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Zitieren als:
BFH, Urteil vom 25.07.2001 - VI R 164/98 - asyl.net: M1521
https://www.asyl.net/rsdb/M1521
Leitsatz:

Die Bindungswirkung eines bestandskräftigen, die Gewährung von Kindergeld ablehnenden Bescheides beschränkt sich auf die Zeit bis zum Ende des Monats seiner Bekanntgabe. Auf einen danach erneut gestellten Antrag kann demzufolge Kindergeld auch rückwirkend ab dem auf die Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides folgenden Monat bewilligt werden.(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: D (A), Kindergeld, Rückwirkende Bewilligung, Erstantrag, Ablehnungsbescheid, Bindungswirkung, Erneuter Antrag
Normen: EStG § 62 Abs. 1; EStG § 63 Abs. 1; EStG § 63 Abs. 2; EStG § 66 Abs. 2; EStG § 70 Abs. 1; EStG § 70 Abs. 2; EStG § 70 Abs. 3
Auszüge:

Die Bindungswirkung des genannten Bescheides beschränkt sich auf die Zeit bis zu dem Ende des Monats, in dem er bekannt gegeben wurde.

Der Umfang der Bindungswirkung des Ablehnungsbescheides vom 23. Mai 1996 ergibt sich aus seinem Regelungsgehalt. Als Verwaltungsakt trifft er eine Regelung auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Bescheiderteilung. Er erschöpft sich damit in der Regelung des Anspruchs auf Kindergeld für den bis dahin abgelaufenen Zeitraum. Über die in der Zukunft liegenden und damit zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht entstandenen Kindergeldansprüche kann der Bescheid hingegen noch keine Regelung treffen. Eine in die Zukunft weisende Bindungswirkung kommt ihm demnach nicht zu (ebenso FG Bremen, Urteil vom 28. Januar 1999 49813K 1, EFG 1999, 847, 849; a.A. FG Hessen, Urteil vom 4. November 1998 2 K 6214/97, EFG 1999, 185, 186; D. Felix, Finanz-Rundschau - FR - 2001, 674, 60; nunmehr auch Schreiben des Bundesamtes für Finanzen - BfF - vom 14. September 2001 St/4 - S 2478 - 2/2001, BStBl I 2001, 615).

Eine Bindungswirkung für die Zukunft haben nach der gesetzlichen Konzeption des § 70 Abs. 1 bis 3 EStG nur positive Kindergeldfestsetzungen. Diese Vorschrift, die die Festsetzung von Kindergeld mit Wirkung für die Zukunft zulässt, gilt nicht für Ablehnungsbescheide.

Nach der Gesetzesbegründung soll die Vorschrift verhindern, dass die Familienkasse an eine als fehlerhaft erkannte Kindergeldfestsetzung gebunden bleibt (BTDrucks 13/3084, S. 21). Der Gesetzgeber hatte bei der Einführung der Vorschrift nur Fehler, die den Kindergeldberechtigten begünstigen, also positive Kindergeldfestsetzungen, im Blick. Entsprechend hat er eine Änderung nur für die Zukunft zugelassen, um dem betroffenen Kindergeldberechtigten Vertrauensschutz hinsichtlich der unrichtigen Beurteilung der Familienkasse für die Vergangenheit zu gewähren.

Es liegt damit an der Familienkasse, durch eine alsbaldige Änderung des materiell fehlerhaften Bescheides den Schaden möglichst gering zu halten. Im umgekehrten Fall der Ablehnung der Kindergeldfestsetzung ist eine Vertrauensschutzregelung nicht geboten. Der Gesetzgeber ist ersichtlich davon ausgegangen, dass eine Korrektur in der Weise möglich ist, dass der Berechtigte einen erneuten Kindergeldantrag stellt, dem die Behörde entsprechen muss, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld vorliegen.

Hätten Ablehnungsbescheide Wirkungen für die Zukunft, so dass eine Änderung nach Eintritt der Bestandskraft nur nach § 70 Abs. 2 und 3 EStG möglich wäre, so läge darin zudem eine unangemessene Benachteiligung derjenigen Berechtigten, die nur Anspruch auf Kindergeld haben, gegenüber solchen Eltern, denen alternativ ein Kinderfreibetrag zusteht. Letztere können unabhängig von der Bestandskraft eines Bescheides, mit dem die Gewährung von Kindergeld abgelehnt wird, stets noch rückwirkend die Gewährung des Kinderfreibetrages verlangen. Damit ist es nicht vereinbar, einem Berechtigten, bei dem sich der Kinderfreibetrag nicht auswirkt, nach Eintritt der Bestandskraft eines Ablehnungsbescheides sogar die Möglichkeit zu versagen, Kindergeld rückwirkend bis zu dem Monat nach Bekanntgabe des Bescheides zu beantragen.

Folglich ist nach Ergehen eines Ablehnungbescheides ein neuerlicher Antrag auf Gewährung von Kindergeld zulässig (ebenso FG Münster, Urteil vom 23. Oktober 2000 4 K 6362/98 Kg, EFG 2001, 82; Bergkemper, FR 2000, 136, 138; Siegers, EFG 2001, 83; nunmehr auf BfF in BStBl I 2001, 615; a.A.D. Felix, FR 2001, 674, 679). Dieser ist nach § 66 Abs. 2 EStG zu beurteilen. Damit ist auch eine rückwirkende Kindergeldfestsetzung bis zu dem auf den Monat der Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides folgenden Monats, hier also jedenfalls ab Juni 1996, zulässig.