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VG Ansbach

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Zitieren als:
VG Ansbach, Beschluss vom 03.12.2008 - AN 5 S 08.01863 - asyl.net: M15064
https://www.asyl.net/rsdb/M15064
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt, Verwaltungsgericht, Zuständigkeit, örtliche Zuständigkeit, Regierung von Mittelfranken, Zentrale Rückführungsstelle, Überwachung ausgewiesener Ausländer, Wohnsitzauflage, Krankheit, psychische Erkrankung, medizinische Versorgung, Zwangstherapie
Normen: VwGO § 80 Abs. 5; VwGO § 52 Nr. 3; VwGO § 52 Nr. 5; ZustVAuslR § 5 Abs. 5; ZustVAuslR § 3 Abs. 3 Nr. 2; AufenthG § 54a Abs. 3; AufenthG § 54a Abs. 5
Auszüge:

[...]

Der nach § 80 Abs. 5 VwGO mit dem Ziel gestellte Antrag, dass der Antragsteller zunächst nicht nach ... umziehen muss, ist zulässig und begründet. [...]

1.1. Das Verwaltungsgericht Ansbach ist gemäß § 52 Nr. 3 Sätze 2 und 3 und Nr. 5 VwGO örtlich zuständig. Die Regierung von Mittelfranken hat als für die Regierungsbezirke Mittelfranken, Oberfranken, Unterfranken und Oberpfalz örtlich zuständige Zentrale Rückführungsstelle Nordbayern (§ 5 Abs. 5 Satz 1 ZustVAuslR) von der Befugnis in § 3 Abs. 3 Nr. 2 ZustVAuslR Gebrauch gemacht und im Rahmen des dort genannten Umfangs die ausländerbehördliche Zuständigkeit auf sich übergeleitet. Als Zentrale Rückführungsstelle Nordbayern erstreckt sich ihre Zuständigkeit auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke (§ 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO). Beschwert von den streitgegenständlichen Verfügungen der Regierung ist der Antragsteller, der seinen Wohnsitz (außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde, vgl. § 54 a Abs. 3 AufenthG) in ... in Niederbayern hat. Nachdem damit ein Wohnsitz des Beschwerten innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Zentrale Rückführungsstelle Nordbayern fehlt, ist das Verwaltungsgericht Ansbach als das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte bzw. Antragsgegner seinen Sitz (Ansbach) hat (§ 52 Nr. 3 Satz 3 i.V.m. Nr. 5 VwGO). Sachlich ist das Verwaltungsgericht Ansbach als Gericht der Hauptsache (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO) gemäß §§ 40, 45 VwGO zuständig, da eine anderweitige erstinstanzliche Zuständigkeit in den §§ 46 ff. VwGO nicht geregelt ist.

1.2. Der Antrag ist statthaft, da der Bescheid der Regierung von Mittelfranken vom 17. Oktober 2008 in Ziffer I gemäß § 54 a Abs. 3, Abs. 5 Satz 2 AufenthG kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist und die Regierung von Mittelfranken für die Ziffern II und III in Ziffer V des angefochtenen Bescheides gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat.

2. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist auch begründet. [...]

2.1. Soweit der Antrag sich gegen die kraft Gesetzes bestehende sofortige Vollziehbarkeit der Anordnung in Ziffer I des angefochtenen Bescheides richtet, ist dem Antrag stattzugeben, da nach der in diesem Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage offen ist, ob die von der Regierung gemäß § 54 a AufenthG getroffene Ermessenentscheidung rechtmäßig ist. Maßgeblich ist insoweit auf die Sach- und Rechtslage der (letzten) Behördenentscheidung, d.h. hier den 17. Oktober 2008, abzustellen, da es sich im Hauptsacheverfahren um eine Anfechtungsklage gegen eine Ermessensentscheidung handelt.

Die Stadt . . . hat den Antragsteller mit unanfechtbarem Bescheid vom 28. Juli 2003 aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen. Ebenso unanfechtbar hat die Stadt ... mit Bescheid vom 9. Mai 2005 Auflagen auf der Grundlage des § 54 a AufenthG bezüglich des Wohnortes, der Aufenthaltsbeschränkung und der Beschränkung von Kommunikationsmitteln gegenüber dem Antragsteller verfügt. Der Regierung von Mittelfranken, die die ausländerbehördliche Zuständigkeit von der Stadt ... in dem ihr nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 ZustVAuslR eingeräumten Umfang auf sich übertragen hat, steht für Anordnungen für Überwachungsmaßnahmen nach § 54 a AufenthG ein Beurteilungsspielraum für die durchzuführende Gefahrenprognose und nach § 54 a Abs. 3 AufenthG ein Ermessensspielraum bei der Verpflichtung des Ausländers, an einem bestimmten Ort zu wohnen, zu.

Die Regierung hat selbst ausgeführt, dass sicherheitsrechtliche Gründe nicht die Ursache für die Umzugsanordnung sind, sondern dem Antragsteller ein besserer Zugang zu einer geeigneten medizinischen Behandlung eröffnet werden sollte. Selbst wenn zu Beginn der Überlegungen, insbesondere zu dem Zeitpunkt, als der Bevollmächtigte des Antragstellers beantragt hatte, dem Antragsteller eine Behandlung in ... zu ermöglichen, sicherheitsrelevante Gründe dafür ausschlaggebend gewesen sein mögen, diesem Begehren nicht Rechnung zu tragen, und, wie aus den vorgelegten Behördenakten ersichtlich, sich die Regierung intensive Gedanken darüber gemacht hat, wo ein geeignetes Klinikum oder sonstige ärztliche Versorgungsmöglichkeiten für die psychische Erkrankung des Klägers gegeben sein könnten, stellt sich zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung, auf den entscheidend abzustellen ist, die Situation anders dar. Aus der Stellungnahme des Bezirksklinikums vom 22. August 2008, an dessen fachlicher Richtigkeit das Gericht keinen Anlass zu zweifeln hat, ergibt sich eindeutig, dass eine Verlegung des Antragstellers gegen seinen Willen mit dem Zwang, sich neue Therapeuten suchen zu müssen, per se ein Paradoxon darstelle und praktisch undurchführbar sei. Ob die Regierung deshalb verpflichtet gewesen wäre, vor Erlass des angefochtenen Bescheides zu klären, ob eine psychotherapeutische Behandlung in der Praxis ... nicht doch möglich ist (wie sich in der Folgezeit bestätigt hat) oder wo es sonst Behandlungsmöglichkeiten für den Antragsteller gegeben hätte, die mit keiner Zwangsbehandlung verbunden sind, kann in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keiner abschließenden Klärung zugeführt werden. Festzustellen ist jedoch, dass die von der Regierung getroffene Ermessensentscheidung, für deren Erlass ausdrücklich nicht sicherheitsrechtliche Erwägungen ausschlaggebend waren, sondern Gründe der Gesundheitsfürsorge für den Antragsteller, nicht geeignet ist, zu einer Stabilisierung des Gesundheitszustands des Antragstellers oder einer Besserung beizutragen, sondern eher zu einer Verschlechterung.

Ohne dass es entscheidungserheblich hier darauf ankommt, wird diese Einschätzung durch die weitere – nach Erlass des angefochtenen Bescheides eingegangene – ärztliche Stellungnahme vom 13. November 2008, in der inhaltlich im Wesentlichen gleichlautend ausgedrückt wird, dass eine Zwangstherapie therapeutisch kontraproduktiv wäre, bestärkt. [...]

Danach überwiegt nach Auffassung der Kammer das Interesse des Antragstellers am einstweiligen Verbleib in der Gemeinschaftsunterkunft ... das Interesse des Antraggegners einen sofortigen Umzug des Antragstellers. Würde ein Umzug des Antragstellers sofort stattfinden müssen, würden Fakten geschaffen, deren Folgen, vor allem gesundheitlicher Art, möglicherweise nicht mehr gutzumachen sein könnten. Da andererseits – wie ausgeführt – sicherheitsrechtliche Belange den sofortigen Umzug nicht erfordern, war die aufschiebende Wirkung insoweit anzuordnen.

2.2. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Verfügungen in den Ziffern II und III des angefochtenen Bescheides ist wiederherzustellen, da sie zum einen als begleitende Verfügungen zu der Umzugsanordnung in Ziffer I des angefochtenen Bescheides bezüglich der Vollziehbarkeit dessen rechtliches Schicksal teilen, zum anderen aber auch, sollten sie völlig losgelöst von der Anordnung in Ziffer I des angefochtenen Bescheides zu sehen sein, eine ausreichende Begründung für ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung (§ 80 Abs. 3 VwGO) nicht gegeben ist. [...]