[...]
Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Der von ihr allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor bzw. ist von der Klägerin nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügendenWeise dargelegt worden. [...]
Die Klägerin legt mit ihrem Zulassungsantrag nicht dar, dass die Ausweisungsverfügung des Beklagten ermessensfehlerhaft ist. [...]
Entgegen dem Vorbringen der Klägerin liegt hier ein Ermessensfehlgebrauch nicht in der Weise vor, dass der Beklagte nicht alle entscheidungserheblichen Tatsachen und Gesichtspunkte in die Abwägung der widerstreitenden Interessen einbezogen hat. Er hat die zugunsten der Klägerin sprechenden Belange, soweit ihm diese mitgeteilt worden oder aus dem Verfahren bekannt gewesen sind, in seine unter dem 18. September 2008 ergänzte Ermessensentscheidung eingestellt und entsprechend ihrer Bedeutung mit den für eine Ausweisung streitenden öffentlichen Belangen abgewogen.
Dies trifft insbesondere in Bezug auf die Einwände der Klägerin im Hinblick auf eine gefestigte Integration in der Bundesrepublik Deutschland zu. Insoweit steht die Ausweisung der Klägerin auch im Einklang mit Art. 8 EMRK. Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens; Art. 8 Abs. 2 EMRK regelt die Zulässigkeit von Eingriffen von staatlichen Stellen in die Ausübung dieses Rechts. Wesentliches Ziel der Vorschrift ist der Schutz des Einzelnen vor willkürlicher Einmischung der öffentlichen Gewalt in das Privat- und Familienleben. Allerdings begründen die EMRK und damit auch die Garantien des Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht das Recht eines Ausländers, in einen bestimmten Staat einzureisen oder sich dort aufzuhalten und nicht ausgewiesen zu werden (vgl. EGMR, Urteil vom 16. September 2004 - 11103/03 [Ghiban ./. Deutschland] -, NVwZ 2005, 1046, 1047 und Urteil vom 16. Juni 2005 - 60654/00 [Sisojeva ./. Lettland] -, InfAuslR 2005, 349). Über die Einreise, den Aufenthalt und die Abschiebung fremder Staatsangehöriger zu entscheiden, ist nach allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsätzen vielmehr das Recht der Vertragsstaaten (vgl. EGMR, Urteil vom 16. September 2004, a.a.O., und Urteil vom 7. Oktober 2004 - 33743/03 [Dragan u.a. ./. Deutschland] -, NVwZ 2005, 1043, 1044). Ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens lässt sich angesichts dieser Regelungskompetenz der Vertragsstaaten nicht schon allein mit dem Argument bejahen, ein Ausländer halte sich bereits seit geraumer Zeit im Vertragsstaat auf und wolle dort sein Leben führen (vgl. EGMR, Urteil vom 7. Oktober 2004, a.a.O.).
Durch die Ausweisung werden die nach Art. 8 EMRK geschützten Bindungen der Klägerin nicht nachteilig berührt. Da die Klägerin bisher nicht über einen Aufenthaltstitel verfügt und deshalb ohnehin vollziehbar ausreisepflichtig ist, treten die Wirkungen einer Ausweisung nach § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG nicht ein. Eine spätere Aufenthaltsbeendigung erfolgt vielmehr auf Grundlage der bestehenden Abschiebungsandrohung. Zudem ist davon auszugehen, dass der Beklagte der Klägerin wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der Roma aus dem Kosovo aufgrund des Erlasses des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres, Sport und Integration vom 24. Oktober 2008 über die Rückführung in die Republik Kosovo nach ihrer Haftentlassung erneut eine Duldung erteilen wird. Daher steht unmittelbar eine Aufenthaltsbeendigung nicht bevor. Zwar kann die Klägerin grundsätzlich abgeschoben werden, sobald das Abschiebungshindernis entfallen ist. Da die Klägerin aber bisher stets geduldet worden ist, ist der Beklagte nach § 60a Abs. 5 AufenthG verpflichtet, gegenüber der Klägerin eine etwaige Abschiebung anzukündigen, so dass die Klägerin hinreichend Gelegenheit hat, gegen eine angekündigte Abschiebung gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen (vgl. EGMR, Urteil vom 13. Oktober 2005 - 40932/04 [Yildiz ./. Deutschland] -, juris).
Ungeachtet dessen kommt im Hinblick auf den Schutz des Privatlebens einer aufenthaltsrechtlichen Entscheidung grundsätzlich Eingriffsqualität in Bezug auf Art. 8 Abs. 1 EMRK nur dann zu, wenn der Ausländer ein Privatleben, das durch persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen charakterisiert ist, faktisch nur noch im Aufenthaltsstaat als Vertragsstaat der EMRK führen kann. Ob eine solche Fallkonstellation für einen Ausländer in Deutschland vorliegt, hängt zum einen von der Integration des Ausländers in Deutschland, zum anderen von seiner Möglichkeit zur (Re-) Integration in seinem Heimatland ab. Gesichtspunkte für die Integration des Ausländers in Deutschland sind dabei eine zumindest mehrjährige Dauer des Aufenthalts in Deutschland, gute deutsche Sprachkenntnisse und eine soziale Eingebundenheit in die hiesigen Lebensverhältnisse, wie sie etwa in der Innehabung eines Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes, in einem festen Wohnsitz, einer Sicherstellung des ausreichenden Lebensunterhalts einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel und dem Fehlen von Straffälligkeit zum Ausdruck kommt. Maßgeblich zu berücksichtigen ist auch die Rechtmäßigkeit des bisherigen Aufenthalts (vgl. EGMR, Urteil vom 8. April 2008 - 21878/06 [Nnyanzi ./. Vereinigtes Königreich], Newsletter Menschenrechte 2008, S. 86).
Für eine Integration der Klägerin in die hiesigen Lebensverhältnisse spricht, dass sie sich seit mehr als 20 Jahren im Bundesgebiet aufhält. Es ist ferner davon auszugehen, dass sie ihrer Schulpflicht nachgekommen ist und die deutsche Sprache beherrscht. Zudem hat die Klägerin ihre wesentlichen familiären und sozialen Bindungen im Bundesgebiet. Allerdings kommt hier dem langjährigen Aufenthalt ein besonderes Gewicht nicht zu. Denn die Klägerin war – abgesehen von der Aufenthaltsgestattung während des ersten Asylverfahrens – vollziehbar ausreisepflichtig und deshalb lediglich geduldet. Es ist nicht von erheblicher Bedeutung, dass der Aufenthalt der Klägerin im Bundesgebiet nicht auf ihre Entscheidung zurückzuführen ist. Im Übrigen ist die Klägerin ihrer vollziehbaren Ausreisepflicht auch nach Eintritt ihrer Volljährigkeit im Oktober 2005 nicht nachgekommen. Diese Gesichtspunkte hat der Beklagte seiner Entscheidung zugrunde gelegt.
Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte davon ausgegangen ist, dass insgesamt überwiegende Gründe gegen eine gefestigte Integration in der Bundesrepublik Deutschland sprechen. Die Klägerin hat eine Förderschule besucht und diese mit Ende der 8. Klasse ohne Abschluss verlassen. Auch in dem nachfolgenden Berufsgrundbildungsjahr hat die Klägerin einen erfolgreichen Schulabschluss nicht erreichen können. Ihr ist es weiterhin nicht gelungen, eine Berufsausbildung zu beginnen oder eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. In wirtschaftlicher Hinsicht ist der Klägerin nicht ansatzweise eine Integration gelungen. [...]
Gegen eine Integration der Klägerin spricht aber vor allem, dass sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet über einen längeren Zeitraum vielfach und erheblich straffällig geworden ist. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Verurteilungen für die einzelnen Taten im unteren Bereich des Strafrahmens geblieben sind. Hieraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass es sich um unbedeutende Straftaten handelt. [...]
Weiter ist davon auszugehen, dass eine Integration der Klägerin in ihrem Heimatland nicht mit unzumutbaren Schwierigkeiten verbunden ist. [...]