Die Pflicht der Beschwerdeinstanz zur Anhörung im Abschiebungshaftverfahren entfällt nicht dadurch, dass sich der Betroffene eines Rechtsanwalts als Verfahrensbevollmächtigten bedient; ein Ausländer hat seinen Aufenthaltsort nicht gem. § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG gewechselt, wenn er nach Zuweisung in eine andere Gemeinschaftsunterkunft unberechtigterweise in der alten Gemeinschaftsunterkunft verbleibt.
Die Pflicht der Beschwerdeinstanz zur Anhörung im Abschiebungshaftverfahren entfällt nicht dadurch, dass sich der Betroffene eines Rechtsanwalts als Verfahrensbevollmächtigten bedient; ein Ausländer hat seinen Aufenthaltsort nicht gem. § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG gewechselt, wenn er nach Zuweisung in eine andere Gemeinschaftsunterkunft unberechtigterweise in der alten Gemeinschaftsunterkunft verbleibt.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Der Betroffene sei vollziehbar ausreisepflichtig. Es bestehe der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, da der Betroffene nach Ablauf der Ausreisefrist seinen Aufenthaltsort gewechselt habe, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift mitzuteilen, unter der er erreichbar sei. Darüber hinaus liege auch der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG vor, da der begründete Verdacht bestehe, der Betroffene werde sich in Freiheit belassen der Abschiebung entziehen. Zum einen sei der Betroffene untergetaucht. Er sei nach seiner Zuweisung in die Einrichtung der Stadt F. am 18.8.2008 von der Gemeinschaftsunterkunft in C., in der er zuvor untergebracht gewesen sei, abgemeldet worden. Soweit der Betroffene darauf verweise, er habe sich fast jeden Tag in der Gemeinschaftsunterkunft in C. aufgehalten, sei dies bereits deswegen unglaubwürdig, weil er spätestens nach seiner Abmeldung dort über keine Wohngelegenheit mehr verfügt habe. Selbst wenn der Hausmeister dieser Unterkunft ihn gekannt und gewusst habe, dass er sich häufig bei seiner Freundin aufgehalten habe, ändere dies nichts daran, dass er für die Ausländerbehörde nicht mehr greifbar gewesen sei. Unerheblich sei auch, ob der Hausmeister Protest gegen die Anwesenheit des Betroffenen in der Gemeinschaftsunterkunft bei dessen Mutter erhoben habe. [...]
2. Dies hält nicht in jeder Hinsicht der auf Rechtsfehler beschränkten Nachprüfung stand.
a) Das landgerichtliche Verfahren leidet an dem Verfahrensmangel der unterbliebenen persönlichen Anhörung. Der Mangel macht die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung unumgänglich (§ 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, § 3 Satz 2 FreihEntzG, § 27 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FGG, § 546 ZPO) und führt zur Zurückverweisung (§§ 562, 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO analog).
Auch in der Beschwerdeinstanz ist der Ausländer grundsätzlich mündlich anzuhören (§ 5 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 5 FreihEntzG; vgl. Senat vom 7.1.2008, 34 Wx 001/08 = OLG-Report 2008, 344; vom 6.2.2008, 34 Wx 012/08, jeweils m.w.N.). Das Landgericht darf von der mündlichen Anhörung des Ausländers in der Beschwerdeinstanz nur in eng begrenzten Ausnahmefällen absehen (vgl. Senat vom 22.11.2007, 34 Wx 086/07 = OLG-Report 2008, 106; vom 25.10.2007, 34 Wx 125/07 = OLG-Report 2008, 144, vom 6.2.2008, 34 Wx 012/08, jeweils m.w.N.; OLG Düsseldorf vom 15.1.2009, 3 Wx 5/09). Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Falls nach dem Akteninhalt irgendeine Veranlassung besteht, insbesondere wenn nach dem weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers sich Anhaltspunkte ergeben, die seine Anhörung als sachdienlich erscheinen lassen, ist ihm Gelegenheit zu geben, erneut persönlich zu Wort zu kommen (Senat vom 18.11.2008, 34 Wx 081/08).
Die Begründung des Landgerichts, weshalb im vorliegenden Fall von der Anhörung abgesehen werden könne, ist nicht tragfähig. Die zweitinstanzliche mündliche Anhörung ist ein eigenständiges Verfahrensrecht, das nicht dadurch eingeschränkt wird, dass sich der Betroffene eines Rechtsanwaltes als Verfahrensbevollmächtigten (§ 13 Abs. 2 Satz 1 FGG) bedient. Der Betroffene hat zweitinstanzlich insbesondere vortragen lassen, er sei nicht untergetaucht, sondern habe sich nahezu täglich in der Gemeinschaftsunterkunft in C. aufgehalten, um u.a. Essenspakete für seine kranke Mutter abzuholen. Da das Landgericht seine Entscheidung vor allem auch auf das Vorliegen des begründeten Verdachts stützt, der Betroffene werde sich weiterhin der Abschiebung entziehen (§ 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG), ist eine Anhörung des Betroffenen hier nicht ausnahmsweise entbehrlich. Denn der Senat kann nicht ausschließen, dass der Betroffene den Verdacht, er werde sich der Abschiebung in Zukunft nicht mehr entziehen, entkräften könnte. Unerheblich ist es, ob die Beschwerdekammer nach durchgeführter Anhörung verfahrensfehlerfrei erneut zu dem selben Ergebnis gelangt. Denn die Anhörung erschöpft sich nicht nur in der bloßen Gewährung rechtlichen Gehörs. Vorrangiger Zweck der Anhörung im Freiheitsentziehungsverfahren ist es vielmehr, dem Richter auch einen persönlichen Eindruck zu verschaffen, damit er in den Stand gesetzt wird, ein klares und umfassendes Bild von der Persönlichkeit des Betroffenen zu gewinnen (z.B. BVerfG vom 14.6.2007, 1 BvR 338/07 Absatz-Nr. 28 www.bverfg.de/entscheidungen).
b) Das Landgericht hat darüber hinaus den Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nicht verfahrensfehlerfrei festgestellt. Insoweit liegt ein Aufklärungsmangel vor (§ 12 FGG).
So ist den bisherigen Feststellungen des Landgerichts nicht ausreichend zu entnehmen, dass der Betroffene damit rechnen musste, dass die Ausländerbehörde seine Abschiebung betreibt (vgl. Hailbronner Ausländerrecht, Stand Dezember 2008, § 62 AufenthG Rn. 44). Weiterhin lässt sich den landgerichtlichen Feststellungen auch nicht entnehmen, ob der Betroffene über seine Pflicht, einen Wechsel seines Aufenthaltsortes mitzuteilen, belehrt worden war. Ohne diese Belehrung kann dem Betroffenen ein Unterlassen der Anzeige unter Umständen aber später nicht entgegengehalten werden (vgl. Renner Ausländerrecht 8. Aufl. § 50 AufenthG Rn. 17).
Überdies ist nicht hinreichend aufgeklärt, ob § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG hier tatbestandlich überhaupt herangezogen werden kann. Voraussetzung wäre, dass der Betroffene seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne dies der Ausländerbehörde mitzuteilen. Vorliegend trägt der Betroffene jedoch vor, dass er seinen Aufenthaltsort - entgegen der Anweisung der Ausländerbehörde - gerade nicht gewechselt hat, sondern an seinem alten Aufenthaltsort - wenn auch unberechtigt - verblieben ist.
c) Durch eine fehlerfreie mündliche Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren (vgl. § 5 Abs. 1 FreihEntzG), wird eine etwaige Gehörsverletzung geheilt und die Aufrechterhaltung der Haft gerechtfertigt (vgl. OLG München vom 19.2.2009, 34 Wx 012109; OLG Düsseldorf InfAuslR 2008, 39 f.; OLG Celle InfAuslR 1999, 462). Die Sache ist daher zur Nachholung der im Beschwerdeverfahren unterbliebenen Anhörung und (soweit noch erforderlich) der zu § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG erforderlichen Feststellungen an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Nach dem Rechtsbeschwerdevortrag wird die Hinzuziehung eines Dolmetschers zu erwägen sein. Auf den baldigen Ablauf der angeordneten Haft (18.3.2009, 24.00 Uhr; vgl. BayObLGZ 1998, 130) wird hingewiesen. [...]