VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 03.02.2009 - 24 K 4122/08 - asyl.net: M15287
https://www.asyl.net/rsdb/M15287
Leitsatz:

Die Ausländerbehörde ist gem. § 44 a Abs. 1 S. 2 AufenthG nur zum Erlass eines Verwaltungsaktes berechtigt, der die Verpflichtung zur Teilnahme an einem Integrationskurs feststellt, nicht dagegen zur Verpflichtung zur Teilnahme.

 

Schlagwörter: D (A), Klagefrist, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Prozesskostenhilfe, Integrationskurs, Verwaltungsakt, Feststellung, Verpflichtung, Umdeutung, Ermessen
Normen: VwGO § 74 Abs. 1; VwGO § 60 Abs. 1; AufenthG § 44a Abs. 1 S. 2; AufenthG § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; AufenthG § 44a Abs. 1 S. 1 Nr. 3; VwVfG § 47 Abs. 2
Auszüge:

Die Ausländerbehörde ist gem. § 44 a Abs. 1 S. 2 AufenthG nur zum Erlass eines Verwaltungsaktes berechtigt, der die Verpflichtung zur Teilnahme an einem Integrationskurs feststellt, nicht dagegen zur Verpflichtung zur Teilnahme.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Die Klage hat Erfolg.

Sie ist zunächst zulässig. Zwar hat die Klägerin gegen den mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid vom 29. April 2008 verspätet Klage erhoben, weil die nach Zustellung in Gang gesetzte Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO von einem Monat zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war. Der Klägerin ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO zu gewähren, weil sie ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Klagefrist einzuhalten und des weiteren die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 und 3 VwGO vorliegen. Es ist allgemein anerkannt, dass eine Fristversäumung infolge Abwartens der gerichtlichen Entscheidung über einen vor Ablauf der Frist mit allen nach § 117 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) erforderlichen Unterlagen eingereichten Prozesskostenhilfeantrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründen kann (Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 15. Auflage 2007, § 60 Rdnr. 15 m.w.N.). [...]

Die Klage ist auch begründet.

Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Er ist von der einschlägigen Rechtsgrundlage nicht gedeckt. Nach §. 44a Abs. 1 Satz 2 AufenthG stellt die Ausländerbehörde in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 (Anspruch auf Teilnahme an einem Integrationskurs) bei der Erteilung des Aufenthaltstitels lediglich fest, dass der Ausländer zur Teilnahme verpflichtet ist. Der Anspruch der Klägerin auf Teilnahme an einem Integrationsrationskurs folgt aus § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b) AufenthG. Die Differenzierung zwischen Feststellung und durch Verwaltungsakt begründete Verpflichtung ist nicht bloß akademischer Natur. Denn anders als die hier durch Verwaltungsakt begründete Verpflichtung zur Teilnahme an einem Integrationskurs ist die darauf gerichtete bloße Feststellung einer Vollstreckung nach §§ 55 ff. Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) nicht zugänglich.

In seiner Klageerwiderung hat der Beklagte in diesem Zusammenhang mehrfach selber betont, dass lediglich der Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts zulässig sei. Darüber hinaus kann der Beklagte mit seinem weiteren Vortrag, die Klägerin erfülle auch die Voraussetzungen von § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, nicht gehört werden. Danach ist ein Ausländer zur Teilnahme an einem Integrationskurs verpflichtet, wenn er in besonderer Weise integrationsbedürftig ist und die Ausländerbehörde ihn zur Teilnahme am Integrationskurs auffordert. Denn die Voraussetzungen für eine Umdeutung des angefochtenen Verwaltungsakts liegen nicht vor. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) ist die Möglichkeit der Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsakts ausgeschlossen, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennenden Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsakts. Erkennbar hat der Beklagte die Verpflichtung zur Teilnahme an einem Integrationskurs als Kehrseite des Anspruchs auf Teilnahme ausgesprochen, ohne dabei zu erkennen, dass § 44a Abs. 1 Satz 2 AufenthG ihn in diesem Fall nur dazu ermächtigt, die Teilnahmeverpflichtung festzustellen. Nicht zuletzt steht der Umdeutung § 47 Abs. 3 VwVfG NRW entgegen. Danach kann eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden. Während die Feststellung nach § 44a Abs. 1 Satz 2 AufenthG nicht im Ermessen der Ausländerbehörde steht, ist dies bei der Aufforderung zur Teilnahme am Integrationskurs gemäß § 44a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG offenbar der Fall. [...]