VG Würzburg

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Zitieren als:
VG Würzburg, Urteil vom 15.01.2009 - W 3 K 07.30076 - asyl.net: M15226
https://www.asyl.net/rsdb/M15226
Leitsatz:

Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 AufenthG nach Äthiopien wegen Erkrankung an posttraumatischer Belastungsstörung.

 

Schlagwörter: Äthiopien, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Krankheit, psychische Erkrankung, Angsterkrankung, posttraumatische Belastungsstörung, medizinische Versorgung, Finanzierbarkeit
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 AufenthG nach Äthiopien wegen Erkrankung an posttraumatischer Belastungsstörung.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf die Feststellung, dass in seiner Person ein Abschiebungsverbot nach Äthiopien gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt. [...]

Aufgrund der Stellungnahme der Diplom-Psychologin vom 29. Dezember 2008 (Blatt 96 der Gerichtsakte) zweifelt das Gericht nicht daran, dass beim Kläger eine behandlungsbedürftige Angsterkrankung, bzw. eine posttraumatische Belastungsstörung vorliegt. Letztlich hat auch das Bundesamt im angefochtenen Bescheid die zweimalige Inhaftierung des Klägers in Äthiopien geglaubt (Seite 10 des Bescheids), die als auslösendes Moment für eine Angsterkrankung oder eine posttraumatische Belastungsstörung durchaus in Frage kommt. Zwar sind Angsterkrankungen wie auch posttraumatische Belastungsstörungen in Addis Abeba grundsätzlich behandelbar, allerdings mit hohen Kosten für den Patienten verbunden, die nur für Familien mit einem für äthiopische Verhältnisse hohen Einkommen (150 bis 200 EUR pro Monat) tragbar sein dürften (vgl. zu einem ähnlichen Fall VG München, U.v. 29.12.2006, Nr. M 12 K 03.51361 m.w.N.). Im Hinblick auf den für äthiopische Verhältnisse (bei Äthiopien handelt es sich um eines der ärmsten Länder der Welt) außergewöhnlich hohen Finanzierungsbedarf für die medizinische Behandlung einer Angsterkrankung oder posttraumatischen Belastungsstörung liegt nach Auffassung des Gerichts eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür vor, dass der Kläger eine solche Behandlung mangels entsprechender finanzieller Mittel tatsächlich nicht erhalten kann. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger in der Lage sein wird, die Behandlung seiner Erkrankung in Äthiopien zu finanzieren. Es ist auch zu erwarten, dass sich die vorhandene Erkrankung des Klägers aufgrund der fehlenden medizinischen Versorgung in Äthiopien und damit aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führt. Dem Kläger droht eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach seiner Rückkehr ins Heimatland (vgl. im Einzelnen BVerwG, U.v. 17.10.2006, Nr. 1 C 18.05). Der Kläger würde in Ängsten und Somatisierungen steckenbleiben (so die Stellungnahme der Diplom-Psychologin vom 29.12.2008), eine Zuspitzung seiner Erkrankung in Richtung auf eine völlige Dekompensation, wie im Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 30. Dezember 2008 beschrieben, erscheint naheliegend. [...]