VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 23.03.2009 - 20 ZB 09.30058 - asyl.net: M15399
https://www.asyl.net/rsdb/M15399
Leitsatz:

Ein Asylantrag gilt nicht gem. § 14 a Abs. 2 AsylVfG als gestellt, wenn zwar ein Elternteil die dort genannten Voraussetzungen erfüllt, der andere aber über einen anderen Aufenthaltstitel als eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG verfügt.

Schlagwörter: Verfahrensrecht, Antragsfiktion, Kinder, in Deutschland geborene Kinder, Aufenthaltserlaubnis, Eltern, Berufungszulassungsantrag, grundsätzliche Bedeutung
Normen: AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1; AsylVfG § 14a Abs. 2
Auszüge:

[...]

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG nicht vorliegt. [...]

Die Beklagte hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, "ob ein fiktives Asylverfahren nach Anzeige der Geburt eines Kindes im Bundesgebiet dann nicht durchzuführen ist, wenn ein sorgeberechtigter Elternteil einen Aufenthaltsstatus besitzt, der stabiler und besser‚ ist als die in § 14 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG genannten".

Diese Rechtsfrage lässt sich aufgrund einer einfachen Rechtsanwendung mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten und indiziert keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf. [...]

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Anzeige der Geburt der Klägerin beim Bundesamt die Einleitung eines fiktiven Asylverfahrens nicht bewirken konnte, weil die sorgeberechtigte Mutter eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG und damit ein nicht in § 14 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG genanntes Aufenthaltsrecht besitzt. Zwar könnte der bloße Wortlaut des § 14 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG auf die Möglichkeit einer Antragsfiktion bereits dann hindeuten, wenn "ein Elternteil" die Voraussetzungen dieser Norm erfüllen würde. Eine solche, allein am Wortlaut orientierte Auslegung des Gesetzes widerspräche jedoch dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck. Laut der Gesetzesbegründung soll durch die Einführung der fiktiven Asylantragstellung für ledige Kinder bis zum vollendeten 16. Lebensjahr verhindert werden, dass durch sukzessive Asylanträge überlange Aufenthaltszeiten in Deutschland ohne aufenthaltsrechtliche Perspektive für die Betroffenen entstehen (vgl. BT-Drs. 15/420 S. 108). Der Gesetzgeber wollte so genannte Kettenasylanträge unterbinden, wenn die Eltern – oder der sich allein im Bundesgebiet aufhaltende Elternteil – lediglich eine Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung (§ 63 AsylVfG) besitzen, nach Abschluss des Asylverfahrens ohne Aufenthaltstitel in Deutschland geduldet werden (§ 60 a AsylVfG) oder sich mit einer humanitären Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufhalten, d.h. deren Abschiebung mehr als 18 Monate ausgesetzt war (§ 25 Abs. 5 AufenthG). In diesen Fällen ist die aufenthaltsrechtliche Position der Eltern nicht geeignet, dem Kind eine eigene aufenthaltsrechtliche Perspektive zu vermitteln (vgl. auch § 29 Abs. 3 Satz 3 AufenthG). Die Anzeigepflicht entfällt nach sinngemäßer Auslegung des § 14 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG aber dann, wenn ein sorgeberechtigter Elternteil einen Aufenthaltsstatus besitzt, der über die in dieser Vorschrift genannten Aufenthaltsrechte hinausgeht, wie hier die Mutter der Klägerin mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG. Dieser Aufenthaltstitel kann für die im Bundesgebiet geborene Klägerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 33 Abs. 2 AufenthG rechtfertigen. Die dargelegte Gesetzesinterpretation berücksichtigt zugleich den Schutzbereich des Art. 6 GG. [...]