OVG Hamburg

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Zitieren als:
OVG Hamburg, Urteil vom 03.12.2008 - 5 Bf 259/06 - asyl.net: M15277
https://www.asyl.net/rsdb/M15277
Leitsatz:

Ein Ausländer kann gegen die Inanspruchnahme für die Abschiebungskosten rechtliche Mängel der Abschiebung geltend machen, soweit diese ihn in seinen Rechten verletzen und darüber noch nicht rechtskräftig entschieden ist; es ist fraglich, ob die Rechtsprechung des BVerwG zur Haftung aus einer Verpflichtungserklärung, wonach atyische Umstände eine Ermessensentscheidung erforderlich machen, auf die Haftung des abgeschobenen Ausländers für die Abschiebungskosten übertragen werden kann; jedenfalls begründet allein die Höhe der Abschiebungskosten und die fehlende Leistungsfähigkeit des Betroffenen keinen atypischen Ausnahmefall.

 

Schlagwörter: D (A), Kosten, Abschiebungskosten, Verjährung, Fälligkeit, Unterbrechung, Verwirkung, Kostenfestsetzungsbescheid, Abschiebung, Rechtswidrigkeit, Rechtskraft, Kostenhöhe, amtliche Begleitung, Erforderlichkeit, Abschiebungshaft, Dauer, Ermessen, atypischer Ausnahmefall, Stundung
Normen: AuslG § 82; AufenthG § 66; AuslG § 83; AufenthG § 67; AufenthG § 70; VwKostG § 17; VwKostG § 20
Auszüge:

Ein Ausländer kann gegen die Inanspruchnahme für die Abschiebungskosten rechtliche Mängel der Abschiebung geltend machen, soweit diese ihn in seinen Rechten verletzen und darüber noch nicht rechtskräftig entschieden ist; es ist fraglich, ob die Rechtsprechung des BVerwG zur Haftung aus einer Verpflichtungserklärung, wonach atyische Umstände eine Ermessensentscheidung erforderlich machen, auf die Haftung des abgeschobenen Ausländers für die Abschiebungskosten übertragen werden kann; jedenfalls begründet allein die Höhe der Abschiebungskosten und die fehlende Leistungsfähigkeit des Betroffenen keinen atypischen Ausnahmefall.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Im übrigen hat die zulässige Berufung der Beklagten Erfolg. Der Kostenfestsetzungsbescheid vom 17. November 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2005 ist (im noch streitigen Umfang) rechtmäßig. [...]

1. Der Festsetzung der Abschiebungskosten stehen weder Verjährung (a) noch Verwirkung (b) entgegen.

a) Die Forderung ist nicht verjährt. Für die Frage, ob vor Erlass des Kostenfestsetzungsbescheides Verjährung eingetreten ist, wird auf die Regelungen des Ausländergesetzes abzustellen sein, da der Kläger im Jahr 1992 abgeschoben wurde und auch der Kostenfestsetzungsbescheid noch unter Geltung des Ausländergesetzes erging. Im übrigen bestehen zwischen § 83 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 3 AuslG einerseits und § 70 AufenthG andererseits keine inhaltlichen Unterschiede.

Es erscheint allerdings als zweifelhaft, ob der Eintritt der Verjährung schon mit dem Hinweis verneint werden kann, die Verjährung beginne erst mit der Fälligkeit zu laufen (§ 83 Abs. 4 Satz 3 AuslG bzw. § 70 Abs. 1 AufenthG) und diese trete frühestens mit Bekanntgabe der Kostenentscheidung an den Kostenschuldner ein (§ 17 VwKostG). Die ergänzende Anwendung des Verwaltungskostengesetzes folgt aus § 1 Abs. 2 Satz 2 VwKostG i. V. m. § 81 Abs. 2 Satz 2 AuslG bzw. § 69 Abs. 2 Satz 2 AufenthG; zu den in § 81 Abs. 1 AuslG bzw. § 69 Abs. 1 Satz 1 AufenthG genannten Auslagen zählen auch die Abschiebungskosten im Sinne des § 82 AuslG bzw. § 66 AufenthG (BVerwG, Urt. v. 14.6.2005, BVerwGE 124, 1/5; VGH Mannheim, Urt. v. 19.10.2005, 11 S 646/04, juris, Rn. 33). [...]

Es braucht aber nicht entschieden zu werden, ob § 83 Abs. 4 Satz 3 AuslG bzw. § 70 Abs. 1 AufenthG vielleicht nur die Zahlungsverjährung hinsichtlich einer festgesetzten Forderung regelt und es hinsichtlich der Festsetzungsverjährung bei § 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwKostG bleibt (vgl. zu dieser Unterscheidung bei § 20 Abs. 1 VwKostG auch BVerwG, Urt. v. 24.2.2005, BVerwGE 123, 92/94 f.). Denn auch die vor Erlass des Kostenbescheides etwa in Lauf gesetzte Festsetzungsverjährung des § 20 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VwKostG kann gemäß § 20 Abs. 3 VwKostG unterbrochen werden (so ausdrücklich BVerwG, a.a.O., S. 95 f.). Die Unterbrechungstatbestände des § 20 Abs. 3 AufenthG werden durch die Tatbestände des § 83 Abs. 3 AuslG bzw. § 70 Abs. 2 AufenthG erweitert. [...]

b) Für die Annahme einer Verwirkung ist hier nichts ersichtlich. Ein langer Zeitraum zwischen Entstehen und Geltendmachung einer Forderung ist allein nicht ausreichend, um eine Verwirkung annehmen zu können. Zum Zeitelement muss zusätzlich auch das "Umstandselement" hinzukommen; es muss auch aufgrund der konkreten Umstände als rechtsmissbräuchlich erscheinen, die Forderung geltend zu machen (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 53 Rn. 21 ff.). Solche Umstände liegen nicht vor. Der Kläger hielt sich von Oktober 1992 bis Herbst 2004 außerhalb Deutschlands auf. In diesem Zeitraum war daher nicht mit dem Erlass eines Kostenbescheides zu rechnen, was sich auch in der Verjährungsunterbrechungsregelung des § 83 Abs. 3 AuslG bzw. § 70 Abs. 2 AufenthG zeigt. Zu keinem Zeitpunkt hat die Beklagte dem Kläger gegenüber Andeutungen gemacht, sie würde auf die Geltendmachung der Abschiebungskosten verzichten.

2. Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, der Bescheid, mit dem ihm die Kosten seiner Abschiebung auferlegt werden, sei deshalb rechtswidrig, weil die Abschiebung selbst rechtswidrig gewesen sei.

2.1. Es ist im einzelnen streitig, ob und ggf. in welchem Umfang sich der Adressat eines Bescheides über die Festsetzung von Abschiebungskosten darauf berufen kann, die Abschiebung als solche oder jedenfalls die Art und Weise der Abschiebung sei rechtswidrig gewesen (vgl. zum Meinungsstand: Funke-Kaiser in GK-AufenthG, § 66 AufenthG Rn. 4; OVG Hamburg, Urt. v. 7.10.1998, Bf V 45/96, juris, Rn. 40 m.w.N.). Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann jedenfalls der abgeschobene Ausländer, der selbst für die Abschiebungskosten in Anspruch genommen wird, jeden rechtlichen Mangel der Abschiebung geltend machen, sofern dieser geeignet ist, eigene Rechte zu verletzen (ebenso VGH Mannheim, Urt. v. 19.10.2005, 11 S 646/04, juris, Rn. 47 ff.; Beschl. v. 8. [laut28.] 3.2006, InfAuslR 2006, 385/386 f.; Funke-Kaiser, a.a.O., § 66 Rn. 5). Dies lässt sich aus § 14 Abs. 2 Satz 1 VwKostG ableiten, wonach Kosten nicht erhoben werden, die bei richtiger Sachbehandlung durch die Behörde nicht entstanden wären. [...]

b) Ohne Erfolg bleibt der Einwand des Klägers, die Beklagte habe ihm im Juli 1990 die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung zugesagt.

Das Verwaltungsgericht hat mit rechtskräftig gewordenem Gerichtsbescheid vom 25. März 1993 (10 VG A 2853/92) die u.a. auf die Verpflichtung zur Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung gerichtete Klage abgewiesen. [...]

Folgt somit aus den Gründen der rechtskräftigen Entscheidung, dass aus dem Schreiben vom 25. Juli 1990 kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung hergeleitet werden konnte, ist diese Frage nicht mehr zu prüfen (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 19.10. 2005, 11 S 646/04, juris, Rn. 49 m.w.N.; Funke-Kaiser in GK-AufenthG, § 66 Rn. 5). [...]

3. Gegen die Höhe der Kostenforderung bestehen (nach der Herausnahme von Personalkosten für Bedienstete der Ausländerbehörde in Höhe von 478,62 Euro) keine Bedenken.

a) Die Erstattungsforderung hinsichtlich der für die Beförderung des Klägers angefallenen und durch Rechnungen belegten Kosten der Bahnfahrt von Hamburg nach Frankfurt/Main und des Fluges von Frankfurt/Main nach Teheran ist von § 83 Abs. 1 Nr. 1 AuslG (§ 67 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) gedeckt.

b) Unter § 83 Abs. 1 Nr. 3 AuslG (§ 67 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG) fallen sowohl die Kosten für die Bahnfahrt der drei Begleitpersonen von Hamburg nach Frankfurt/Main sowie die Rückflugkosten, die jeweils durch Rechnungen belegt sind. Ebenso können hiernach die durch die Begleitung des Klägers nach Frankfurt/Main entstandenen Personalkosten dem Kläger auferlegt werden, wie sich aus deren ausdrücklicher Nennung in der Vorschrift ergibt; der hierfür angesetzte Betrag hält sich in dem von § 83 Abs. 4 Satz 2 AuslG (§ 67 Abs. 3 Satz 2 AufenthG) bestimmten Rahmen. Hierzu gehört auch das reisekostenrechtliche Tagegeld der Begleiter in Höhe von 3 x 25 DM (75 DM = 38,34 Euro), berechnet gemäß dem damals geltenden § 9 Abs. 1 HmbRKG (Betrag nach dem Änderungsgesetz vom 29.4.1986, HmbGVBl. S. 79).

Diese Kosten waren auch "erforderlich". Aufgrund der erheblichen strafrechtlichen Vorbelastung des Klägers, wiederholt auch in Form von Gewalttaten, und der langen Abschiebehaft war damit zu rechnen, dass sich der Kläger u.U. auch mit Gewalt seiner Abschiebung widersetzen würde. [...]

c) Die Kosten, die für die Benutzung des Dienst-Kfz für den Weg von der Ausländerbehörde zur Haftanstalt, weiter zum Bahnhof und retour angefallen sind, fallen unter § 83 Abs. 1 Nr. 1 und 3 AuslG (§ 67 Abs. 1 Nr. 1 und 3 AufenthG).

d) Die Abschiebehaftkosten in Höhe von 13.945,46 Euro können dem Kläger dem Grunde nach und auch in der angesetzten Höhe auferlegt werden. Gemäß § 83 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 Satz 1 AuslG (§ 67 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Satz 1 AufenthG) sind die Kosten erstattungsfähig, die tatsächlich entstanden sind und erforderlich waren (BVerwG, Urt. v. 14.6.2005, BVerwGE 124, 1/8 ff.).

Die Beklagte hat, der soeben genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht folgend, nur die Kosten für Abschiebehäftlinge zugrundegelegt, die gegenüber den Kosten für Strafgefangene im Justizvollzug niedriger sind. Der Höhe nach hat sie den in einem Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 14. November 2001 (22 VG 702/98, juris, Rn. 38 f.) für das Jahr 1995 zugrundegelegten Tageshaftsatz für Abschiebungshaftgefangene in Höhe von 125,12 DM (umgerechnet 63,97 Euro) angesetzt. Hiergegen bestehen keine Einwände.

Es ist auch gerechtfertigt, dem Kläger die Kosten für die gesamte Dauer der Abschiebehaft (218 Tage) aufzuerlegen. Diese war insgesamt durch Beschlüsse des Amtsgerichts Hamburg gemäß §§ 57 Abs. 2, § 103 Abs. 2 AuslG i.V.m. dem Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen (FEVG) gedeckt, deren sofortige Wirksamkeit jeweils gemäß § 8 Satz 2 FEVG angeordnet worden war. Das Amtsgericht bejahte die vollziehbare Ausreisepflicht des Klägers und stellte jeweils darauf ab, dass für die Abschiebung noch ein Passersatzpapier besorgt werden müsse und der Kläger nicht bereit sei, an der Beschaffung mitzuwirken. Gegen den ersten Beschluss hatte der Kläger sofortige Beschwerde erhoben, die das Landgericht Hamburg mit Beschluss vom 12. März 1992 zurückwies. Die Weigerung, an der Beschaffung von Passersatzpapieren mitzuwirken, belege, dass sich der Kläger ggf. der Abschiebung entziehen werde. Die Angemessenheit der Abschiebehaftdauer wurde bis zuletzt aufgrund § 57 Abs. 3 AuslG bestätigt.

Es mag dahinstehen, ob eine Prüfung der Frage, ob die Dauer der Abschiebehaft auf einer richtigen Sachbehandlung im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 1 VwKostG beruht, angesichts der Beschlüsse des Amtsgerichts Hamburg im vorliegenden Verfahren überhaupt noch veranlasst ist (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 19.10.2005, 11 S 646/04, juris, Rn. 49). Jedenfalls lässt sich nicht feststellen, dass die Abschiebehaft wegen ihrer Dauer ganz oder teilweise rechtswidrig gewesen ist. [...]

4. Der Kostenfestsetzungsbescheid ist nicht wegen fehlender Ermessensbetätigung rechtswidrig. Die Beklagte brauchte im vorliegenden Fall keine Ermessensentscheidung zu treffen, ob und ggf. in welcher Höhe sie die Kosten vom Kläger erhebt.

a) Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 24. November 1998 (BVerwGE 108, 1 ff. = NVwZ 1999, 779/782 f.) anlässlich eines Falls nach § 84 AuslG (jetzt § 68 AufenthG) – Haftung für Lebensunterhalt – folgendes ausgeführt:

"Die Frage, ob die anspruchsberechtigte öffentliche Stelle den Verpflichteten heranzuziehen hat oder unter welchen Voraussetzungen sie davon absehen kann, ist in § 84 AuslG nicht geregelt. Insbesondere läßt sich aus der Bestimmung der gesetzlichen Folgen einer Verpflichtungserklärung in § 84 Abs. 1 AuslG (Begründung eines Erstattungsanspruchs) nicht ableiten, daß die zuständige Stelle ausnahmslos verpflichtet wäre, einen danach gegebenen Erstattungsanspruch geltend zu machen. Eine Verweisung auf einschlägige Vorschriften in anderen Rechtsgebieten wie etwa im Abgabenrecht fehlt. Diese (unbeabsichtigte) Regelungslücke kann unter Heranziehung allgemeiner Rechtsgrundsätze geschlossen werden.

Das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und das Gebot, bei der Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten (vgl. § 6 Abs. 1 HGrG), verlangen in der Regel, daß die öffentliche Hand ihr zustehende Geldleistungsansprüche durchzusetzen hat (...). Die Rechtsordnung sieht aber zugleich, wenn auch rechtstechnisch in unterschiedlichen Ausformungen, durchweg vor, daß von dieser Regel bei Vorliegen atypischer Gegebenheiten abgewichen werden kann. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, daß die strikte Anwendung der Gesetze Folgen haben kann, die vom Gesetzgeber nicht gewollt sind und mit den Grundsätzen der Gerechtigkeit und der Verhältnismäßigkeit, insbesondere der Rücksichtnahme auf die individuelle Leistungsfähigkeit nicht vereinbar wären. Zu erwähnen sind zunächst die im Abgabenrecht (vgl. insbesondere §§ 163, 227 AO; § 135 Abs. 5 BauGB) vorgesehenen Billigkeitsentscheidungen. Vor allem aber sind Rückforderungs- und Erstattungsansprüche typischerweise von Ermessensentscheidungen abhängig, bei denen auf die Umstände des Einzelfalls einzugehen ist (vgl. § 87 Abs. 2 Satz 3 BBG; § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG; § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG; ... §§ 48, 49, 49a VwVfG; ... §§ 45, 47, 50 Abs. 2 SGB X; ... § 92a Abs. 1 Satz 2 BSHG). Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen, ist danach nicht den vollstreckungsrechtlichen Instrumenten der Stundung, der Niederschlagung und des Erlasses vorbehalten (vgl. § 31 Abs. 2 HGrG; § 59 BHO), vielmehr bereits bei der Geltendmachung der Forderung von rechtlicher Bedeutung.

Diese Grundsätze sind auf den Erstattungsanspruch nach § 84 Abs. 1 AuslG zu übertragen, weil der ihnen gemeinsame Rechtsgedanke auch hier Geltung beansprucht."

In diesen Ausführungen haben verschiedene Obergerichte einen allgemeinen Rechtsgedanken gefunden, der auch im Rahmen der hier streitgegenständlichen Erstattung von Abschiebungskosten nach § 82 Abs. 1 AuslG bzw. § 66 Abs. 1 AufenthG Geltung beanspruche (vgl. BayVGH, Urt. v. 15.12.2003, InfAuslR 2004, 252/254 f.; OVG Hamburg, Beschl. v. 21.6.2007, 4 Bf 56/06; wohl auch VGH Mannheim, Beschl. v. 7.3.2006, InfAuslR 2006, 387/388, der allerdings nur ausführt, der dortige Zulassungsantrag lege nicht dar, dass und warum für die Heranziehung von Ausländern nach § 82 AuslG insofern andere Grundsätze gelten sollen als für die Erstattungsfälle nach § 84 AuslG). Allerdings lassen einige Obergerichte die Frage der Übertragbarkeit der vom Bundesverwaltungsgericht zu § 84 AuslG entwickelten Rechtsprechung auf die Kostentragungspflicht des § 82 AuslG ausdrücklich offen (OVG Koblenz, Urt. v. 27.7.2006, AuAS 2007, 17/18; VGH Mannheim, Urt. v. 19.10.2005, 11 S 646/04, juris, Rn. 57). [...]

b) Das erkennende Gericht hat erhebliche Bedenken, die in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 1998 niedergelegten Grundsätze auf die Heranziehung des Ausländers zu den Kosten seiner Abschiebung zu übertragen.

So ist bereits der Gesetzeswortlaut von § 84 AuslG (§ 68 AufenthG) einerseits und §§ 82 Abs. 1, 83 Abs. 1 und 4 AuslG (§§ 66 Abs. 1, 67 Abs. 1 und 3 AufenthG) andererseits unterschiedlich. Im ersten Fall heißt es, wer sich (u.a.) der Ausländerbehörde gegenüber zur Tragung der Lebensunterhaltskosten eines Ausländers verpflichtet habe, habe sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers ... aufgewendet werden. Dagegen bestimmt § 83 Abs. 4 Satz 1 AuslG (§ 67 Abs. 3 Satz 1 AufenthG): "Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Kosten werden . . . durch Leistungsbescheid in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten erhoben." Hier sind sowohl die Erhebungspflicht ("werden erhoben") als auch der Leistungsumfang ("in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten") unzweideutig festgelegt. Betrachtet man außerdem die Fallgestaltung, die der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 1998 zugrunde lag, wird deutlich, dass die auf dieser Grundlage getroffene Aussage einer Verallgemeinerung und damit einer Übertragung auf die hier vorliegende Fallgestaltung, wo der einstmals abgeschobene Ausländer die Kosten seiner Abschiebung tragen soll, nicht zugänglich ist. So geht es bei der Haftung für den Lebensunterhalt eines Ausländers um Umstände, die der sich Verpflichtende nur begrenzt oder gar nicht selbst beeinflussen kann, während der abgeschobene Ausländer die Kosten zu tragen hat, die er durch eigenes Tun oder Unterlassen (z.B. Nicht-Befolgen der Ausreisepflicht; Nicht-Mitwirkung an der Beschaffung von Ausreisepapieren, Gefährlichkeit als Grund für Begleitmaßnahmen) verursacht hat. Hinzu kommt, dass eine Verpflichtungserklärung in aller Regel vor der Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung abgegeben wird, so dass sie im Rahmen einer gründlichen Prüfung oder jedenfalls im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens abgegeben wird, bei der die Behörde auch prüfen kann, ob die Verpflichtung überhaupt ansatzweise erfüllt werden kann; ist dies umfassend geschehen, stellt die Erstattungsforderung in voller Höhe grundsätzlich den Regelfall dar. Dagegen stellt sich das Problem der Abschiebung und der damit verbundenen Kosten häufig ohne Zutun der Ausländerbehörde durch die bloße Anwesenheit eines Ausländers, der keine Aufenthaltsgenehmigung besitzt oder erhalten kann.

Zu Recht weist die Beklagte auch darauf hin, dass sich in den Entscheidungen das Bundesverwaltungsgerichts zu Abschiebungskosten bisher keine Hinweise finden, wonach die Grundsätze aus dem Urteil vom 24. November 1998 auch hierfür anwendbar sein könnten. Im Gegenteil scheint das Gericht in seinem Abschiebungskosten betreffenden Urteil vom 14. Juni 2005 (BVerwGE 124, 1/9 f.) einer Übertragung der Grundsätze der damaligen Entscheidung eher ablehnend gegenüber zu stehen, weil es die Entscheidung vom 24. November 1998 nicht einmal erwähnt. Dort ging es u.a. um die Frage, in welcher Höhe Abschiebungshaftkosten vom Ausländer verlangt werden können. Der Wortlaut des § 83 Abs. 4 Satz 1 AuslG (jetzt § 67 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) berechtige zur Erhebung dieser Kosten in der tatsächlich entstandenen Höhe. Weiter heißt es (Unterstreichung nicht im Original):

"Neben dem Wortlaut von § 83 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 Satz 1 AuslG spricht auch der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck für eine Verpflichtung der Kostenschuldner zur Erstattung der Haftkosten in tatsächlicher Höhe. ... Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, warum diesem gesetzgeberischen Zweck zuwider die Allgemeinheit einen Teil dieser Kosten, nämlich die gesamten Haftkosten oder jedenfalls den ganz überwiegenden Teil dieser Kosten, tragen soll. ... [Ausführungen zum Haftkostenbeitrag] ... Dies bestätigt, dass der Gesetzgeber in § 83 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 AuslG eine abschließende, spezielle Kostenerhebungsregelung auch für die Haftkosten getroffen hat. Denn wenn der Gesetzgeber die Kosten für die Abschiebungshaft in § 83 Abs. 1 Nr. 2 AuslG dem Grunde nach den zu erstattenden Kosten der Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung zuordnet, geht er ersichtlich davon aus, dass die Kosten bei angeordneter Abschiebungshaft auch der Höhe nach berechnet und typischerweise erhoben werden können. Soweit die Pflicht zur Erstattung der Haftkosten wegen ihrer Höhe etwa zu einer faktischen Einreisesperre führt, ist deren Verhältnismäßigkeit bei der Entscheidung über die Wiedereinreise zu prüfen, steht aber der Erhebung dieser Kosten nach § 83 Abs. 4 AuslG als Folge der Abschiebungsentscheidung nicht entgegen."

Der Entscheidung vom 14. Juni 2005 ist ein weiteres Indiz dafür zu entnehmen, dass die Rechtsprechung zum Ermessen nicht auf die Fälle zu übertragen ist, in denen der Ausländer zu den Kosten seiner Abschiebung herangezogen wird: Das Bundesverwaltungsgericht hat den dortigen Rechtsstreit wegen der Notwendigkeit weiterer Ermittlungen zurückverwiesen und dabei (zu diesem Punkt) nur Ermittlungen zur Höhe der erstattungsfähigen Haftkosten für Abschiebungshäftlinge verlangt. Es hat aber trotz der im konkreten Fall ebenfalls beträchtlichen Forderungshöhe dem dortigen Berufungsgericht nicht die Prüfung aufgegeben, ob angesichts der Umstände des vorliegenden Falles ein atypischer Fall vorliege, der eine Ermessensentscheidung darüber erfordere, ob und ggf. in welchem Umfang die Kostenerstattung verlangt werden kann. Gerade auch in diesem Zusammenhang gewinnt der oben zitierte Satz seine Bedeutung, dass die Verhältnismäßigkeitsprüfung bezüglich der Pflicht zur Erstattung auch sehr hoher Haftkosten – nach hiesigem Verständnis: erst – bei der Entscheidung über die Wiedereinreise zu prüfen sei.

Eine Notwendigkeit, bereits im Heranziehungsverfahren Ermessen auszuüben, besteht auch deshalb nicht, weil der betroffene Ausländer durch haushaltsrechtliche Instrumente wie Stundung, Erlass oder Niederschlagung der Forderung (§ 59 der Landeshaushaltsordnung) sowie durch Pfändungsfreigrenzen hinreichend vor einer unzumutbaren Belastung geschützt ist.

c) Aber selbst wenn man annähme, auch bei der Kostenerstattung für Abschiebungskosten durch den Ausländer bestehe in atypischen Fällen bereits in der Heranziehungsphase die Notwendigkeit einer Ermessensbetätigung, würde dies nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides führen, da hier kein atypischer Ausnahmefall vorliegt. Dies würde voraussetzen, dass der Fall aufgrund seiner Besonderheiten derart stark von dem der Norm zugrunde liegenden Regelfall abwiche, dass ihre Anwendung den Zielen der Norm und ihrer Interessenbewertung nicht mehr gerecht würde. Dies ist aber nicht der Fall.

Das Bundesverwaltungsgericht führt in seinem Urteil vom 24. November 1998 (a.a.O.) zur Abgrenzung von Regelfall und Ausnahmefall unter den Gegebenheiten des damaligen Falles aus:

"Ein Regelfall wird vorliegen, wenn die Voraussetzungen der Aufenthaltsgenehmigung einschließlich der finanziellen Belastbarkeit des Verpflichteten im Verwaltungsverfahren voll und individuell geprüft worden sind und nichts dafür spricht, daß die Heranziehung zu einer unzumutbaren Belastung des Verpflichteten führen könnte. Hingegen hat die erstattungsberechtigte Stelle bei atypischen Gegebenheiten im Wege des Ermessens zu entscheiden, in welchem Umfang der Anspruch geltend gemacht wird und welche Zahlungserleichterungen dem Verpflichteten etwa eingeräumt werden. Wann in diesem Sinne ein Ausnahmefall vorliegt, ist anhand einer wertenden Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden und unterliegt voller gerichtlicher Nachprüfung. Die zu den erwähnten haushalts- und abgabenrechtlichen Billigkeitsvorschriften entwickelten Fallgruppen sachlicher und persönlicher Härte (...) können einen Anhalt dafür bieten. Im übrigen ist unter Würdigung vornehmlich der Umstände, unter denen die jeweilige Verpflichtungserklärung abgegeben worden ist, zu klären, ob die Heranziehung zur vollen Erstattung der Aufwendungen gemäß § 84 Abs. 1 AuslG namentlich im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist oder ob es weiterer Erwägungen bedarf, um zu einem angemessenen Interessenausgleich zu gelangen."

Diese zu § 84 AuslG ausgeführten Überlegungen – dort werden Kosten von der Person verlangt, die eine Verpflichtungserklärung abgegeben hat – rechtfertigen nicht die Annahme einer Atypik im vorliegenden Fall, bei dem die Kosten vom abgeschobenen Ausländer verlangt werden. Hier gibt es keine vorangegangene volle und individuelle Prüfung, ob die Voraussetzungen der Aufenthaltsgenehmigung einschließlich der finanziellen Belastbarkeit des Verpflichteten vorliegen (so aber wohl VGH München, Urt. v. 15.12.2003, InfAuslR 2004, 252/255). Letztlich laufen die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs München und gerade auch das hier angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts darauf hinaus, einzig die Höhe der Kostenforderung den persönlichen Verhältnissen des Kostenschuldners bei Erhalt des Bescheides gegenüberzustellen und einen atypischen, zur Ermessensbetätigung nötigenden Fall schon dann anzunehmen, wenn die Kostenforderung sehr hoch und der Betroffene nicht leistungsfähig ist. Das geschieht gerade auch im angefochtenen Urteil ohne nähere Begründung, insbesondere ohne nähere Erörterung, wie es zu den sehr hohen Kosten gekommen ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Urteil vom 24. November 1998 (a.a.O.) einen atypischen Fall unter den ganz bestimmten, im dortigen Urteil ausführlich dargestellten Umständen der Aufnahme bosnischer Bürgerkriegsflüchtlinge angenommen:

– Aufnahme bosnischer Bürgerkriegsflüchtlinge als öffentliche Angelegenheit im Gegensatz zu sonst allein oder überwiegend privaten Gründen als Anlass für eine Verpflichtungserklärung;

– die mit der Aufnahme verbundenen Lasten und Risiken sollten auch von der öffentlichen Hand getragen werden (Verzicht auf Nachweis von Krankenversicherungsschutz; Öffnung des Arbeitsmarktes für Bosnienflüchtlinge);

– wegen unbestimmter Aufenthaltsdauer Risiko, sich zu Erstattungen in kaum abschätzbarer Höhe zu verpflichten;

– bei ausländerrechtlicher Entscheidung bewusstes Offenlassen der Prüfung, inwieweit vom Verpflichtungsgeber Erstattungen verlangt werden können;

– somit gewissermaßen Mitübernahme des mit der Flüchtlingsaufnahme verbundenen Kostenrisikos durch die zuständigen Behörden.

Dies zeigt, dass weder die Forderungshöhe allein noch der Vergleich zwischen Forderungshöhe und (aktueller) Leistungsfähigkeit des Verpflichteten ausreichen, um einen atypischen Fall anzunehmen, der eine Ermessensbetätigung erfordern kann. Wenn das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil entscheidend auf die Umstände abstellt, unter denen die jeweilige Verpflichtungserklärung abgegeben worden ist, so wäre im vorliegenden Fall auf die Umstände abzustellen, die zur konkreten Forderungshöhe geführt haben. Zu den hohen Abschiebehaftkosten, dem einzigen Posten, bei dem hier allenfalls Anlass zu näherer Prüfung bestehen könnte, ist es allein aufgrund der Weigerung des Klägers gekommen, an der Beschaffung von Ausreisepapieren mitzuwirken bzw. seinen Shenasnameh vorzulegen (siehe hierzu oben unter 3.d). Auch die übrigen Posten hat der Kläger durch eigenes Verhalten (Gefährlichkeit, zu erwartende Widerstandshandlungen) verursacht und war hierfür selbst voll verantwortlich. [...]