VG Düsseldorf

Merkliste
Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2008 - 5 K 6233/08.A - asyl.net: M15108
https://www.asyl.net/rsdb/M15108
Leitsatz:

Asyl- und Flüchtlingsanerkennung eines früheren Kämpfers der iranischen Volksmudjahedin, der zunächst im irakischen Lager Ashraf und später im Lager TIPF lebte, wegen Gefahr einer unverhältnismäßigen Strafverfolgung; kein Ausschluss der Anerkennung wegen des "Terrorismusvorbehalts" oder wegen schwerer nichtpolitischer Straftaten gem. § 3 Abs. 2 AsylVfG, da sich der Betroffene glaubhaft von den Volksmudjahedin losgesagt hat.

 

Schlagwörter: Iran, Volksmudjahedin, Kämpfer (ehemalige), Irak, Lager Ashraf, Lager TIPF, Regimegegner, Strafe, Strafverfahren, Todesstrafe, Terrorismus, Terrorismusvorbehalt, Politmalus, Amnestie, Glaubwürdigkeit, Wiederholungsgefahr, schwere nichtpolitische Straftat, Operation "Ewiges Licht", Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Ermessen
Normen: GG Art. 16a Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1; AufenthG § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2; AsylVfG § 31 Abs. 3 S. 2
Auszüge:

Asyl- und Flüchtlingsanerkennung eines früheren Kämpfers der iranischen Volksmudjahedin, der zunächst im irakischen Lager Ashraf und später im Lager TIPF lebte, wegen Gefahr einer unverhältnismäßigen Strafverfolgung; kein Ausschluss der Anerkennung wegen des "Terrorismusvorbehalts" oder wegen schwerer nichtpolitischer Straftaten gem. § 3 Abs. 2 AsylVfG, da sich der Betroffene glaubhaft von den Volksmudjahedin losgesagt hat.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Soweit es um die Ansprüche auf die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geht, ist der angefochtene Bescheid des Bundesamtes rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO). Denn der Kläger hat einen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter (I.) und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (II.). Infolgedessen sind nicht nur die diese Ansprüche ablehnenden Ziffern 1. und 2. des angefochtenen Bescheides rechtswidrig, sondern auch dessen Ziffern 3. und 4. (III.); sie waren dementsprechend aufzuheben.

I. [...]

Der Kläger hat in den Jahren ... an dem bewaffneten Kampf der MEK/Volksmudjaheddin gegen das Regime in Teheran vom Irak aus teilgenommen und war dabei auch in Kampfhandlungen gegen iranische Sicherheitskräfte verwickelt; in den Folgejahren hat er sich bis in das Jahr ... hinein in Lagern der MEK im Irak aufgehalten und ist für diese Organisation weiter in untergeordneter Stellung ... geblieben, ohne sich an Kampfeinsätzen zu beteiligen. Erst im Laufe des Jahres ... ist er von dem - von der MEK-Organisation beherrschten - Lager Ashraf in das Lager TIPF gewechselt, das die amerikanischen Truppen im Irak für Personen eingerichtet haben, die sich von der MEK lösen wollten. Insbesondere der Aufenthalt im Lager TIPF wird durch die im Verfahren abgegebene Stellungnahme des UNHCR vom ... bestätigt, bei dem sich der Kläger während dieser Zeit um eine Flüchtlingsanerkennung bemüht hat.

Ausgehend von dieser Sachlage drohen dem Kläger bei einer Rückkehr in den Iran wegen seiner Aktivitäten für die MEK, die der Umsetzung seiner regimefeindlichen politischen Überzeugungen dienten, und in Anknüpfung daran grundsätzlich einen Asylanspruch vermittelnde erhebliche Gefahren zumindest für das asylrelevante Schutzgut der persönlichen Freiheit. Denn eine nach außen wirksame aktive politische Betätigung, die erkennbar den Sturz des Regimes oder des islamischen Systems zum Ziel hat, wird strafrechtlich nach Art. 183 - 196 iranisches StGB strikt verfolgt. Dabei sind Strafen bis hin zur Todesstrafe vorgesehen (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Lagebericht) vom 18. März 2008 (S. 12 f.)).

Der damit grundsätzlich gegebene Asylanspruch des Klägers ist auch nicht aus besonderen Gründen ausgeschlossen.

a. Dem Asylanspruch steht nicht entgegen, dass dem Kläger im Iran eine Bestrafung wegen seiner aktiven Beteiligung an dem bewaffneten Kampf gegen das dortige staatliche Regime droht. Denn die drohende Bestrafung geht über das Maß hinaus, das der Sanktion der kriminellen Komponente derartiger Kampfhandlungen, deren Strafwürdigkeit der Staatenpraxis geläufig ist, dient. [...]

Mitglieder der Volksmudjaheddin, die sich - wie der Kläger - vom Irak aus lange Zeit aktiv am bewaffneten Kampf gegen die Islamische Republik Iran beteiligt haben und bis ins Jahr 2007 hinein in dem MEK-Lager Ashraf im Irak verblieben sind, das den amerikanischen Truppen nach dem Sturz des irakischen Regimes im Jahre 2003 zur Unterbringung und Bewachung von MEK-Mitgliedern diente, die der Organisation nicht abtrünnig wurden (vgl. zu den Aufgaben der Lager Ashraf und TIPF (amerikanisches Lager für lösungswillige MEK-Mitglieder im Irak); Stellungnahme des UNHCR zu dem Fall Faramaz Maftoon vom 10. September 2008), müssen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen, das ihnen bei ihrer Bestrafung ein "Politmalus" zugemessen wird.

Dafür sprechen zum einen die äußerst harten Strafen, die MEK-Mitglieder zu gewärtigen haben. Nach Art. 186 iStGB wird jeder, der (auch nur) Mitglied oder Unterstützer einer Gruppierung ist, die - wie die MEK es tat - einen bewaffneten Aufstand gegen die islamische Regierung im Sinn hat, zum "Feind Gottes" (mohareb) erklärt. Dafür sind nach Art. 190 iStGB als Höchststrafen vorgesehen: Todesstrafe, Verstümmelung, Kreuzigung oder Verbannung. Diese Strafdrohung gilt selbst dann, wenn die Mitglieder oder Unterstützer nicht im militärischen Zweig der Gruppe mitarbeiten. [...]

Die nicht zwischen Haupttätern und bloßen Unterstützern differenzierende, tatbestandlich nicht nach dem Gewicht der mit der Straftat einhergehenden Rechtsgutbeeinträchtigung unterscheidende gesetzliche Strafdrohung zeigt, dass es dem Strafgesetzgeber bei der Bekämpfung der MEK nicht (allein) um den Rechtsgüterschutz, sondern (auch) um die Bekämpfung des politischen Gegners geht und dieser für seine Taten härter bestraft werden soll als ein nichtpolitischer Täter, der ähnliche - nicht politische - Straftaten von vergleichbarer Gefährlichkeit im Iran begeht.

Diese Einschätzung wird bestätigt durch den Umstand, dass die Volksmudjaheddin nach wie vor die "verhasstesten innenpolitischen Oppositionellen" des Iran sind, weil ihnen wegen ihrer Unterstützung des Irak in dessen Krieg gegen den Iran der "Geruch des Hoch- und Landesverrates" anhaftet (vgl. Auskunft des Deutschen Orientinstitutes an das VG Stuttgart vom 5. Juli 2006, Az. 671 i/br, dort insbesondere S. 12 und 22 f.).

Bei dieser Sachlage kann nicht angenommen werden, dass die iranischen Gerichte sich bei der Strafzumessung - jedenfalls gegenüber solchen MEK-Kämpfern wie dem Kläger, die sich noch mehrere Jahre nach dem Sturz des Regimes im Irak in dem MEK-Lager Ashraf befanden und daher den Anschein besonders hartnäckiger Unterstützung der regimefeindlichen Organisation erwecken - von dieser Einordnung der MEK im Freund-Feind-Schema des iranischen Regimes mit der Folge frei machten, dass die aus den genannten Gründen anzunehmende beachtliche Gefahr einer Bestrafung mit Politmalus nicht bestünde.

Die daher gegebene Gefahr einer asylrelevanten, d.h. im oben dargestellten Sinne politisch motivierten Strafverfolgung des Klägers wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 18. März 2008 auf S. 13 zur aktuellen Verfolgungssituation für (ehemalige) MEK-Mitglieder Folgendes ausführt:

"Insbesondere gegen Mitglieder der Volksmudschaheddin (MEK) wurden in der Vergangenheit Strafen auch wegen bloßer Mitgliedschaft in der Organisation verhängt. Dabei war von Bedeutung, welchen Rang das Mitglied bei den Volksmudschaheddin hatte.

Nach der Ankündigung des Irakischen Regierungsrates von Anfang Dezember 2003, die ca. 5.000 noch im Irak befindlichen MEK-Mitglieder würden des Landes verwiesen, bestätigte Außenminister Kharrazi ein 2003 erstmalig ausgesprochenes Amnestieangebot für rückkehrende MEK-Anhänger am 13.05.2004.

Seit Dezember 2004 hat das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) über 500 Personen mit MEK-Vergangenheit aus dem Irak auf dem Landweg zurückgeführt, die - soweit bekannt - bislang von staatlicher Seite nicht weiter behelligt wurden. Das IKRK geht davon aus, dass lediglich einem harten Kern von rund 80 MEK-Kadern im Iran aufgrund von Anschlägen und ihrer Rolle im MEK-Gefüge Strafverfahren drohen. UNHCR berichtet über die Rückkehr von etwa 250 Personen in den Jahren 2003 und 2004, dass diese Personen gezwungen wurden, ihre Aktivitäten in der iranischen Opposition preiszugeben und Informationen über die Insassen des Camp Ashraf zu offenbaren. Im Camp Ashraf in Irak befinden sich immer noch mehrere Hundert MEK-Mitglieder, die dort von Soldaten der Koalitionsstreitkräfte bewacht werden."

Da der Kläger während seines Aufenthaltes im Irak nicht bloßer Mitläufer war, sondern sich nach seinen glaubhaften Angaben an Kampfaktionen gegen iranische Sicherheitskräfte beteiligt hatte und der sich durch seinen Verbleib im Lager Ashraf bis in das Jahr 2007 hinein nicht nach außen erkennbar von der MEK-Organisation gelöst hatte, wovon das Regime aufgrund seiner soeben mitgeteilten Befragungen auch Kenntnis haben dürfte, spricht nichts dafür, dass der Kläger bei der Rückkehr in den Iran in den Genuss der Amnestie kommen würde, zumal diese kämpferischen Aktivitäten vom iranischen Regime "bei Bedarf" ohne Weiteres als (terroristische) Mordanschläge oder Attentate gewertet werden könnten, für die keine Amnestie vorgesehen ist (vgl. zum Amnestieumfang: Lagebericht vom 3. März 2004, S. 16).

Das gilt insbesondere für die Teilnahme an der Aktion "Ewiges Licht", bei der er sich an der geplanten Erstürmung von Rundfunkgebäuden in Teheran beteiligt hat.

b. Dem Asylanspruch des Klägers steht auch nicht die andere Grenze der Asylgewährung entgegen, wonach die Asylverheißung für politische Straftäter dort endet, wo - unbeschadet der Neutralität des Asylrechts gegenüber politischen Überzeugungen - das Tun des Asylsuchenden wegen der von ihm eingesetzten Mittel von der Bundesrepublik Deutschland in Übereinstimmung mit der von ihr mitgetragenen Völkerrechtsordnung grundsätzlich missbilligt wird.

Die genannte Grenze ist überschritten, wenn der Asylsuchende seine politische Überzeugung unter Einsatz terroristischer Mittel betätigt hat, also insbesondere unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter. Asylbegründend ist die Verfolgung des politischen Feindes, nicht die Abwehr des Terrors. Repressive oder präventive Maßnahmen, die der Staat zur Abwehr des Terrorismus ergreift, sind deshalb keine politische Verfolgung im asylrechtlichen Sinne, wenn sie dem aktiven Terroristen, dem Teilnehmer im strafrechtlichen Sinne oder demjenigen gelten, der im Vorfeld Unterstützungshandlungen zugunsten terroristischer Aktivitäten vornimmt, ohne sich an diesen Aktivitäten zu beteiligen. Wenn aber sonstige Umstände - wie etwa die besondere Intensität der Verfolgungsmaßnahmen - darauf schließen lassen, dass der Betroffene gleichwohl wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt wird, oder wenn die staatlichen Maßnahmen über den bezeichneten Personenkreis hinaus sich etwa auf denjenigen erstrecken, der für die separatistischen oder sonstigen politischen Ziele eintritt, aber terroristische Aktivitäten nicht oder nur gezwungenermaßen unterstützt, so kann asylrelevante politische Verfolgung nach den oben entwickelten Grundsätzen insoweit gegeben sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86, 2 BvR 1000/86, 2 BvR 961/86 -, veröffentlicht in juris, dort Rdnrn. 54 - 55).

Nach Maßgabe dieser Grenze der Asylverheißung ist ein Asylanspruch hier nicht ausgeschlossen. Dabei kann offen bleiben kann, ob sich der Kläger bei seinem Kampf gegen das iranische Regime an terroristischen Aktionen im dargelegten Sinne beteiligt hat. Denn er wäre - wie oben dargelegt - bei einer Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer - an seine politische Überzeugung anknüpfenden - strafrechtlichen Verfolgung besonderer Intensität ausgesetzt, die die strafrechtliche Verfolgung von Gewalttaten der MEK im Iran als politische Verfolgung unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung erweist.

c. Ferner liegt es zwar auch außerhalb des Asylrechts, wenn für terroristische Aktivitäten nur ein neuer Kampfplatz gesucht wird, um sie dort fortzusetzen oder zu unterstützen. Demgemäß kann Asyl nicht beanspruchen, wer im Heimatland unternommene terroristische Aktivitäten oder deren Unterstützung von der Bundesrepublik Deutschland aus in den hier möglichen Formen fortzuführen trachtet; er sucht nicht den Schutz und Frieden, den das Asylrecht gewähren will. [...]

Dieser Asylausschlussgrund liegt aber ebenfalls nicht vor. Nach Überzeugung des Gerichtes bestehen - jedenfalls zur Zeit - keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger seine eventuellen terroristischen Aktivitäten für die MEK in Deutschland fortsetzen wollte. Dagegen spricht der Umstand, dass er sich nach schwerem Ringen und in der Erkenntnis, zwanzig Jahre seines Lebens einem falschen Ziel geopfert zu haben, noch im Irak im Laufe des Jahre ... von dieser Organisation gelöst hat. Diese Ablösung hat er durch seinen Übertritt in das Lager "TIPF" nach außen zum Ausdruck gebracht. Die Ernsthaftigkeit der Lösung hat er nach dem Eindruck, den das Gericht in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, überzeugend dargetan. Denn zum einen hat er detailliert und nachvollziehbar begründet, warum er trotz zunehmender Zweifel so lange Zeit bei der MEK verblieben ist und insbesondere noch nach dem Sturz des früheren irakischen Regimes in den Jahren ... im Lager Ashraf ausgeharrt hat (subjektive Alternativlosigkeit, psychologischer, auf die Ehrbegriffe des Klägers ausgerichteter Druck, kollektiver, mit Drohungen verbundener Druck, Gegenpropaganda der MEK gegen das Lager TIPF und die "Überläufer"). Zum anderen hat er seine heutige ablehnende Haltung zur MEK und zu seiner eigenen Beteiligung an deren Kampf glaubhaft dargelegt. Die Distanz, die der Kläger inzwischen zur MEK gefunden hat, kam für das Gericht insbesondere auch augenfällig durch die Ironie zum Ausdruck, mit der er die "volksbefreiende" Operation "Ewiges Licht" und vor allem seine damalige Bereitschaft, an den Erfolg dieses aus seiner heutigen Sicht militärisch aussichtslosen Unterfangens zu glauben, zu behandeln vermochte. Der erst sehr spät erfolgte Wechsel des Klägers in das Lager TIPF lässt zwar an die Möglichkeit denken, dass der Kläger sich nicht tatsächlich von der MEK gelöst, sondern vielmehr von den Volksmudjaheddin nach Europa geschickt worden ist, um von hier aus deren Kampf weiter zu unterstützen. Dagegen spricht aber, dass der Kläger auf dem Luftweg mit offenbar auffällig falschen Papieren eingereist ist und damit der Gefahr einer Einreiseverweigerung ausgesetzt war. Hätten die Volksmudjaheddin tatsächlich einen Funktionär in den Schengenraum einschleusen wollen, so hätten sie sicherlich die "sicherere" Schleusung über den Landweg gewählt. [...]

II. Der Kläger hat zudem einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG. Bei einer Rückkehr in den Iran wäre er auch den dazu erforderlichen Bedrohungen einer politischen Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt. Da die Anforderungen des § 60 Abs. 1 AufenthG an die Schutzgewährung dem Grunde nach nicht höher sind als die an die Asylgewährung, kann insoweit auf die bereits oben dargelegten Gründe Bezug genommen werden. [...]

Das Gericht teilt zwar auch aus den im angefochtenen Bescheid angeführten Gründen (vgl. dort insbesondere S. 3, 6. Absatz bis S. 6, 2. Absatz a.E.) die Einschätzung des Bundesamtes, dass der Kläger in der Vergangenheit durch seine kämpferischen Aktivitäten für die mit terroristischen Mitteln arbeitenden Volksmudjaheddin eine schwere nichtpolitische Straftat im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG begangen hat; dies dürfte jedenfalls für seine Teilnahme an der Operation "Ewiges Licht" gelten, bei der er eingesetzt war, um letztlich ein ziviles Ziel im Iran (Rundfunkanstalten) mit Waffengewalt anzugreifen und zu erobern.

Dennoch ist der Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG nicht erfüllt. Wie das OVG NRW in seinem (noch nicht rechtskräftigen) Urteil vom 27. März 2007 - 8 A 4728/05.A - (veröffentlicht in juris) zu § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG in der bis zum 27. August 2007 geltenden Fassung, die mit der Regelung in § 3 Abs. 2 AsylVfG heutiger Fassung i.W. inhaltsgleich war, entschieden hat, ist die dort geregelte Ausschlussklausel "in Anlehnung an die Empfehlungen des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) restriktiv auszulegen. Die danach hier allein in Betracht kommende 2. Alternative des § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG ist in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention bei gemeinschafts- und verfassungskonformer Auslegung dahin zu verstehen, dass der Ausschlussgrund nicht allein der Sanktionierung eines in der Vergangenheit von dem Ausländer begangenen schweren nichtpolitischen Verbrechens, sondern daneben auch der Gefahrenabwehr dient und eine am Sinn und Zweck der Vorschrift sowie am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte umfassende Würdigung des Einzelfalls erfordert. Der Ausschlussgrund des § 60 Abs. 8 Satz 2, 2. Alt. AufenthG kann daher entfallen, wenn von dem Ausländer unter keiner Betrachtungsweise mehr eine Gefahr ausgeht, etwa weil feststeht, dass er sich von allen früheren terroristischen Aktivitäten losgesagt hat oder er ... aus gesundheitlichen Gründen zu politischen Aktivitäten nicht mehr in der Lage ist." (vgl. juris Rdnr. 90)

Nach dieser Rechtsprechung findet die Ausschlussklausel mithin nur nach einer Würdigung des Einzelfalls im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung Anwendung. In diese Würdigung sind alle für die Beurteilung des kriminellen Charakters des Schutzsuchenden und des ihm angelasteten Verbrechens relevanten Faktoren einzubeziehen, mithin auch diejenigen Aspekte, die für die Beurteilung der Frage maßgeblich sind, ob der Betreffende - weiterhin - eine Gefahr für die geschützten Güter und Verfassungswerte darstellt (vgl. OVG NRW, Urteil vom 27, März 2007 - 8 A 4728/05.A -juris Rdnr. 196.

Aus den Gründen, die das VG Gelsenkirchen in seinem Urteil vom 4. März 2008 - 14a K 3288/06.A - (veröffentlicht in juris) dargelegt hat und die das erkennende Gericht teilt (vgl. zu diesen Gründen: VG Gelsenkirchen, a.a.O., juris Rdnr. 97 - 99), ist die - einer Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht noch unterliegende - o.a. Rechtsprechung des OVG NRW zu den Anforderungen an die Anwendbarkeit der Ausschlussklausel auch für § 3 Abs. 2 AsylVfG in der ab 28. August 2007 geltenden Fassung nicht überholt.

Da sich der Kläger nach seinen - wie oben dargelegt - glaubhaften Einlassungen im Verfahren von der MEK gelöst und endgültig abgewandt hat, geht von ihm - jedenfalls derzeit - keine Gefahr für die Güter und Verfassungswerte aus, deren Schutz die Ausschlussklausel dient. Die Klausel ist daher nicht einschlägig.

III. [...]

a. Die von dem Bundesamt ausgesprochene Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorlägen (Nr. 3 des angefochtenen Bescheides), war als rechtswidrig aufzuheben, weil dieser Ausspruch an einem Fehler in der Ermessensausübung leidet (§ 114 VwGO). Die Feststellung trägt nicht der Tatsache Rechnung, dass das Bundesamt wegen des - nach Auffassung des Gerichts - gegebenen Anspruches auf Anerkennung als Asylberechtigter und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 31 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG eine notwendige Ermessensentscheidung zu der Frage zu treffen hat, ob es mit Blick auf die bestehenden Schutzansprüche von Feststellungen zu § 60 Abs. 2 ff. AufenthG absehen will oder nicht. An einer solchen Ermessensausübung fehlt es hier offensichtlich. [...]