OVG Rheinland-Pfalz

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Zitieren als:
OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17.02.2009 - 7 A 11063/08.OVG - asyl.net: M15313
https://www.asyl.net/rsdb/M15313
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Staatsangehörigkeitsrecht, Einbürgerung, Anspruchseinbürgerung, verfassungsfeindliche Bestrebungen, Unterstützung, Terrorismus, Kongra-Gel, PKK, Frontarbeiter, Spendensammeln, Beweislast, Verfassungsschutz, Auskunft
Normen: StAG § 11 S. 1 Nr. 2 a.F.; StAG § 11 S. 1 Nr. 3 a.F.; StAG § 11 S. 1 Nr. 1; StAG § 11 S. 1 Nr. 2; VwGO § 108 Abs. 1
Auszüge:

"Schlichte" Behördenzeugnisse, die sich in pauschalen Behauptungen erschöpfen und nicht durch die Angabe konkreter, eine Einschätzung der Verlässlichkeit ermöglichender Tatsachen untermauert werden (hier: Auskunft des Landesamts für Verfassungsschutz), können dem Tatrichter regelmäßig nicht die Überzeugung von der Wahrheit substantiiert bestrittener Tatsachenbehauptungen vermitteln (hier: Unterstützung von KONGRA-GEL als "Frontarbeiter").

Leitsatz der Redaktion

 

[...]

Die Berufung des Klägers hat Erfolg. [...]

Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen, denn der Kläger hat einen Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 StAG in der bis zum 27. August 2007 geltenden Fassung. [...]

Entgegen der Auffassung der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen und dem Urteil des Verwaltungsgerichts stehen - was einzig umstritten ist - die Ausschlussgründe des § 11 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 StAG a.F., die § 11 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 der seit dem 28. August 2007 geltenden Fassung entsprechen, dem Begehren des Klägers nicht entgegen. Danach ist die Einbürgerung zwar ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sind (Nr. 1) bzw. Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er eine Vereinigung unterstützt, die ihrerseits den Terrorismus unterstützt (Nr. 2 i.V.m. § 54 Nr. 5 Aufenthaltsgesetz). Der Tatbestand mag erfüllt sein, wenn eine solche Handlungsweise der Unterstützung der Organisation KONGRA-GEL als Nachfolgeorganisation der verbotenen PKK gelten würde (vgl. dazu Urteil des Senats vom 4. Juli 2005 - juris; VGH BW, Urteil vom 10. November 2005 - 12 S 1696.05 - juris). Indessen können vorliegend tatsächliche Anhaltspunkte bzw. Tatsachen, die eine solche Schlussfolgerung tragen, nicht festgestellt werden. Zwar ist der Begriff der Unterstützungshandlung in diesem Sinne grundsätzlich weit aufzufassen, nämlich dahin, dass Unterstützung jede Handlungsweise ist, die für die Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft ist (vgl. BVerwGE 128, 140, 143). Die dies bezweckende Zielrichtung des Handelns muss dem Ausländer aber regelmäßig erkennbar und ihm daher zurechenbar sein. In der Rechtsprechung ist insoweit anerkannt, dass im Zusammenhang mit einer aktiven Beteiligung an Unterstützungshandlungen für die PKK oder in deren Kontext ein Einbürgerungshindernis dann besteht, wenn sich der vereinsrechtliche Verbotsgrund der Gefährdung der inneren Sicherheit auch in der Person des Ausländers konkretisiert hat (vgl. Urteil des Senats vom 4. Juli 2005, a.a.O.; vgl. auch BVerwGE 123, 114, 125 zur Unterstützung terroristischer Vereinigungen). Eine solche Konkretisierung setzt indessen in einem Mindestmaß eine subjektive Zurechenbarkeit voraus, ohne dass es dabei auf ein Verschulden ankäme. An einer zurechenbaren Unterstützung in diesem Sinne fehlt es, wenn der Ausländer lediglich politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation unterstützt und dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf Meinungsäußerung nach außen vertritt (BVerwG, a.a.O.).

Eine konkrete Handlung, die objektiv eine solche Unterstützungshandlung darstellen und dem Mindestmaß an subjektiver Zurechenbarkeit genügen würde, kann hier nach tatrichterlicher Würdigung durch den Senat nicht festgestellt werden. Es genügt nicht, dass die Beklagte in Anlehnung an die Auskünfte der Verfassungsschutzbehörden dem Kläger eine "Frontarbeitertätigkeit" für den KONGRA-GEL vorwirft. Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg hat in seiner Stellungnahme vom 5. Februar 2008 lediglich mitgeteilt, genauere Umstände zu der Frontarbeitertätigkeit des Klägers könnten nicht dargelegt werden. Frontarbeiter seien Personen, die sich unterhalb der Funktionärsebene für den KONGRA-GEL engagierten, - zum Beispiel durch Sammeln von Spenden, Transportieren und Verkaufen von Publikationen bzw. Eintritts- oder Fahrkarten für bzw. zu Veranstaltungen dieser Organisation etc.. Bei ihnen handele es sich also um Personen, die im Gegensatz zu passiven Versammlungsteilnehmern zumindest aktive Hilfsdienste für den KONGRA-GEL leisteten. Auf Anfrage des Senats gab die Beklagte mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2008 an, nach Mitteilung des Ministeriums des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz könne weder von dort noch seitens des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg eine Konkretisierung/Ergänzung der gemachten Angaben vorgenommen werden. Diese Auskünfte reichen nicht, um eine dem Kläger zurechenbare Unterstützungshandlung im oben dargestellten Sinn anzunehmen.

Bei der dem Kläger vorgeworfenen Frontarbeitertätigkeit handelt es sich um einen komplexen Begriff, der auf zugrunde liegenden Tatsachen und entsprechende Bewertungen gestützt ist und insoweit das Resultat eines Subsumtionsvorgangs darstellt. In dieser Hinsicht sind die zur Ausfüllung des Begriffs dienenden tatsächlichen Anhaltspunkte aber nicht vollständig benannt ("zum Beispiel", "etc.") worden, geschweige denn einer Beweisführung zugänglich gemacht worden. Anders als das Verwaltungsgericht annehmen will, ist es nicht unerheblich, ob von der Beklagten die Behauptung aufgestellt wird, der Kläger habe wenigstens eine der in der Aufzählung beispielhaft genannten Tätigkeiten für den KONGRA-GEL ausgeführt, die nach der Auffassung der Verfassungsschutzbehörden die Frontarbeitertätigkeit ausmachen. Auch der Senat hat keine Zweifel, dass etwa das Sammeln von Spenden für den KONGRA-GEL oder das Transportieren oder Verkaufen von dessen Publikationen oder der Verkauf von Fahrkarten oder Eintrittskarten für dessen Veranstaltungen für sich allein oder im Zusammenhang die Frontarbeitertätigkeit belegen könnten. Die Beklagte und letztlich die Verfassungsschutzbehörden haben aber sowohl im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts als auch auf besondere Aufforderung durch den Senat im Berufungsverfahren offen gelassen, ob der Kläger eine der in der Aufzählung konkret benannten Tätigkeiten ausgeführt hat oder aber eine unbenannte Handlung, in der die Verfassungsschutzbehörden ebenfalls die Merkmale der Frontarbeitertätigkeit als gegeben ansehen. Diese Zurückhaltung dient letztlich wohl 8

Gründen des Quellenschutzes. Wie der Senat in seinem die Berufung zulassende Beschluss vom 26. September 2008 indessen dargelegt hat, wird damit dem Gericht verwehrt, selbst zu beurteilen, ob die gegebenenfalls nicht in der Aufzählung bezeichneten Handlungsweisen tatsächlich den Begriff eines Frontarbeiters auszufüllen vermögen oder ob es sich um Handlungsweisen handelt, die im vorhandenen Kontext etwa einer kurdischen kulturellen Veranstaltung für den genannten Zurechnungszusammenhang nicht ausreichen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der KONGRA-GEL vor Ort, z.B. in dem hier in Rede stehenden Kulturzentrum in X., in Zusammenhang mit kurdischen kulturellen Veranstaltungen tätig ist. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass besonders für die dem beanstandeten Verhalten des Klägers im Jahre 2005 vorangehenden Zeiträume das Auftreten der Nachfolgeorganisation der PKK zeitweise von einer nicht leicht einzuordnenden Taktik geprägt war, einen Kurswechsel hin zu einer zivilgesellschaftlichen Verankerung mit dem Verzicht auf den Kampf um einen eigenständigen Kurdenstaat geltend zu machen. Dabei wurde auch das Verhältnis zu dem militärischen Arm der Organisation im Dunkeln gelassen. Nach dem Bericht des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen aus dem Jahre 2005 etwa (s. dort S. 142) wird durch Unterschriftskampagnen, Demonstrationen und Festivals versucht, die Aufmerksamkeit auf die Lage der Kurden in den Siedlungsgebieten zu richten; andererseits dienen diese Veranstaltungen danach dazu, unter den im Ausland lebenden Kurden die kurdische Kultur am Leben zu erhalten. Angesichts dessen wird mit dem Offenlassen der Frage, ob der Kläger nicht etwa nur bei anderen Handlungen als den ausdrücklich genannten aufgefallen ist, dem Gericht die Bewertung unmöglich gemacht, ob tatsächlich eine den genannten Zurechnungszusammenhang ausfüllende Unterstützungstätigkeit für den KONGRA-GEL vorliegt.

Darauf kann nicht im Hinblick auf einen sachtypischen Beweisnotstand der Beklagten und der Verfassungsschutzbehörden verzichtet werden. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 21. Mai 2008, 6 C 13.07 - juris) schon nicht im Hinblick auf die Erweislichkeit benannter Tatsachen der Fall. Umso weniger kann von der Benennung der Tatsachen bzw. der tatsächlichen Anhaltspunkte selbst abgesehen werden. Danach richtet sich nämlich die Beweislast auch im hier in Rede stehenden Rechtsbereich nach dem Normbegünstigungsprinzip, d.h. die Behörde ist hier darlegungs- und beweisbelastet für die den Anspruch ausschließenden Umstände. Für die Tatsachenfeststellung bestrittener Tatsachen gilt insoweit das Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugung nach § 108 Abs. 1 VwGO, selbst wenn sich die Behörde etwa wegen Vertraulichkeitszusagen oder aus Gründen des Quellenschutzes aufgrund einer berechtigten Verweigerung der Aktenvorlage nach Maßgabe des § 99 VwGO in einem sachtypischen Beweisnotstand befindet. Zwar ist die Beweisführung mittels eines sogenannten schlichten Behördenzeugnisses, d.h. hier einer Auskunft der Verfassungsschutzbehörden, nicht von vornherein ausgeschlossen. Die Verwaltungsgerichte müssen indessen den Aussage- und Beweiswert der verschiedenen Bestandteile des Prozessstoffes nach der inneren Überzeugungskraft der Gesamtheit der in Betracht kommenden Erwägungen bestimmen und sind in ihrer tatrichterlichen Beurteilung insoweit lediglich an die Denk- und Natur-gesetze gebunden und müssen gedankliche Brüche und Widersprüche vermeiden (vgl. BVerwG, a.a.O.; vgl. auch zu den Anforderungen bei Zeugen vom Hörensagen BVerfGE 57, 250). Vorliegend stellt sich dem Senat aber nicht einmal die Frage, ob mit Blick auf die Gesamtheit der zu würdigen Umstände der Beweis hier mit Hilfe eines "schlichten" Behördenzeugnisses geführt werden könnte. Es fehlt nämlich schon an der hinreichenden Darlegung von bestimmten tatsächlichen Anhaltspunkten, aus denen sich die Frontarbeitertätigkeit des Klägers ergeben soll. Wie ebenfalls aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folgt (a.a.O. unter Bezugnahme auf das Urteil vom 3. Dezember 2004, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 41 S. 77), können "schlichte" Behördenzeugnisse, die sich in pauschalen Behauptungen erschöpfen und nicht durch die Angabe konkreter, eine Einschätzung der Verlässlichkeit ermöglichender Tatsachen untermauert werden, dem Tatrichter regelmäßig nicht die volle Überzeugung von der Wahrheit substantiiert bestrittener Tatsachenbehauptungen vermitteln. [...]