VG Münster

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Zitieren als:
VG Münster, Urteil vom 20.03.2009 - 1 K 210/08 - asyl.net: M15403
https://www.asyl.net/rsdb/M15403
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Staatsangehörigkeitsrecht, Einbürgerung, Anspruchseinbürgerung, Ermessenseinbürgerung, gewöhnlicher Aufenthalt
Normen: StAG § 10 Abs. 1; StAG § 8
Auszüge:

[...]

Die Ablehnung des Einbürgerungsantrags des Klägers ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). [...]

Einer Einbürgerung des Klägers steht entgegen, dass er seinen gewöhnlichen rechtmäßigen Aufenthalt nicht über acht Jahre im Inland hatte und damit eine der Grundvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 StAG nicht erfüllt.

Der Kläger verfügt zwar seit dem 14. Dezember 2000 durch eine von dem Beklagten erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis über einen rechtmäßigen Aufenthaltstitel, so dass sich sein Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland als rechtmäßig darstellt, jedoch hält sich der Kläger nicht dauerhaft in Deutschland auf, so dass es an einem "gewöhnlichen Aufenthalt" im Sinne des § 10 Abs. 1 StAG fehlt. Der Begriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" im Sinne dieser Vorschrift wird von der Wohnsitznahme nach Bürgerlichem Recht (§ 7 BGB) unterschieden. Der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts wird durch ein längeres tatsächliches Verweilen an einem bestimmten Ort oder in einem bestimmten Land charakterisiert. Mit dem "gewöhnlichen Aufenthalt" ist danach nicht der Ort eines nur vorübergehenden Verweilens gemeint, selbst wenn der Ort den Schwerpunkt der Bindung einer Person, insbesondere in familiärer Hinsicht darstellt (vgl. BGH, Urt. v. 5. Februar 1975 - IV ZR 103/73 -, NJW 1975, 1068).

Der vom Kläger geäußerte Wille und seine Absicht, sich dauerhaft im Bundesgebiet niederlassen zu wollen, sind für die Bestimmung des "gewöhnlichen" Aufenthalts unbeachtlich, weil es allein auf den tatsächlichen Umstand eines längerfristigen, dauerhaften Aufenthaltes ankommt. Wie der BGH in der zuvor zitierten Entscheidung ausgeführt hat, kommt es für die Bestimmung des "gewöhnlichen Aufenthaltsortes" nicht auf den Willen des Ausländers an, "den Aufenthaltsort zum Mittelpunkt oder Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen". Maßgeblich ist allein eine nach objektiven Tatsachen und Umständen zu beurteilende längerfristige Verweildauer an einem Ort oder in einem bestimmten Land aus beruflichen oder familiären Gründen, die die Annahme rechtfertigen, dass es sich bei dem Aufenthaltsort um den Lebensmittelpunkt des Einbürgerungsbewerbers handelt. Mit Blick auf die unterschiedlichen aufenthaltsrechtlichen Legalisierungstatbestände verlangt deshalb auch die höchstrichterliche Verwaltungsrechtsprechung, dass die Rechtmäßigkeit sich auf den dauernden (gewöhnlichen) Aufenthalt beziehen, ihn also "abdecken" muss. Es kommt danach nicht auf die bloße Anwesenheit des Ausländers an, der sich hin und wieder einmal im Bundesgebiet aufhalte, vielmehr muss es sich für den Einbürgerungsbewerber um einen rechtmäßigen "Daueraufenthalt" im Inland handeln (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urt. v. 23. Februar 1993 - 1 C 45.90 -, NVWZ 1993, 782 f. = BVerwGE 92, 116 (126 f.)).

Das Bundesverwaltungsgericht stellt den "gewöhnlichen Aufenthalt" des § 85 AuslG a.F. dem "dauernden Aufenthalt" in Artikel 2 des Gesetzes zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 29. Juni 1977 (BGBl. I, S. 1101) gleich (vgl. BVerwG, a.a.O., bestätigt durch Beschluss vom 29. September 1995 - 1 B 236/94 -, NVWZ 1996, 717 f. = AuAS 1996, 18 ff.).

Der Aufenthaltsort ist dann dauerhaft, wenn er aufgrund von Bindungen zum "Daseinsmittelpunkt" wird. Die Bindungen können dabei familiärer und/oder beruflicher Natur sein. Dies kann für einen deutschen Staatsangehörigen im Einzelfall bedeuten, dass es je nach familiärer oder beruflicher Bindung zwei Aufenthaltsorte geben kann, wenn es neben dem Ort einer familiären Bindung auch noch einen Ort der beruflichen Bindung gibt, etwa wenn ein deutscher Staatsangehöriger monatelang im Ausland seiner beruflichen Tätigkeit nachgehen muss, weil ihn sein Arbeitgeber zur Ausübung seiner Tätigkeit dorthin schickt. Dieser vom Kläger gebildete Beispielsfall ist mit dem vorliegenden Sachverhalt jedoch nicht vergleichbar. Zum einen kommt es für einen deutschen Staatsangehörigen nicht auf den "gewöhnlichen Aufenthaltsort" nach dem StAG an, zum anderen liegt der "Daseinsmittelpunkt" trotz längerer Abwesenheit im Inland, wenn der Arbeitgeber des Betroffenen selber in Deutschland beheimatet ist und sich auch die familiären Bindungen des Betroffenen im Inland befinden. Diese Voraussetzungen sind bei dem Kläger aber nicht gegeben. Einbürgerungsbewerber haben ihren dauernden (gewöhnlichen) Aufenthalt in Deutschland folglich dann, wenn sie hier nicht nur vorübergehend, sondern auf unabsehbare Zeit leben, so dass eine Beendigung ihres Aufenthalts ungewiss ist (vgl. insoweit auch Heilbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Auflage, München 2005, § 10 Rdnr. 16).

Der Kläger hat im Rahmen seiner steuerrechtlichen Verfahren vor dem Finanzamt selbst eingeräumt, dass er sich in den Jahren 2001 bis 2005 zum größten Teil auf dem Territorium von Russland und Weißrussland aufgehalten habe, was auch durch die Stempel bei den Grenzübertritten in seinem Reisepass bestätigt wird. Dort lag sein beruflicher Daseinsmittelpunkt, wie auch die von ihm vorgelegten Bescheinigungen der verschiedenen Filmgesellschaften belegen. [...] Aus diesem Grund habe er auch in N. eine Wohnung unterhalten, die für ihn praktisch der Ort seiner ständigen beruflichen Tätigkeit gewesen sei. Ausweislich der vorgelegten Meldebescheinigung der Republik C., Verwaltung des Kommunaldienstes, Registrierungsnummer 0700363 (Verwaltungsvorgang Bl. 100), ist der Kläger dort seit dem 5. Mai 1999 als ständig wohnhaft gemeldet.

Soweit der Kläger nunmehr vorträgt, dass er auch in der Bundesrepublik Deutschland seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe, da sein Sohn und seine Schwester hier lebten und er hier seine familiäre Bindung habe, folgt das Gericht diesem Vorbringen nicht. Der Kläger hat eingeräumt, dass er zwar regelmäßig nach Deutschland komme, um seinen Sohn und seine in Berlin lebende Schwester zu besuchen, dies aber nur, um seinen Sohn in den Ferien mit nach Russland zu nehmen. Von einem gemeinsamen Lebensmittelpunkt zusammen mit seinem Sohn und seiner Schwester in Deutschland kann vor diesem Hintergrund nicht die Rede sein. Abgesehen davon, dass der Kläger mit seinem Sohn keine gemeinsame Wohnung unterhält, sich auch nicht um die Pflege und Erziehung seines Sohnes kümmert, kommt der Kläger zudem, wenn es seine beruflichen Tätigkeiten es zulassen, nur hin und wieder ins Bundesgebiet, nicht aber um hier seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu haben, sondern um seinen elterlichen Verpflichtungen nachzugehen. Dies zeigt, dass sein Aufenthalt im Inland nicht gewöhnlicher (dauernder) Natur ist, sondern nur vorübergehender. [...]