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VG Ansbach

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Zitieren als:
VG Ansbach, Urteil vom 15.01.2009 - AN 18 K 08.30313 - asyl.net: M15256
https://www.asyl.net/rsdb/M15256
Leitsatz:

Keine beachtliche Verfolgungsgefahr im Iran wegen nur formal vollzogenen Glaubensübertritts zum Christentum.

 

Schlagwörter: Iran, Christen, Apostasie, Konversion, religiös motivierte Verfolgung, Glaubwürdigkeit, Drogendelikte
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Keine beachtliche Verfolgungsgefahr im Iran wegen nur formal vollzogenen Glaubensübertritts zum Christentum.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG zuerkannt wird. [...]

Auch unter Würdigung der in der sog. Qualifikationsrichtlinie enthaltenen Grundsätze drohen dem Kläger im Falle seiner Rückkehr in den Iran infolge seines Glaubenswechsels mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit keine Verfolgungsmaßnahmen. Soweit der Kläger auch in der nunmehrigen mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass er im Iran bereits christlich getauft worden sei, konnte der Kläger diesen Glaubensübertritt bereits im Klageverfahren (AN 18 K 01.30912), das sich seinem Erstasylverfahren angeschlossen hat, nicht glaubhaft machen. [...]

Für den Iran liegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass ein im Zufluchtsland nur formal vollzogener Glaubensübertritt zum Christentum allein für sich im islamischen Heimatland des schutzsuchenden Ausländers mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit selbst dann zu erheblichen Verfolgungsmaßnahmen führt, wenn er dort seine christliche Glaubenszugehörigkeit verheimlichen, verleugnen oder aufgeben würde. Die vorzunehmende Prognose, ob der Ausländer nach Rückkehr in sein Heimatland anknüpfend an die Religion Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt ist, setzt mithin zunächst eine Prognose des vom Ausländer entsprechend seiner Religion im Heimatland zu erwartenden Verhaltens voraus.

Dabei bietet nur eine dauerhafte und ernsthafte religiöse Überzeugung eine tragfähige Grundlage dafür, ein religionsbezogenes (Verfolgungsmaßnahmen auslösendes) Verhalten des Ausländers vorherzusagen. Denn es ist nicht zu erwarten, dass der Ausländer nach Rückkehr in sein Heimatland einer Religion entsprechend lebt, die er in seinem Zufluchtsland nur vorgeblich, oberflächlich oder aus asyltaktischen Gründen angenommen hat. Es bedarf einer gerichtlichen Prüfung der inneren, religiös-persönlichkeitsprägenden Beweggründe. Nur wenn verlässlich festgestellt werden kann, dass eine Konversion auf einer glaubhaften Zuwendung zum christlichen Glauben im Sinne einer ernsthaften Gewissensentscheidung, d.h. auf einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel mit einer identitätsprägenden festen Überzeugung, und nicht lediglich auf bloßen Opportunitätsgründen beruht, kann davon ausgegangen werden, dass ein Verschweigen, Verleugnen oder die Aufgabe einer neuen Glaubenszugehörigkeit zur Vermeidung staatlicher oder nichtstaatlicher Repressionen im Heimatland den Betroffenen grundsätzlich und in aller Regel unter Verletzung seiner Menschenwürde existenziell und in seiner sittlichen Person treffen und ihn in eine ausweglose Lage bringen würde und ihm deshalb nicht zugemutet werden kann (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 26.7.2007 - 8 UE 3140/05 A - Juris mit weiteren Nachweisen, OVG Saarlouis, Urteil vom 26.6.2007 - 1 A 222/07 - AS 34, 417).

Gemessen an diesen Vorgaben ist der Kläger im Iran nicht an Leben oder Freiheit wegen seiner Religion bedroht.

Das Gericht hat auf Grundlage des vom Kläger gewonnenen Eindrucks – auch unter Berücksichtigung der Grenzen richterlicher Erkenntnismöglichkeit – nicht die Überzeugung erlangen können, der geltend gemachte Glaubenswechsel vom Islam zum Christentum sei ernsthaft und dauerhaft. Dabei muss das religionsbezogene Vorbringen des Klägers vor dem Hintergrund seines gesamten Vortrags bewertet werden.

Nachdem der Kläger Vorfluchtgründe nicht hat glaubhaft machen können, demnach auch nicht davon auszugehen ist, dass er bereits im Iran zum Christentum übergetreten ist, hat die Kammer große Zweifel daran, dass die am ... 2000 erfolgte Taufe auf einer ernsthaften und echten Glaubensentscheidung und Gewissensüberprüfung beruht, nachdem der Kläger erst am ... 2000 in das Bundesgebiet eingereist ist. Hinzu kommt, dass aus einer Vielzahl anderer Verfahren bekannt ist, dass der Pastor ..., der den Kläger in ... getauft hat, großzügig den Glaubensübertritt iranischer Asylbewerber bestätigt hat, ohne sich eingehend zu vergewissern, dass diese sich tatsächlich vom Islam abgewendet und christliche Überzeugungen zu ihrem Lebensinhalt gemacht haben. Dafür, dass das Verhalten des Klägers in religiöser Hinsicht von Zweckmäßigkeitserwägungen und asyltaktischen Gründen bestimmt war, spricht auch, dass seine vorgetragenen religiösen Aktivitäten sich im Wesentlichen während der Laufzeit seines Erstasylverfahrens und seines Asylfolgeverfahrens abgespielt haben und schlagartig mit dem Abschluss des Asylfolgeverfahrens im Jahre 2004 geendet haben. [...] Auch die Urteile des Amtsgerichts ... vom 23. Januar 2008 und des Landgerichts ... vom 24. Juli 2008, in denen der Kläger jeweils insbesondere wegen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist, sprechen dagegen, dass das Gewissen des Klägers von christlichen Glaubensinhalten und Werten geleitet worden ist. Der Kläger mag zwar ein ausgiebiges Bibelstudium betrieben haben, die christlichen Gebote, insbesondere das Gebot der Nächstenliebe, hat der Kläger nicht verinnerlicht, wenn er mit dem Drogenhandel dazu beiträgt, die Gesundheit und das Leben anderer Menschen zu gefährden. [...]