Flüchtlingsanerkennung eines iranischen Staatsangehörigen wegen hervorgehobenen exilpolitischen Engagements für die CPI.
Flüchtlingsanerkennung eines iranischen Staatsangehörigen wegen hervorgehobenen exilpolitischen Engagements für die CPI.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
Die Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. [...]
a.) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter. [...]
Hiervon ausgehend kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf Vorfluchtgründe berufen. Sein diesbezügliches Vorbringen ist nicht glaubhaft. [...]
Für sogenannte subjektive Nachfluchtgründe, die der Asylbewerber nach dem Verlassen seines Heimatstaates aus eigenem Entschluss geschaffen hat, kommt eine Asylberechtigung nur ausnahmsweise und nur dann in Betracht, wenn sie sich als Ausdruck und Fortführung einer schon während des Aufenthalts im Heimatstaat vorhandenen und erkennbar betätigten festen Überzeugung darstellen (BVerfG, Beschluss v. 26. November 1986 – 2 BvR 1058/85 -, BVerfGE 74, 51, 65 ff.), mithin als notwendige Konsequenz einer dauernden, die eigene Identität prägenden und nach außen kundgegebenen Lebenshaltung erscheinen. Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG wird ein Ausländer (deshalb) in der Regel nicht als Asylberechtigter anerkannt, wenn die Gefahr politischer Verfolgung auf Umständen beruht, die er nach Verlassen seines Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffen hat, es sei denn, dieser Entschluss entspricht einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung. Dies vorangestellt, kommt eine Asylberechtigung des Klägers auf Grund seiner exilpolitischen Aktivitäten nicht in Betracht. Das Gericht nimmt dem Kläger nämlich aufgrund der oben im Einzelnen aufgezeigten Bedenken in Bezug auf die Glaubhaftigkeit seines Vorbringens nicht ab, dass er bereits in seinem Heimatstaat in regimekritischer Weise politisch aktiv gewesen ist. Es fehlt damit an dem für die Asylrelevanz solcher denkbaren Verhaltensweisen des Klägers erforderlichen sog. roten Faden zwischen seinem Verhalten im Iran und seinem in Deutschland manifestierten Nachfluchtverhalten.
Eine dem Kläger drohende Verfolgung ergibt sich mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auch nicht aufgrund der Asylantragstellung verbunden mit dem längeren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. [...]
b.) Demgegenüber hat der Kläger einen Anspruch die Feststellung, dass in seinem Fall die Voraussetzungen des Verbotes der Abschiebung politisch Verfolgter nach § 60 Abs. 1 AufenthG, der an die Stelle des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. getreten ist, hinsichtlich des Iran vorliegen. [...]
Hiervon ausgehend droht dem Kläger im Falle seiner Abschiebung in den Iran aufgrund seiner exilpolitischen Aktivitäten politische Verfolgung i.S.v. § 60 Abs. 1 AufenthG. [...]
Das Gericht geht auf Grund der bestehenden Auskunftslage davon aus, dass der iranische Geheimdienst die regimekritischen Aktivitäten von iranischen Exiloppositionsgruppen und Einzelpersonen genau beobachtet und umfassende Informationen zusammenstellt. Der Iran verfügt über einen starken und sehr professionell entwickelten Sicherheits- und Geheimdienstapparat. Die größte Gefahr sieht das iranische Regime in der Bedrohung sowohl durch die Inlands- als auch durch die Exilopposition (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz - BfV -, Auskunft an das VG Osnabrück vom 27. 11. 2006). Ferner ist den diesbezüglichen Auskünften des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu entnehmen, dass der Iran grundsätzlich alle oppositionellen Gruppen im Exil, regimekritische Einzelpersonen und Anhänger von Unabhängigkeitsbewegungen als potentielle Bedrohung ansehe und ihnen im Rahmen seiner Aufklärungsarbeiten Beachtung schenkt. Es bestehe seitens des iranischen Geheimdienstes ein Interesse an der Ausspähung aller regimefeindlichen Aktivitäten mit dem Ziel, Regimegegner zu kontrollieren und sie gegebenenfalls zu schwächen (vgl. Auskünfte an VG Wiesbaden vom 12. März 2003; an VG Leipzig vom 25.05.2004). Das Hauptaugenmerk liege dabei insbesondere auf Organisationen, von denen angenommen werde, dass sie aufgrund ihrer Propaganda das Ansehen des Iran im Ausland schädigen bzw. durch ihre Bereitschaft, Gewalt gegen öffentliche Vertreter und iranische Einrichtungen anzuwenden, eine Gefahr für die Sicherheit des Iran darstellen (vgl. Auskünfte an VG Leipzig vom 25.05.2004, an VG Braunschweig vom 16.01.2003; an VG Schleswig vom 28.01.2003). Grundsätzlich sieht der Iran alle oppositionellen Gruppen und regimekritische Einzelpersonen als potenzielle Bedrohung an; Anhänger dieser Gruppen sind insofern Ziel einer permanenten Ausspähung durch den iranischen Geheimdienst (vgl. BfV an VG Frankfurt am Main vom 16.01.2004). Auch nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes (vgl. hierzu nur den neuesten Lagebericht vom 18.03.2008) ist davon auszugehen, dass iranische Stellen die im Ausland tätigen Oppositionsgruppen genau beobachten.
Allerdings ist in die Betrachtung, welche exilpolitischen Aktivitäten bei einer Rückkehr in den Iran Verfolgungsmaßnahmen nach sich ziehen, gleichfalls der Umstand einzubeziehen, dass den iranischen Sicherheitsbehörden auf Grund ihrer intensiven Beobachtungsmaßnahmen auch bewusst ist, dass ein nach außen zum Ausdruck gebrachtes politisches Engagement vielfach nicht wirklich ernsthaft gemeint ist und nur zur Erlangung von Vorteilen im Asylverfahren an den Tag gelegt wird (vgl. Deutsches Orient Institut - DOI - vom 03.02.2006 an VG Wiesbaden). Die schwierigen und aufwendigen Ermittlungen zur Identifizierung eines Asylsuchenden werden die iranischen Stellen deshalb auf diejenigen Personen beschränken, die auf Grund besonderer Umstände über die massentypischen und niedrigprofilierten Erscheinungsformen exilpolitischer Proteste hinaus Funktionen wahrgenommen und/oder Aktivitäten entwickelt haben, die den jeweiligen Asylsuchenden aus der Masse der mit dem Regime in Teheran Unzufriedenen herausheben und als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner erscheinen lassen. Der üblichen (einfachen) Mitgliedschaft iranischer Asylsuchender in Exilorganisationen von im Iran verbotenen oppositionellen Parteien, die Teilnahme an Veranstaltungen dieser Organisation, der Teilnahme an regimekritischen Demonstrationen und das hierbei übliche Tragen von Plakaten, sowie Rufen von Parolen, der Teilnahme an regimekritischen Veranstaltungen, der ebenfalls typischen Betreuung von Büchertischen und dem Verteilen von Informations- und Propagandamaterial in Fußgängerzonen eine Bedeutung für die Feststellung einer Verfolgungsgefahr beizumessen, erscheint deshalb von vorneherein ausgeschlossen. Die bloße Teilnahme an Demonstrationen oder etwas ähnliches zieht insoweit noch keine Verfolgung nach sich (vgl. DOI, Gutachten vom 18. August 2003 an das Verwaltungsgericht Wiesbaden). Gleiches gilt für die standardmäßigen exilpolitischen Aktivitäten, Veröffentlichungen und Versammlungen, die aus Sicht eines iranischen Amtswalters als notwendiger Teil eines in Europa mit dem Ziel der Erreichung eines gefestigten Aufenthaltsrechts betriebenen Asylverfahrens erscheinen (vgl. DOI, Gutachten vom 03.02.2006 an VG Wiesbaden). Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz führt insoweit aus, dass die iranischen Stellen von Fall zu Fall je nach Bedeutung der Person bzw. der Organisation, der politischen Situation im Iran und der außenpolitischen Lage des Landes entscheiden, ob und gegebenenfalls wie gegen dort interessierende Personen vorgegangen wird (vgl. BfV vom 30.08.2006 an VG Osnabrück). Auch nach Dafürhalten des Auswärtigen Amtes gehen die iranischen Stellen davon aus, dass viele iranische Asylbewerber in Deutschland Oppositionsaktivitäten entwickeln, um einen Nachfluchtgrund geltend machen zu können. Daher würden sich nur führende Persönlichkeiten der Oppositionsgruppen bei einer Rückkehr einer reellen Gefährdung aussetzen, die z.B. als Redner, Verantwortlicher oder leitender Funktionsträger in Erscheinung treten und zum Sturz des Regimes aufrufen (vgl. hierzu nur die neuesten Lageberichte vom 18.03.2008, 04.07.2007). [...]
Zu der Gefährdungssituation monarchistischer Gruppen hat die vormals für Asylbegehren von Staatsangehörigen aus dem Herkunftsland Iran zuständige 2. Kammer in der Besetzung des Einzelrichters der nunmehr zuständigen 3. Kammer des Verwaltungsgerichts in ihrem in das vorliegende Verfahren eingeführte Urteil vom 24. November 2004 (Az.:2 K 2225/97.A) in Auswertung der seinerzeit gegebenen Auskunftslage folgende Feststellungen getroffen: [...]
Unter Berücksichtigung der neueren Auskünfte und Gutachten ergibt sich, dass die noch für die Zeit der Jahre 2003 und 2004 anzunehmende hervorgehobene Bedeutung der monarchistischen Gruppen und deren hervorgehobener Einfluss im Spektrum der iranischen Opposition zu relativieren ist. [...]
Von dieser Beschreibung der neueren Entwicklungen mit der Folge einer Einschränkung der Bedeutung der exiloppositionell tätigen Monarchisten ausgehend und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass den iranischen Behörden bekannt ist, dass viele Iraner exilpolitische Aktivitäten nur zum Zwecke der Erreichung eines Anspruchs auf Anerkennung als Asylberechtigter bzw. auf Abschiebungsschutz an den Tag legen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch: DOI, Gutachten an VG Wiesbaden vom 03. Februar 2006), kann jedenfalls bei einfachen Mitgliedern monarchistisch ausgerichteter Exilgruppen eine Gefährdung nicht (mehr) angenommen werden, wovon etwa noch das Kompetenzzentrum Orient-Okzident des Geografischen Instituts der Johannes Gutenberg Universität Mainz, das ein generelles Gefährdungspotential für Mitglieder monarchistischer/nationalistischer Organisationen angenommen hat (vgl. die Gutachten vom 19. August 2003 an VG Wiesbaden zur 20 UFIN und NID), ausgegangen ist. In einem neueren Gutachten des Kompetenzzentrums Orient-Okzident Mainz (vom 20.03.2006 an VG Wiesbaden) wird zudem darauf hingewiesen, dass aufgrund der derzeitigen internationalen (z.B. Atomstreit, Holocaustbemerkungen) sowie nationalen (separatistische Aufstände, besonders der iranischen Araber in Khusistan/Arabistan) Situation die nationalistischen/monarchistischen Exilorganisationen ihre Aktivitäten gegen die iranische Regierung reduziert hätten; eine besonderer Gefährdung für einen iranischen Asylbewerber (dort der Kläger zu 1.), der sich zunächst bei der NID und später bei der UFIN durch regelmäßige Treffen und Demonstrationen betätigt hat, verneint das Kompetenzzentrum nunmehr auch.
Gleichwohl ist nach wie vor davon auszugehen, dass die iranischen Monarchisten im Iran (selbstredend) verboten sind (vgl. nur DOI vom 10.10.2005 an VG Sigmaringen). Auch ist in die Betrachtung einzubeziehen, dass es insbesondere in der Zeit um das Jahr 2003 einen Bedeutungszuwachs der Monarchisten gegeben hat (vgl. die oben im einzelnen wiedergegebenen Gutachten des DOI vom 26. Mai 2003 an das Verwaltungsgericht Schleswig und an das Verwaltungsgericht Kassel) und es damals auch Verbindungen der Monarchisten auf nationalistische Kreise im Iran selbst und (über diese Verbindung und Wechselwirkung abgeleitet) die politisch aktiven Studenten (vgl. DOI vom 10.10.2005 an VG Sigmaringen) gegeben hat. Damit dürfte den iranischen Machthabern und Behörden aber zugleich auch deutlich geworden sein, dass Ideen der Monarchisten auch viele Jahre nach der Revolution 1979 im Iran durchaus noch auf Gehör und einen gewissen Widerhall treffen können, sei es in nationalistischen Kreisen oder in Kreisen politisch aktiver Studenten, diese Gefahr jedenfalls nicht von vornherein auszuschließen ist. [...]
Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass eine Gefährdung für in monarchistische Organisationen oder Parteien aktive iranische Asylbewerber nicht generell droht und exilpolitische Aktivitäten für monarchistische Organisationen vielmehr nur bei exponiertem Hervortreten mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungsgefahr begründen. Letzteres trifft im vorliegenden Einzelfall auf den Kläger zu. Zu dieser Einschätzung führt aber noch nicht, dass der Kläger an Demonstrationen teilgenommen hat; sie würden ihn in der Masse iranischer Asylbewerber noch nicht in besonderer Weise auffällig erscheinen lassen, zumal sie in quantitativer Hinsicht eher im unteren Bereich möglicher Aktivitäten liegen. Gleiches würde gelten, soweit sich sein Engagement in der monarchistisch ausgerichteten Partei der iranischen Konstitutionalisten (Constitutionalist Party of Iran; CPI) auf eine einfache Mitgliedschaft und auf die Teilnahme an Sitzungen, Parteiversammlungen oder Mitgliedertreffen beschränkt hätte. Allerdings ist der Kläger nunmehr exponiert im oben genannten Sinne in Erscheinung getreten, indem er sich am 04. Oktober zur Vorstandswahl hat aufstellen lassen und in den Vorstand der CPI der Sektion B-Stadt gewählt worden ist. [...]