Flüchtlingsanerkennung eines ehemaligen Mitglieds der Volksmudschaheddin, das sich im Lager Ashraf im Irak aufgehalten hat.
Flüchtlingsanerkennung eines ehemaligen Mitglieds der Volksmudschaheddin, das sich im Lager Ashraf im Irak aufgehalten hat.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
Die Klage ist zulässig und in der Sache auch begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 26.11.2008 für ihn feststellt, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG gegeben sind. [...]
1. Auch nach nochmaliger Überprüfung und Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung geht das erkennende Gericht weiterhin davon aus, dass die Angaben des Klägers zu den Erlebnissen im Iran bzw. im Irak und insbesondere zu seinen Aktivitäten bei den Volksfeddajin/Mudjaheddin richtig sind. Der Kläger hat insoweit einen in sich schlüssigen, nachvollziehbaren Lebenssachverhalt geschildert, der zudem nach dem Inhalt der vorliegenden Generalakten Iran nicht als einzigartig oder einmalig angesehen werden kann, sondern vielmehr dem entspricht, was sich in einer Vielzahl von Fällen tatsächlich ereignet hat. [...]
Insgesamt überzeugend sind auch die Gründe, aus denen der Kläger die wirklichen Asylgründe nicht bereits im ersten Asylverfahren angegeben hat, sondern erst im später eingeleiteten Folgeverfahren. Insoweit konnte er in nachvollziehbarer Weise darlegen, aus welchen zumindest subjektiv verständlichen Gründen er sich seinerzeit gehindert sah, sein richtiges Verfolgungsschicksal offenzulegen und er statt dessen einen unzutreffenden Sachverhalt geschildert hat. Widersprüche bei den Angaben des Klägers zeigen sich weder hinsichtlich seiner geschilderten Aktivitäten für die Volksmudjaheddin noch in Bezug auf die vom Kläger geschilderten Erlebnisse bei seinem ersten Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland; insgesamt wird auch insoweit ein in sich schlüssiger Sachverhalt mit näheren Einzelheiten geschildert.
Ist jedoch davon auszugehen, dass der Kläger jedenfalls früher Mitglied bei den Volksmudjaheddin gewesen ist, kann ihm entgegen der Ansicht der Beklagten und auch unabhängig von etwaigen politischen Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland eine Rückkehr in den Iran nicht zugemutet werden. Insoweit führt auch der neuste Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 23.02.2009 u.a. aus, dass eine Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen zu staatlichen Zwangsmaßnahmen führen kann. Als verbotene Organisationen werden insbesondere die linksorientierten wie z.B. die Volksmudjaheddin genannt. Weiter wird ausgeführt, dass insbesondere gegen Mitglieder der Volksmudjaheddin in der Vergangenheit Strafen auch wegen bloßer Mitgliedschaft in der Organisation verhängt worden sind. Selbst wenn es zutrifft, dass seit September 2004 das Internationale Komitee vom Roten Kreuz über 500 Personen mit einer MEK-Vergangenheit aus dem Irak auf dem Landweg zurückgeführt hat, ohne dass diese - soweit bekannt - von staatlicher Seite behelligt wurde, führt der Lagebericht des Weiteren aus, dass nach Berichten des UNHCR Rückkehrer mit MEK-Vergangenheit gezwungen worden sind, ihre Aktivitäten in der iranischen Opposition preiszugeben und Informationen über die Insassen des Camps Ashraf zu offenbaren. Insbesondere bei Berücksichtigung des Umstandes, dass sich in dem genannten Camp im Irak nach Angaben des Lageberichtes noch immer mehrere 100 MEK-Mitglieder im Irak aufhalten, besteht auch für den Kläger die konkrete Gefahr, bei einer Rückkehr in den Iran zu seinen Aktivitäten bei den Volksmudajheddin bzw. zu dieser Gruppierung insgesamt befragt zu werden. Diese konkrete Gefahr wird aus Sicht des Gerichts noch weiter dadurch erhöht, dass sich der Kläger nach seinen Angaben, die auch insoweit glaubhaft sind, regelmäßig in Hannover mit iranischen Oppositionellen trifft. Da nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes davon auszugehen ist, dass iranische Stellen die im Ausland tätigen Oppositionsgruppen genau beobachten, ohne dass damit in jedem Fall eine reale Gefährdung verbunden sein muss, besteht jedoch für den Kläger mit seiner MEK-Vergangenheit eine gesteigerte Gefahr, im Iran zumindest in den Verdacht zu geraten, weiterhin den Ideen der Volksmudjaheddin anzuhängen. Wenn des Weiteren berücksichtigt wird, dass nach den Angaben im Lagebericht vom 23.02.2009 bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle die Strafverfolgungsbehörden oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten erheben und des Weiteren, dass seelische und körperliche Folter bei Verhören, in der Untersuchungshaft und im Strafvollzug vorkommen, kann jedenfalls dem Kläger des vorliegenden Verfahrens nicht zugemutet werden, sich einer etwaigen Befragung durch iranische Sicherheitsbehörden auszusetzen. Selbst wenn der Kläger bei etwaigen Verhören nähere Angaben zu den Volksmudjaheddin machen sollte, kann er zur Überzeugung des Gerichts nicht davon ausgehen, dass er im Iran angemessen und unter Beachtung seiner seelischen und körperlichen Unversehrtheit behandelt wird. Noch weniger dürfte dies gelten, wenn sich der Kläger weigern sollte, ihm bekannte Informationen über die Volksmudjaheddin den Sicherheitskräften preiszugeben. Gründe, die gegen die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer asylrechtlich relevanten Verfolgung des Klägers im Iran sprechen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich; insbesondere durch die Vorgänge bei der Übersetzung des Personalausweises des Klägers im Iran, wie sie in der mündlichen Verhandlung geschildert worden sind, wird vielmehr noch der Eindruck bestärkt, dass der Kläger zu den Personen gehört, die im Falle einer Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer asylrechtlich relevanten Verfolgung unterliegen.
Das erkennende Gericht sieht sich in dieser Einschätzung nicht zuletzt bestätigt durch die von der Klägerseite genannten Entscheidungen des VG Frankfurt am Main vom 16.07.2008 - 7 K 325/08.F.A - und des VG Düsseldorf vom 17.12.2008 - 2 K 4317107.A -.
Wenn zum Beispiel in der genannten Entscheidung des VG Düsseldorf ausgeführt wird, dass zurückgekehrte Volksmudjaheddin keineswegs unbehelligt geblieben sind, sondern vielmehr von den iranischen Behörden gezwungen worden sind, über ihre Aktivitäten in der iranischen Opposition zu berichten und dabei auch Informationen über andere Mitglieder zu offenbaren und des Weiteren dargelegt wird, dass sich die Situation dieser Personen zudem seit dem Amtsantritt Ahmadenischads nochmals drastisch verschlechtert hat, spricht auch dies gegen die Annahme, eine Rückkehr in den Iran sei für den Kläger zumutbar, selbst wenn er dann von Sicherheitskräften befragt würde. [...]