VG Ansbach

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Zitieren als:
VG Ansbach, Urteil vom 17.03.2009 - AN 1 K 08.30174 - asyl.net: M15410
https://www.asyl.net/rsdb/M15410
Leitsatz:

Hat das Bundesamt nach dem 1.1.2005 die Voraussetzungen des Widerrufs einer Flüchtlingsanerkennung materiell geprüft und abgelehnt, setzt ein späterer Widerruf gem. § 73 Abs. 2 a S. 4 AsylVfG Ermessenserwägungen voraus, auch wenn dem Bundesamt diese Folge der früheren Prüfung nicht bekannt war.

 

Schlagwörter: Widerruf, Flüchtlingsanerkennung, Ermessen, Übergangsregelung, Zuwanderungsgesetz, Ausländerbehörde, Negativentscheidung
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 1; AsylVfG § 73 Abs. 2a
Auszüge:

Hat das Bundesamt nach dem 1.1.2005 die Voraussetzungen des Widerrufs einer Flüchtlingsanerkennung materiell geprüft und abgelehnt, setzt ein späterer Widerruf gem. § 73 Abs. 2 a S. 4 AsylVfG Ermessenserwägungen voraus, auch wenn dem Bundesamt diese Folge der früheren Prüfung nicht bekannt war.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Die zulässige Klage ist begründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 28. April 2008 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Das Bundesamt hat – wie die Formulierung: "die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, ist gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG zu widerrufen", zeigt – beim Erlass des Widerrufsbescheids kein Ermessen ausgeübt.

Die Beklagte war aber verpflichtet, gemäß § 73 Abs. 2 a Satz 4 AsylVfG im Ermessenswege über den Widerruf der Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, zu entscheiden. Die ab dem 1. Januar 2005 neu eingefügte Vorschrift des § 73 Abs. 2 a AsylVfG bestimmt, dass die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf vorliegen, spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung zu erfolgen hat (Satz 1). Das Ergebnis ist der Ausländerbehörde mitzuteilen (Satz 2). Ist nach Prüfung ein Widerruf nicht erfolgt, steht eine spätere Widerrufsentscheidung nach § 73 Abs. 1 AsylVfG im Ermessen (Satz 4). Eine Übergangsregelung für diese Vorschrift enthält das Gesetz nicht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 25.11.2008, 10 C 53.07) steht der Widerruf einer Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung erst dann nach § 73 Abs. 2 a Satz 4 AsylVfG im Ermessen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, wenn dieses zuvor in dem seit dem 1. Januar 2005 nach § 73 Abs. 2 a AsylVfG vorgeschriebenen Verfahren die Widerrufsvoraussetzungen sachlich geprüft und verneint hat (Negativentscheidung).

Geht man hiervon aus, so hätte das Bundesamt im Falle des Klägers die Entscheidung über den Widerruf des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG zwingend im Ermessenswege treffen müssen.

Die Anfrage der Stadtverwaltung ..., ob beim Kläger die Voraussetzungen für die Einleitung eines Widerrufs-/Rücknahmeverfahrens vorliegen, erfolgte am 18. Januar 2005, somit eindeutig nach dem hier maßgeblichen Stichtag vom 1. Januar 2005. Nach den Ausführungen des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung fand beim Bundesamt eine materielle Prüfung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG am 28. Januar 2005 statt. Die Widerrufsvoraussetzungen wurden somit sachlich geprüft und verneint (sog. Negativentscheidung, vgl. BVerwG, Urteil vom 25.11.2008, a.a.O.). Die entsprechende Mitteilung an die Stadtverwaltung ..., dass diese Voraussetzungen nicht vorliegen, erfolgte mit Schreiben des Bundesamtes vom 14. Februar 2005. Ob, wie vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung ebenfalls dargelegt, dem Bundesamt damals noch nicht bewusst war, dass diese Äußerung die Rechtsfolge des § 73 Abs. 2 a Satz 4 AsylVfG auslösen sollte, ist in diesem Zusammenhang nicht relevant. Denn nach der ab dem 1. Januar 2005 objektiv geltenden Gesetzeslage (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.11.2008, a.a.O.) spielen derartige subjektiven Überlegungen keine Rolle. [...]