutlich aufnahmebereiten Drittstaat (hier: Guinea) hinzunehmen.
Die Abschiebungsankündigung gem. § 60 a Abs. 5 S. 4 AufenthG muss nicht dem Verfahrensbevollmächtigten gegenüber erfolgen; es ist einem Ausländer grundsätzlich zuzumuten, einen Abschiebungsversuch in einen vermutlich aufnahmebereiten Drittstaat (hier: Guinea) hinzunehmen.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg.
Aus den von ihr dargelegten Gründen (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO) ist die angefochtene Entscheidung zu ändern und der Antrag des Antragstellers auf Gewährung einstweiligen Abschiebungsschutzes abzulehnen. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht der Antragsgegnerin vorläufig untersagt, den – nach illegaler Einreise im Jahre 2003 bestandskräftig ausgewiesenen und seitdem wegen fehlender Ausreisedokumente geduldeten – Antragsteller vor Erlass einer neuen Abschiebungsankündigung in die Republik Guinea abzuschieben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Eine Abschiebung des Antragstellers sei zur Zeit rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin, die seinen Aufenthalt im Bundesgebiet länger als ein Jahr geduldet habe, ihm die Abschiebung nicht ordnungsgemäß angekündigt habe. Zwar sei dem Antragsteller bei seiner Anhörung am 3. Juni dieses Jahres die Abschiebung nach Guinea nach wiederholter Duldung (erneut) angedroht und insoweit die Frist des § 60 a Abs. 5 Satz 4 AufenthG eingehalten worden. Diese Ankündigung sei jedoch nicht ordnungsgemäß gewesen. Denn sie sei weder gegenüber dem damaligen, der Antragsgegnerin bekannten Verfahrensbevollmächtigen des Antragstellers erfolgt noch sei der Bevollmächtigte zumindest nachrichtlich von der Ankündigung der Abschiebung in die Republik Guinea in Kenntnis gesetzt worden. Darin liege ein Verstoß gegen § 14 Abs. 3 HmbVwVfG. Dieser Verstoß sei auch nicht als bloße Formverletzung unbeachtlich, da § 14 Abs. 3 HmbVwVfG die verfassungsrechtlich gebotene Herstellung der "Waffengleichheit" zwischen Verwaltung und Bürger bezwecke.
Gegen diese Begründung für die Gewährung einstweiligen Abschiebungsschutzes bringt die Antragsgegnerin mit der Beschwerde im Wesentlichen vor: Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von einem Verstoß gegen § 14 Abs. 3 HmbVwVfG ausgegangen. Diese Vorschrift sei nur im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens im Sinne von § 9 HmbVwVfG beachtlich. Hierbei handele es sich jedoch ausschließlich um die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlichrechtlichen Vertrages gerichtet sei. Im vorliegenden Verfahren ginge es jedoch lediglich um einen Realakt, auf den deshalb § 14 Abs. 3 HmbVwVfG nicht anzuwenden sei.
Damit wird die tragende Begründung der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts ernsthaft in Zweifel gezogen. Denn zum einen ist unstreitig, dass die in § 60 a Abs. 5 Satz 4 AufenthG für den Fall einer längerfristigen Aussetzung der Abschiebung eines an sich vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers, der dieser Pflicht nicht freiwillig nachkommt, vorgesehene Ankündigung der Abschiebung in einen aufnahmebereiten Staat selbst kein (anfechtbarer) Verwaltungsakt, sondern – wie die Abschiebung selbst – ein schlichter Realakt ist (vgl. etwa OVG Bautzen, Beschl. v. 10.9.2004, SächsVBl 2005, 13, 14; VGH München, Beschl. v, 12.8.2004, 24 CE 04.1958, juris; VGH München, Urt. v. 15.12.2003, InfAuslR 2004, 252 f.; Funke-Kaiser, GK-AufenthG, § 60 a Rdn. 254, m.w.N.). Auf solche Realakte der Verwaltung ist zum anderen nach der insoweit eindeutigen Regelung in § 9 HmbVwVfG die Vorschrift über die Beteiligung von Bevollmächtigen und Beiständen nach § 14 Abs. 3 HmbVwVfG nicht anzuwenden. Damit ist der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, die hiervon ausgegangen ist und daraus auf eine nicht ordnungsgemäße Abschiebungsankündigung geschlossen hat, die maßgebliche Grundlage entzogen.
Dem Antragsteller ist der begehrte vorläufige Rechtsschutz gegen seine für den morgigen Tag (5.12.2008) vorgesehene Abschiebung nach Guinea aber auch nicht aus anderen Gründen zu gewähren, die bei der danach gebotenen Vollprüfung seines Begehrens gegebenenfalls zu berücksichtigen sein könnten.
Insoweit könnte zunächst zu erwägen sein, ob die Regelung des § 14 Abs. 3 HmbVwVfG auf die in § 60 a Abs. 5 Satz 4 AufenthG vorgesehene Ankündigung der Abschiebung für den hier unstreitig vorliegenden Fall der Duldung von mehr als einem Jahr zumindest entsprechend anzuwenden ist (vgl. hierzu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Auflage, Rdn. 6). Hierfür sind aber weder einfachgesetzliche Gründe ersichtlich noch ist die sinngemäße Anwendung der Regelung über die Beteiligung von Bevollmächtigten und Beiständen im Rahmen einer Abschiebungsankündigung verfassungsrechtlich geboten. [...]
Dem Antragsteller ist der begehrte vorläufige Schutz vor einer Abschiebung nach Guinea auch nicht aus anderen Gründen zu gewähren. Das gilt sowohl im Hinblick auf seine Behauptung, er komme aus Burkina Faso und er besitze nicht die Staatsangehörigkeit der Republik Guinea, als auch für seinen Einwand, hinsichtlich des vorgesehenen Zielstaates der Abschiebung bestünden Abschiebungshindernisse. Dazu im Einzelnen:
Die (Ermessens-) Entscheidung der Antragsgegnerin betreffend die Wahl des Zielstaates der Abschiebung ist entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht deshalb fehlerhaft, weil er nach seinen Angaben aus Burkina Faso stamme und keine Bindungen nach Guinea habe. Weder aus dem einfachen (Aufenthalts-) Recht noch aus höherrangigem Recht lässt sich – etwa unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – eine entsprechende Einschränkung des Entschließungsermessens der Antragsgegnerin bei ihrer Entscheidung ableiten, in welchen Staat sie einen vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer abschieben will (vgl. Beschl. d. Senats v. 6.9.2006, 4 Bs 251/06; v. 14.9.2006, 4 Bs 228/06; v. 26.3.2007, 4 Bs 71/07). Vielmehr lässt es das Aufenthaltsgesetz ausdrücklich zu, dass ein Ausländer, der – wie der Antragsteller – einer vollziehbaren Ausreiseverpflichtung nicht nachkommt, auch in einen (Dritt-) Staat abgeschoben wird, in den er freiwillig einreisen darf (§§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Das Gesetz stellt hierfür neben der Aufnahmebereitschaft bzw. einer Aufnahmeverpflichtung des Zielstaates der Abschiebung keine weiteren Voraussetzungen wie etwa das Bestehen von Bindungen zu diesem Staat auf, und solche folgen auch nicht aus höherrangigem Recht. Soweit sich ein Ausländer wie hier – einerseits – in einem Staat aufhält, den er auf Grund einer ausländerrechtlichen Entscheidung unverzüglich zu verlassen hat (Ausweisungsverfügung vom 27.6.2003), und dieser Ausländer – andererseits – auf Grund einer ausdrücklichen Erlaubnis in einen anderen Staat einreisen darf, spricht nichts dafür, dass die Abschiebung des Ausländers in diesen Staat allein deshalb willkürlich bzw. unverhältnismäßig ist, weil er dessen Staatsangehörigkeit nicht besitzt bzw. zu dem Zielstaat der Abschiebung keine Bindungen bestehen (vgl. Beschl. d. Senats v. 6.9.2006, a.a.O.; v. 26.3.2007, a.a.O.).
Im vorliegenden Fall ist angesichts des Vorhandenseins einer Übernahmeerklärung der Immigrationsabteilung der am Flughafen Conakry (Guinea) ansässigen Polizeidienststelle davon auszugehen, dass dem Antragsteller, der über ein "TITRE DE VOYAGE" für die Rückführung verfügt, die Einreise in die Republik Guinea über den Flughafen Conakry gestattet werden wird.
Im Übrigen ist dem Antragsteller der begehrte Abschiebungsschutz auch nicht deshalb zu gewähren, weil aus den vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss genannten Gründen die Möglichkeit bestehen könnte, dass dem Antragsteller die Einreise nach Guinea verweigert wird. Denn es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Beschwerdegerichts (vgl. z. B. Beschl. v. 26.3.2004, 3 Bs 93/04; Beschl. v. 28.12.2004, 3 Bs 575/04, juris, Leitsatz NordÖR 2005, 346; Beschl. v. 26. 3.2007, 4 Bs 71/07; Beschl. v. 27.4.2007, 4 Bs 59/07), dass die Abschiebung eines Ausländers mit ungeklärter Staatsangehörigkeit nicht wegen der Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass ihm bei seiner Ankunft im Zielstaat der Abschiebung von den dortigen Behörden (etwa wegen fehlender bzw. nicht ausreichender Personalersatzpapiere) die Einreise in das Land verweigert wird und somit der Rücktransport des Ausländers nach Deutschland erfolgen muss. Die Nachteile eines erfolglosen Abschiebungsversuchs sind als solche für den Ausländer nicht so groß, dass die Antragsgegnerin zu verpflichten wäre, vor der Abschiebung sicherzustellen, dass er im Zielstaat der Abschiebung Aufnahme findet. Vor diesen Nachteilen wäre der Ausländer allenfalls zu bewahren, wenn es als ausgeschlossen erscheint, dass eine Einreise in den Zielstaat der Abschiebung erfolgen kann. [...]