VG Saarland

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Zitieren als:
VG Saarland, Beschluss vom 18.03.2009 - 2 L 62/09 - asyl.net: M15484
https://www.asyl.net/rsdb/M15484
Leitsatz:

3. "Einreise" i.S.v. § 39 Nr. 3 AufenthV ist die zeitlich letzte vor der Anspruchsentstehung erfolgte Einreise in das Bundesgebiet; auf den Zeitpunkt der Einreise in den Schengenraum kommt es dabei nicht an.

4. Aus Art. 18 Abs. 1 EG kann ein von der Einhaltung einer nationalen Visumspflicht unabhängiges und auch Sprachkenntnisse nicht voraussetzendes Aufenthaltsrecht eines Ausländers nicht hergeleitet werden.

 

Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Familienzusammenführung, Ehegattennachzug, Deutschverheiratung, Sprachkenntnisse, Visum, allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, Visumsverstoß, Visum nach Einreise, Eheschließung, Eheschließung im Ausland, Unionsbürger, Familienangehörige
Normen: VwGO § 80 Abs. 5; AufenthG § 28 Abs. 1; AufenthG § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; AufenthV § 39 Nr. 3; EG Art. 18 Abs. 1; RL 2003/86/EG Art. 7 Abs. 2
Auszüge:

3. "Einreise" i.S.v. § 39 Nr. 3 AufenthV ist die zeitlich letzte vor der Anspruchsentstehung erfolgte Einreise in das Bundesgebiet; auf den Zeitpunkt der Einreise in den Schengenraum kommt es dabei nicht an.

4. Aus Art. 18 Abs. 1 EG kann ein von der Einhaltung einer nationalen Visumspflicht unabhängiges und auch Sprachkenntnisse nicht voraussetzendes Aufenthaltsrecht eines Ausländers nicht hergeleitet werden.

(Amtliche Leitsätze)

 

[...]

Der bei sachgerechtem Verständnis des Rechtsschutzzieles der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 27.01.2009 gerichtete Antrag, mit dem ihr Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abgelehnt und sie unter Androhung der Abschiebung nach Russland zur Ausreise aufgefordert worden ist, ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG bzw. § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 VwGO i.V.m. § 20 SAGVwGO statthaft. Der auch im Übrigen zulässige Antrag bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. [...]

Allerdings setzt die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet gemäß § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG weiter voraus, dass sich der ausländische Ehegatte zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann. Davon kann im Falle der Antragstellerin derzeit indes nicht ausgegangen werden. [...]

Darüber hinaus steht der Erteilung der von der Antragstellerin begehrten Aufenthaltserlaubnis aber auch entgegen, dass die Antragstellerin ohne das für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erforderliche Visum eingereist ist. Die Antragstellerin war im Zeitpunkt ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland nämlich lediglich im Besitz eines Schengen-Visums für kurzfristige Aufenthalte im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, während es für den von ihr nunmehr begehrten längerfristigen Aufenthalt gemäß § 6 Abs. 4 AufenthG eines grundsätzlich vor der Einreise einzuholenden, dem angestrebten Aufenthaltszweck entsprechenden nationalen Visums bedurft hätte.

Die Antragstellerin war entgegen der von ihr vertretenen Auffassung auch nicht gemäß § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG i.V.m. § 39 AufenthV berechtigt, den von ihr begehrten Aufenthaltstitel nach der Einreise ins Bundesgebiet einzuholen. Die in § 39 AufenthVO normierten Voraussetzungen, nach denen über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen oder verlängern lassen kann, liegen nicht vor. Insbesondere ist hier § 39 Nr. 3 AufenthVO, der neben einem gültigen Schengen-Visum für kurzfristige Aufenthalte im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG verlangt, dass die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise entstanden sind, nicht einschlägig. Zwar ist die Antragstellerin mit einem entsprechenden Schengen-Visum eingereist. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sind unabhängig von den fehlenden Sprachkenntnissen im Sinne von § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG indes nicht nach der Einreise entstanden. Unter Einreise im Sinne des § 39 Nr. 3 AufenthV ist dabei nicht lediglich die letzte vor der Anspruchsentstehung erfolgte Einreise in den Schengenraum mit einem gültigen Schengen-Visum für kurzfristige Aufenthalte zu verstehen. Vielmehr fällt darunter jede Einreise ins Bundesgebiet, also auch die Wiedereinreise aus einem Schengenstaat, wie hier aus Dänemark nach der dort von der Antragstellerin am 06.01.2009 geschossenen Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 23.12.2008 – 19 CS 08.577, 19 C 08.3068 – unter Verweis auf die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 16/5065, S. 240, in der ausdrücklich auf eine Umgehungspraxis bei Heirat mit Deutschen in Dänemark Bezug genommen wird; ebenso HessVGH, Beschluss vom 22.09.2008 – 1 B 1628/08 -, NiedersOVG, Beschluss vom 28.08.2008 – 13 ME 131/08 –, jeweils zitiert nach juris, sowie VG Saarlouis, Beschluss vom 18.12.2008 – 5 L 1852/08 -, offengelassen OVG des Saarlandes, Beschluss vom 27.02.2009 – 2 B 469/08 –; a.A. Benassi, Unzureichende Änderung des § 39 Nr. 3 AufenthV im Falle dänischer Eheschließung, InfAuslR 2008, 127). [...]

Schließlich kann sich die Antragstellerin auch nicht aufgrund des Auslandsbezuges durch die Eheschließung in Dänemark als Ehefrau eines Unionsbürgers auf ein ihr für die Bundesrepublik Deutschland zustehendes Aufenthaltsrecht aus Art. 18 Abs. 1 EG berufen. Allein daraus, dass sie Familienangehörige eines Unionsbürgers ist, der anlässlich der Eheschließung in Dänemark von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat und in seinen Herkunftsmitgliedstaat zurückkehrt, kann die Antragstellerin ein von der Einhaltung einer nationalen Visumspflicht unabhängiges und auch Sprachkenntnisse nicht voraussetzendes Aufenthaltsrecht aus Art. 18 Abs. 1 EG nicht ableiten (so aber VG Freiburg, Beschluss vom 20.01.2009 – 1 K 2359/08 -; offengelassen VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.07.2008 a.a.O.).

Denn das nach Art. 18 Abs. 1 EG jedem Unionsbürger zustehende Recht, sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aufzuhalten, auf das sich die Antragstellerin beruft, besteht nicht vorbehaltslos, sondern unterliegt den im Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen (so auch ausdrücklich EuGH, Urteil vom 11.12.2007 – C 291/08 – m.w.N., NVwZ 2008, 402).

Insoweit ist aber zu berücksichtigen, dass Art. 7 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2003/86/EG des Rates betreffend das Recht auf Familienzusammenführung vom 22.09.2003 (Amtsbl. L 251 vom 03.10.2003, S. 12) den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit eröffnet, nach ihrem nationalen Recht von Drittstaatsangehörigen zu verlangen, dass sie Integrationsmaßnahmen nachkommen müssen. Entsprechende Integrationsmaßnahmen können dabei, wie sich aus dem Umkehrschluss aus Art. 7 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2003/86/EG ergibt, sofern es um den Familiennachzug zu einem deutschen Staatsangehörigen geht, auch vor der Einreise verlangt werden. Lässt Art. 7 Abs. 2 Satz 1 und 2 der Richtlinie 2003/86/EG mithin eine nationale Regelung zu, wonach ein Aufenthaltsrecht von dem Nachweis einfacher deutscher Sprachkenntnisse zwecks Erleichterung der Integration im Bundesgebiet abhängig gemacht werden kann, so kommt aber auch ein Aufenthaltsrecht der Antragstellerin ohne die in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG geforderten Sprachkenntnisse aus Art. 18 Abs. 1 EG ersichtlich nicht in Betracht (im Ergebnis ebenso VG Berlin, Urteil vom 19.12.2007 – VG 5 V 22.07 -, InfAuslR 2008, 165 sowie VG Koblenz, Beschluss vom 22.08.2008 – 3 L 849/08.KO –, zitiert nach juris). [...]