Es obliegt dem verfassungsgebenden Gesetzgeber und nicht den Gerichten, auf eine Änderung der Bedingungen für Asylsuchende in einem Mitgliedstaat der EU zu reagieren (hier: Griechenland).
Es obliegt dem verfassungsgebenden Gesetzgeber und nicht den Gerichten, auf eine Änderung der Bedingungen für Asylsuchende in einem Mitgliedstaat der EU zu reagieren (hier: Griechenland).
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist allerdings nicht bereits mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Die Beklagte hat angekündigt, die Abschiebung des Antragstellers nach Griechenland am 04.03.2009 durchzuführen. Ein effektiver Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG würde durch das Abwarten der Abschiebung, die nach § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylVfG im Übrigen keine Androhung voraussetzt, unzumutbar erschwert. Die Beklagte kann das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers daher nicht unter Berufung auf die (noch) fehlende ordnungsgemäße Zustellung des Bescheids vom 24.11.2008 in Frage stellen.
Dahinstehen kann, ob der Antragsteller sein Rechtsschutzbegehren anstelle des gestellten Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO mittels eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO verfolgen muss, weil es bislang an der Zustellung des Bescheids vom 24.11.2008 fehlt. Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers kann in beiden Fällen keinen Erfolg haben. Der Antrag ist sowohl als Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO als auch bei Auslegung als Antrag nach § 123 VwGO gemäß § 34a Abs. 2 AsylVfG unstatthaft. Nach dieser Norm darf eine Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) nicht nach § 80 VwGO oder § 123 VwGO ausgesetzt werden. Die Voraussetzungen der Norm liegen vor. Die Zuständigkeit Griechenlands für das Asylverfahren des Antragstellers ergibt sich aus der Fiktion des Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO, nachdem die griechischen Behörden auf das Übernahmeersuchen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nicht reagiert haben. Es liegen keine offensichtlichen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Bundesrepublik Deutschland entgegen der Fiktion des Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sein könnte. [...]
Aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 34a Abs. 1 AsylVfG ergibt sich für das Gericht aus Abs. 2 das gesetzliche Verbot, die vorgesehene Abschiebung auszusetzen. Dieses Verbot hat nach Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG Verfassungsrang. Es gilt vorliegend auch unter Berücksichtigung der vom Antragsteller in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urt. v. 14.05.1996, Az. 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93). Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung klargestellt, dass die jeweiligen Mitgliedstaaten der Europäischen Union unmittelbar kraft Verfassung sichere Drittstaaten sind. Der Ausländer, der in den Drittstaat zurückgewiesen oder zurückverbracht werden soll, kann daher den Schutz der Bundesrepublik Deutschland vor einer politischen Verfolgung oder sonstigen schwerwiegenden Beeinträchtigungen in seinem Herkunftsstaat grundsätzlich nicht mit der Begründung einfordern, für ihn bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort in seinem Einzelfall - trotz normativer Vergewisserung - die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erfüllt würden. Demgemäß kommen für ihn entsprechend dem mit Art. 16a Abs. 2 GG verfolgten Konzept normativer Vergewisserung über die Sicherheit im Drittstaat auch die materiellen Rechtspositionen, auf die ein Ausländer sich sonst gegen seine Abschiebung stützen kann (insbesondere §§ 51 Abs. 1, 53 AuslG), nicht in Betracht. Die Bundesrepublik Deutschland hat nur dann Schutz zu gewähren, wenn Abschiebungshindernisse nach § 51 Abs. 1 oder § 53 AuslG (heute: § 60 AufenthG) durch Umstände begründet werden, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts normativer Vergewisserung von Verfassung oder Gesetz berücksichtigt werden können und damit von vornherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich heraus gesetzt sind. Eine Prüfung, ob der Zurückweisung oder sofortigen Rückverbringung in den Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, kann der Ausländer nur erreichen, wenn es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass er von einem der im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. [...]
Soweit es die allgemeinen Verhältnisse für Asylbewerber in Griechenland betrifft, kommt nur der Fall in Betracht, dass sich die maßgeblichen Verhältnisse im Drittstaat schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung nach § 26a Abs. 3 AsylVfG darauf noch aussteht. Nach dieser Vorschrift bestimmt die Bundesregierung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen die Annahme begründen, dass die in Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Anlage I betrifft jedoch nicht die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, sondern nur noch Norwegen und die Schweiz. Folglich kann die Anwendung des § 26a AsylVfG für Mitgliedstaaten der Europäischen Union nicht durch Rechtsverordnung nach § 26a Abs. 3 Satz 1 AsylVfG vorübergehend ausgeschlossen werden. Vielmehr obliegt es dem verfassungsändernden Gesetzgeber, im Falle grundlegender Veränderungen in den rechtlichen und politischen Verhältnissen in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union, durch eine Änderung der grundgesetzlichen Bestimmungen zu reagieren (vgl. VG Ansbach, Beschl. v. 19.11.2008, Az. AN 19 E 08.30406; VG Würzburg, Beschl. v. 10.11.2008, Az. W 4 E 08.30145). Die Lage von Deutschland nach Griechenland zurück überstellter Asylbewerber unterliegt daher nicht der Entscheidungsbefugnis des Gerichts, da Griechenland kraft Verfassung als Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaften ein sog. "sicherer Drittstaat" ist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG).
Von daher erscheint bereits zweifelhaft, ob das Bundesverfassungsgericht überhaupt im Fall einer Änderung der politischen Verhältnisse in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union einen Ausnahmefall dahingehend als möglich erachtet hätte, dass die Gerichte trotz § 34a Abs. 2 AsylVfG Schutz vor Abschiebung gewähren können. Selbst wenn man den Gerichten zubilligen wollte, nicht nur bei Änderung der Verhältnisse in sicheren Drittstaaten gemäß der Anlage I zu § 26a AsylVfG die jeweilige Lage eigenständig zu würdigen, sondern auch bei Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die unmittelbar kraft Verfassung sichere Drittstaaten sind, so kommt eine Gewährung von Abschiebungsschutz im Eilverfahren im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Der Antragsteller könnte eine Prüfung der Frage, ob seiner Abschiebung nach Griechenland ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, nur dann erreichen, wenn es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass ihm als Asylsuchender in Griechenland kein Asylverfahren offen steht, das die Mindestnormen für Verfahren zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß der Europäischen Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 01.12.2005 einhält oder dass in Griechenland die Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern gemäß der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 nicht eingehalten werden. An diese Darlegung sind strenge Anforderungen zu stellen (so ausdrückl. BVerfG, Urt. v. 14.05.1996, a.a.O.). D.h., dass nur individuelle Gründe ausreichend sind, um ein Abschiebungshindernis zu begründen. Eine generelle Qualifizierung Griechenlands als "unsicher" würde die Intentionen des Gesetzgebers konterkarieren und wäre unvereinbar mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (so VG Würzburg, Beschl. v. 10.11.2008, a.a.O.; VG Regensburg, Beschl. v. 15.09.2008, Az. RO 3 E 08.30124).
Diesen strengen Anforderungen genügen die Darlegungen des Antragstellers nicht ansatzweise, denn er hat keine individuellen Gründe vorgetragen, die gegen eine Abschiebung nach Griechenland sprechen. Zur Begründung seines Antrags verweist er allein auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Düsseldorf im Beschluss vom 22.12.2008 (Az. 13 L 1993/08.A), die sich allgemein mit der Situation von Asylsuchenden in Griechenland befasst, ohne dass ein konkreter Personenbezug zum Antragsteller besteht. Die Entscheidung des VG Düsseldorf bezieht sich – wie auch weitere stattgebende Entscheidungen (vgl. VG Weimar, Beschl. v. 24.07.2008, Az. 5 E 20094/08 We; Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschl. v. 16.06.2008, Az. 6 B 18/08 und v. 08.07. 2008, Az. 6 B 30/08; VG Karlsruhe, Beschl. v. 23.06.2008, Az. A 3 K 1412/08) – auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 25. April 2008 (Az. 2 L 201/08.GI.A), in welchem die Abschiebung nach Griechenland auf die Dauer von 6 Monaten mit der Begründung untersagt wurde, dass Ausländer mit der Abschiebung nach Griechenland ein menschenrechtswidriges und europäisches Recht verletzendes Verfahren befürchten müssten und hierin ein weiterer, vom Bundesverfassungsgericht zur Zeit des Ergehens seiner Entscheidung vom 14.05.1996 noch nicht berücksichtigungsfähiger Sonderfall liege. Das erkennende Gericht folgt diesen Ausführungen nicht (vgl. auch die abweisenden Entscheidungen d. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 17.11.2008, Az. A2 S 2867/08; VG Ansbach, Beschl. v. 19.11.2008, a.a.O. und v. 16.09.2008, Az. AN 19 E 08.30350; VG Würzburg, Beschl. v. 10.11.2008, a.a.O.; VG Regensburg, Beschl. v. 01.10.2008, Az. RO 8 E 08.30132 und v. 15.09.2008, Az. RO 3 E 08.30124; VG Augsburg, Beschl. v. 13.06.2008, Az. Au 5 E 08.30069; VG Koblenz, Urt. v. 09.07.2008, Az. 1 K 353/08.KO; VG Gießen, Beschl. v. 17.07.2008, Az. 10 L 1498/08 GI.A; VG Saarland, Beschl. v. 23.07.2008, Az. 2 L 446/08; VG Frankfurt a.M., Beschl. v. 18.06.2008, Az. 2 L 1532/08.F.A (V); VG Münster Beschl. v. 22.08.2008, Az. 2 L 455/08.A). Die zuerst genannten Entscheidungen laufen nach Auffassung des erkennenden Gerichts auf die generelle Annahme eines Sonderfalls für Asylsuchende in Griechenland hinaus, was sowohl im Widerspruch zum Wortlaut des Art. 16a Abs. 2 GG als auch im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht. Es liegt keine Konstellation der Art vor, die den vom Bundesverfassungsgericht angeführten Fällen unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten gleich kommt, also gleichfalls eine Nichtanwendung von § 34a Abs. 2 AsylVfG gebietet. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass über die Behandlung von Asylbewerbern durch die griechischen Behörden bereits seit Jahren diskutiert wird, nachdem sich in tatsächlicher Hinsicht durch einen drastischen Anstieg der Asylbewerberzahlen erhebliche praktische Schwierigkeiten ergeben haben, Asylverfahren in angemessener Weise durchzuführen. Es trifft zwar zu, dass im Januar 2008 von der EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Griechenland eingeleitet worden ist. Es kann aber dahinstehen, ob sich die für die Qualifizierung aller Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaften als sicher maßgeblichen Verhältnisse in Griechenland in einer Weise geändert haben, dass Griechenland nicht sicher im Sinn des Grundgesetzes ist. Jedenfalls liegt keine Veränderung von solcher Art vor, dass hierauf nicht vom (verfassungsändernden) Gesetzgeber reagiert werden konnte. Die weitere Einstufung (auch) Griechenlands als sicherer Drittstaat durch die Verfassung liegt somit innerhalb des Rahmen des Konzepts normativer Vergewisserung, weil es nach obigen Ausführungen ausschließlich eine Aufgabe der Legislative ist, die Einstufung eines Staats als sicherer Drittstaat aufzuheben. Anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn eine schlagartige Veränderung der Verhältnisse festzustellen wäre, wie z.B. bei einem Militärputsch. Vorliegend handelt sich hingegen (allenfalls) um eine schleichende Veränderung der Verhältnisse, deren Beurteilung dem Gericht wegen § 34a Abs. 2 AsylVfG i.V.m. Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG verwehrt ist.
Es ist schließlich auch nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin von dem in ihrem Ermessen stehenden Selbsteintrittsrecht, d.h. von ihrem Recht das Asylbegehren des Antragstellers trotz der nach der Dublin II-VO fehlenden Zuständigkeit selbst zu prüfen, gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO keinen Gebrauch gemacht hat. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung, des Selbsteintrittsrechts durch die Antragsgegnerin notwendig machen könnten, sind nicht ersichtlich und wurden vom Antragsteller nicht vorgetragen. [...]