In Kerbala im Irak herrscht kein bewaffneter Konflikt gem. § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG; im Irak herrscht keine extreme allgemeine Gefahrenlage.
In Kerbala im Irak herrscht kein bewaffneter Konflikt gem. § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG; im Irak herrscht keine extreme allgemeine Gefahrenlage.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
Die zulässige Klage ist nicht begründet. [...]
Bei Anwendung dieser Grundsätze hat die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung nach § 60 Abs. 1 AufenthG.
Die Klägerin hat den Irak offensichtlich unverfolgt verlassen, denn sie ist nach ihrem ersten Vorbringen beim Bundesamt ausschließlich wegen der schlechten Sicherheitslage im Irak ausgereist und weil sie mit ihrem in Deutschland befindlichen Ehemann zusammenleben wollte. [...]
Eine konkret-individuelle Bedrohung oder Verfolgung durch quasistaatliche Gruppierungen oder nichtstaatliche Akteure (vgl. § 60 Abs. 1 S. 4 b. und c. AufenthG) ist ebenfalls unwahrscheinlich, da sich die Klägerin bei einer Rückkehr in den Irak wieder in ihre Heimatstadt Kerbala und damit in ein überwiegend von Schiiten bewohntes Gebiet (ca. 95 % der Bevölkerung) begeben kann, in dem sie keinen Vertreibungsmaßnahmen durch andere Volksgruppen (z.B. Sunniten) ausgesetzt ist. [...]
Bei der festgestellten Sachlage hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 Satz 2 und 1 AufenthG. [...]
Diese Vorschrift setzt die sich aus Art. 18 i.V.m. Art. 15 Buchst, c der Richtlinie 2004/83/EG (sog. Qualifikationsrichtlinie; im Weiteren: QRL) ergebenden Verpflichtungen auf Gewährung eines "subsidiären Schutzstatus" bzw. "subsidiären Schutzes" (vgl. Art. 15-18 und 24 QRL) in nationales Recht um.
Danach ist von einer Abschiebung abzusehen, wenn der betreffende Ausländer bei einer Rückkehr in seine Heimat als Zivilperson ("Angehöriger der Zivilbevölkerung") einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.
Bei der Auslegung, wann ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliegt, ist Art. 3 der Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht von 1949 und das zur Präzisierung erlassene Zusatzprotokoll II von 1977 zu berücksichtigen. Danach liegt ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, der sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken muss, jedenfalls dann vor, wenn die Kampfhandlungen von einer Qualität sind, wie sie u.a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind.
Dagegen liegt ein bewaffneter Konflikt nicht vor, wenn lediglich innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen gegeben sind.
Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst, c QRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind (vgl. hierzu i.E. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008 - 10 C 43.07, S. 13 in Juris).
Ein bewaffneter Konflikt begründet dabei ein Abschiebungsverbot i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG nur dann, wenn der Schutzsuchende von ihm ernsthaft individuell bedroht ist. Eine ernsthafte und individuelle Bedrohung im Sinne der Vorschrift ist aber bereits dann zu bejahen, wenn der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Gebiet allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Eine spezifische Betroffenheit aufgrund persönlicher gefahrerhöhender Umstände ist darüber hinaus nicht erforderlich (vgl. EuGH, Urteil vom 17.02.2009 - C-465/07 -; insoweit noch abweichend: BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - BVerwG 10 C 43.07 - beide in Juris).
Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin bereits deshalb nicht vor, weil diese bei einer Rückkehr in den Irak in ihre Heimatstadt Kerbala gehen kann und dort derzeit kein innerstaatlicher bewaffneten Konflikt im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 herrscht.
Nach den dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ist die weit überwiegende Bevölkerungsmehrheit (ca. 95 %) in Kerbala schiitischen Glaubens und handelt es sich auch bei den vor Ort existierenden Milizen ausschließlich um schiitische Gruppierungen. Ein bewaffneter offener Konflikt mit anderen Bevölkerungsgruppen (z.B. Sunniten) findet daher nicht statt.
Eben so wenig enthalten die vorliegenden Auskünfte Anhaltspunkte dafür, dass sich die in Kerbala präsenten schiitischen Milizen in bürgerkriegsähnlicher Weise gegenseitig bekämpfen.
Für die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne der genannten Vorschrift ist daher im vorliegenden Fall kein Raum.
Die Voraussetzungen für die Gewährung von (nationalem) Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor. [...]
Bei den bereits dargestellten Verhältnissen in der Heimatstadt der Klägerin mit einer weit überwiegenden Bevölkerungsmehrheit schiitischen Glaubens kann auch von einer extremen Sicherheitslage in dem oben genannten Sinne nicht ausgegangen werden. Es ist den vorliegenden Auskünften zwar zu entnehmen, dass es auch in Kerbala - wie in allen größeren Städten im Irak - in der Vergangenheit immer wieder zu terroristischen Sprengstoffattentaten mit zahlreichen Opfern gekommen ist. Die Zahl der Anschläge und Opfer rechtfertigt im Verhältnis zur Einwohnerzahl jedoch nicht die Feststellung, dass die Klägerin bei einer Rückkehr dorthin "sehenden Auges dem sicheren Tod" im Sinne der o.g. Rechtsprechung ausgeliefert wäre.
Von einer lebensbedrohlichen Versorgungslage kann schließlich ebenfalls nicht ausgegangen werden. Dies bedarf keiner vertiefenden Betrachtung, da die Klägerin selbst nicht Gegenteiliges behauptet hat. [...]