1. Der Begriff der Verfolgungshandlung im Sinne der Richtlinie 2004/83/EG setzt einen gezielten Eingriff in ein nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie geschütztes Rechtsgut voraus.
2. Eine Vorverfolgung im flüchtlingsrechtlichen Sinne kann nach der neuen Rechtslage im Hinblick auf § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG nicht mehr allein wegen einer zum Zeitpunkt der Ausreise bestehenden Fluchtalternative in einem anderen Teil des Herkunftsstaates verneint werden.
(Amtliche Leitsätze)
[...]
Hinsichtlich des allein noch anhängigen Begehrens der Klägerin auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist die Revision des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten - Bundesbeauftragter - begründet. [...]
1. Das Berufungsgericht hat der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zugesprochen, weil ihr in der Russischen Föderation (außerhalb Tschetscheniens) wegen ihrer Volkszugehörigkeit oder wegen ihrer Herkunft aus dem Nordkaukasus zumindest temporär die Registrierung und damit auch der Zugang zur staatlichen Gesundheitsfürsorge verweigert würde und ihr deshalb die dringend notwendige medizinische Behandlung mit der Folge vorenthalten würde, dass sie in eine konkret lebensbedrohliche Situation geriete, mindestens jedoch schweren gesundheitlichen Schaden nähme, ohne dass ihr in Tschetschenien eine interne Schutzalternative eröffnet wäre (UA Rn. 84 ff.). Diese Begründung hält einer revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand. [...]
a) Das Berufungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass in der - auch nach seiner Auffassung ansonsten nicht asylrelevanten - vorübergehenden Verweigerung der Registrierung wegen der besonderen Umstände im Fall der Klägerin eine Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 der Richtlinie liegt. Der Begriff der Verfolgungshandlung setzt nicht nur voraus, dass ein bestimmtes Verhalten des potentiellen Verfolgers für die schwerwiegende Verletzung eines grundlegenden Menschenrechts oder eine vergleichbar schwere Rechtsverletzung durch Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen (Art. 9 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie) ursächlich ist, sondern erfordert auch ein auf die Verletzung eines derart geschützten Rechtsguts zielendes Verhalten. Dies entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur asylerheblichen Verfolgung, wonach eine gezielte Rechtsverletzung, d.h. ein gezielter Eingriff in ein asylrechtlich geschütztes Rechtsgut erforderlich ist (vgl. die Grundsatzentscheidung BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 u.a. - BVerfGE 80, 315 334 f.>). Die Zielgerichtetheit bezieht sich nicht nur - wie das Berufungsgericht offenbar meint - auf die asylerheblichen Merkmale bzw. jetzt auf die Verfolgungsgründe im Sinne von Art. 10 der Richtlinie, an die die Handlung anknüpfen muss (vgl. Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie), sondern auch auf die durch die Handlung bewirkte Rechtsgutsverletzung selbst. Für ein solches Verständnis des Begriffs der Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 der Richtlinie spricht auch die Begründung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zu ihrem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates vom 12. September 2001, in der es - damals zu Art. 11 Abs. 1 des Vorschlags - heißt, dass als Verfolgung "ausschließlich Handlungen gelten, die absichtlich, fortdauernd oder systematisch ausgeführt werden und so gravierend sind, dass eine Rückkehr ins Herkunftsland ausgeschlossen ist" (KOM (2001) 510 endgültig S. 22).
Hiervon ausgehend kann die vorübergehende Verweigerung der Registrierung der Klägerin durch lokale Behörden in der Russischen Föderation unter den vom Berufungsgericht festgestellten Umständen nicht als auf das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Klägerin gerichtete Verfolgungshandlung angesehen werden. Soweit es um Registrierungsverweigerungen örtlicher Behörden außerhalb "großer" oder "größerer" Städte geht, fehlt es schon an der Kausalität der Verweigerung der Registrierung für die durch mangelnden Zugang zur staatlichen Gesundheitsfürsorge bedingten Gefahren für Leib, Leben und körperliche Unversehrtheit. Denn nach den eigenen Feststellungen des Berufungsgerichts steht die für die Klägerin erforderliche medizinische Behandlung (Langzeitpsychotherapie und Medikation) nur in den "großen" oder "größeren" Städten der Russischen Föderation zur Verfügung (UA S. 56 f. Rn. 93). Für Registrierungsverweigerungen in anderen Gebieten scheidet schon deshalb die Annahme einer Verfolgung aus.
Aber auch an den Orten, an denen die erforderliche medizinische Behandlung nach den Feststellungen des Berufungsgerichts möglich ist, liegt in der vorübergehenden Verweigerung der Registrierung der Klägerin keine Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie, da diese Verweigerung ihrem Charakter nach nicht auf eine Verletzung des hier in Rede stehenden grundlegenden Menschenrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit abzielt. Der oben dargestellte erforderliche finale Zusammenhang zwischen dem Verhalten des potentiellen Verfolgers und der Rechtsgutsverletzung wird bei einem aktiven Eingriff regelmäßig unproblematisch zu bejahen sein. Bei der hier in Rede stehenden Verweigerung der Registrierung handelt es sich bei wertender Betrachtung dagegen um eine Form der Unterlassung, nämlich um die Nichterteilung einer Zuzugsgenehmigung in eine bestimmte Stadt oder Gemeinde, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts - wenn nicht bereits außerprozessual abgeholfen wird - in aller Regel vor Gericht erstritten werden kann (UA S. 37 Rn. 51). Zwar kann auch in einer Unterlassung eine Verfolgung liegen, in derartigen Fällen bedarf es aber einer besonderen Prüfung, welche dadurch gegebenenfalls auch nur mittelbar verursachten Folgen diesem Verhalten noch als zielgerichtete Rechtsverletzungen zugerechnet werden können. Die vorübergehende Registrierungsverweigerung mag ein etwa bestehendes Recht auf Zuzug und damit das Recht auf Freizügigkeit innerhalb des Staatsgebiets gezielt verletzen. Dieses Recht gehört aber nicht zu den grundlegenden Menschenrechten, deren Verletzung nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie für die Annahme einer Verfolgungshandlung erforderlich ist (vgl. auch die dortige Verweisung auf Art. 15 Abs. 2 EMRK). Eine weitergehende Zielrichtung auf eine Verletzung auch des Rechtsguts des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit ist dagegen mit der Registrierungsverweigerung der lokalen Behörden unter den vom Berufungsgericht festgestellten Umständen nicht verbunden. Dies ergibt sich zwar nicht schon daraus, dass nach den Ausführungen des Berufungsgerichts den jeweiligen lokalen Behörden die in der Person der Klägerin bestehende medizinische Problematik in der Regel nicht bekannt sein wird (UA S. 59 Rn. 99). Denn insoweit kommt es nicht auf die ohnehin kaum feststellbaren künftigen subjektiven Vorstellungen des jeweiligen Sachbearbeiters an, sondern es ist - im Sinne einer objektiven Gerichtetheit - auf die Zielrichtung abzustellen, die der Maßnahme unter den jeweiligen Umständen ihrem Charakter nach zukommt. Mit der hier in Rede stehenden Registrierungsverweigerung ist aber nach dem Charakter der Maßnahme nicht ein Eingriff in das Leben oder die Gesundheit des Zuzugswilligen intendiert, sondern lediglich eine Aufenthaltnahme in anderen Landesteilen. Etwas anderes kann allerdings gelten, wenn derartigen Verweigerungen ein systematisches staatliches Verfolgungsprogramm zugrunde liegt, das eine Vorenthaltung von allgemein zur Verfügung stehender medizinischer Versorgung für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe und damit auch entsprechende Gefahren für Leben und Gesundheit dieser Gruppe bezweckt oder zumindest billigend in Kauf nimmt. Derartige besondere Umstände sind indes hier nicht festgestellt.
b) Unabhängig davon könnte das Berufungsurteil im Übrigen auch deshalb keinen Bestand haben, weil die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht den von ihm gezogenen Schluss tragen, dass die der Klägerin drohende vorübergehende Verweigerung der Registrierung in der gesamten Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens oder doch wenigstens in großen Städten, in denen die erforderliche medizinische Behandlung ihrer Erkrankung möglich ist, jeweils auch an ihre tschetschenische Volkszugehörigkeit oder die Herkunft aus dem Nordkaukasus anknüpfen würde (vgl. Art. 9 Abs. 3 i.V.m. Art. 10 der Richtlinie). Die Überzeugungsbildung des Berufungsgerichts beruht insoweit nicht auf einer hinreichend tragfähigen Tatsachengrundlage (§ 108 Abs. 1 VwGO). Zwar greift die vom Bundesbeauftragten hierzu erhobene Verfahrensrüge mangels hinreichender Darlegung einer Verletzung des rechtlichen Gehörs oder der gerichtlichen Aufklärungspflicht nicht durch. In der Sache rügt er aber zu Recht eine Verletzung materiellen Rechts. Zum einen trifft das Berufungsgericht keinerlei konkrete gebietsbezogene Feststellungen, obwohl es selbst von einer örtlich unterschiedlichen Registrierungspraxis ausgeht, so dass sein Schluss auf eine flächendeckende Anknüpfung der Registrierungsverweigerungen an die tschetschenische Volkszugehörigkeit oder Herkunft aus dem Kaukasus nicht nachvollziehbar begründet ist. Zum anderen setzt es sich nicht, wie erforderlich, mit der abweichenden Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung anderer Oberverwaltungsgerichte auseinander, die aufgrund der Erkenntnislage zum Teil zu der Überzeugung gelangt sind, dass gerade in bestimmten Großstädten der Russischen Föderation, teilweise aber auch darüber hinaus die Registrierungsverweigerung der lokalen Behörden nicht an die tschetschenische Volkszugehörigkeit oder die Herkunft aus dem Nordkaukasus anknüpft, sondern sämtliche Zuzugswilligen in gleicher Weise betrifft (vgl. etwa OVG Lüneburg, Beschlüsse vom 16. Januar 2007 - 13 LA 67/06 - juris und vom 24. Januar 2006 - 13 LA 398/05 - juris ; OVG Bremen, Urteil vom 31. Mai 2006 - 2 A 112/06.A - juris).
c) Da die vom Berufungsgericht angenommene Verfolgung bereits am Fehlen einer zielgerichteten Verfolgungshandlung scheitert (oben a), bedarf es keiner abschließenden Klärung, ob eine Flüchtlingsanerkennung wegen der Registrierungsverweigerung auch deshalb nicht in Betracht käme, weil eine unterstellte künftige Verfolgung aus diesem Grund nicht landesweit drohen, sondern sich auf die Russische Föderation außerhalb Tschetscheniens beschränken würde. Insoweit erscheint fraglich, ob die aus Tschetschenien stammende Klägerin eine mögliche (Gruppen-)Verfolgung in anderen Teilen der Russischen Föderation außerhalb ihres Herkunftsgebiets überhaupt als Nachfluchtgrund für sich geltend machen könnte, obwohl sie zu diesen Gebietsteilen bisher keinerlei Beziehung hatte. Damit wäre auch die Frage verbunden, ob unter Geltung der Qualifikationsrichtlinie an den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur sog. örtlich begrenzten Gruppenverfolgung festgehalten werden kann, ob die für eine regionale staatliche Gruppenverfolgung maßgeblichen Grundsätze uneingeschränkt anzuwenden sind oder nach welchen Kriterien sonst bei einem nach der Ausreise entstehenden Verfolgungsgeschehen in einem Teil des Herkunftslandes zu verfahren ist.
2. Auch wenn die Klägerin nach den vorstehenden Ausführungen nicht aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen (vorübergehende Verweigerung der Registrierung in Teilen der Russischen Föderation als Nachfluchtgrund) als Flüchtling anerkannt werden kann, kann der Senat in der Sache nicht abschließend zulasten der Klägerin entscheiden und ihre Klage auf Flüchtlingsanerkennung abweisen. Das Berufungsgericht hat zwar ausgeführt, dass die Klägerin nicht aus anderen Gründen als Flüchtling anzuerkennen sei. Diese Ausführungen halten aber einer revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand. Denn das Berufungsgericht hat eine Vorverfolgung der Klägerin maßgeblich auch deshalb verneint, weil ihr zum Zeitpunkt ihrer Ausreise eine inländische Fluchtalternative in Inguschetien zur Verfügung gestanden hätte, und hat eine etwaige Rückkehrverfolgung der Klägerin zum Zeitpunkt seiner Entscheidung nach dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und nicht unter Berücksichtigung der Beweiserleichterung für Vorverfolgte nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie geprüft. Dies ist mit § 60 Abs. 1 Satz 4 und 5 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie nicht vereinbar. Da die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ausreichen, die Vorverfolgung der Klägerin sowie ihre Rückkehrverfolgung abschließend zu beurteilen, war die Sache zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Der Verwaltungsgerichtshof hat teilweise eine Vorverfolgung - etwa wegen der Bedrohung durch "Wahabiten" in den Jahren 1996 und 1997, wegen der "Inhaftierung" des Ehemannes der Klägerin durch radikal-islamische Kräfte im Sommer 1999, wegen etwaiger individueller Übergriffe der russischen Staatsgewalt zu Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges und während des Aufenthalts der Klägerin in Moskau von Ende September 1999 bis Anfang Januar 2000 - in der Sache geprüft und verneint (UA S. 11 ff. Rn. 5 ff.). Darüber hinaus hat er aber die Frage einer unmittelbar drohenden Verfolgungsgefahr wegen einer Gruppenverfolgung der Klägerin im Zeitpunkt der Ausreise ausdrücklich offen gelassen, weil eine etwaige darauf beruhende Vorverfolgung wegen des Bestehens einer inländischen Fluchtalternative in Inguschetien ausscheide (UA S. 16 Rn. 13). Eine im Zeitpunkt seiner Entscheidung drohende gruppenbezogene oder individuelle Verfolgung in der Russischen Föderation hat er infolgedessen nur nach dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit geprüft (vgl. ausdrücklich etwa UA S. 41 Rn. 61) und - abgesehen von der Verfolgung wegen des oben behandelten Nachfluchtgrundes - in der Sache verneint. Dies entspricht zwar der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. etwa Urteil vom 8. Dezember 1998 - BVerwG 9 C 17.98 - BVerwGE 108, 84 85, 87> und Beschluss vom 30. November 2004 - BVerwG 1 B 49.04 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 295; zum Asylrecht grundlegend BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 a.a.O. S. 344), ist aber für das Flüchtlingsrecht unter der Geltung der Richtlinie 2004/83/EG nicht mehr mit Bundesrecht vereinbar.
Im Rahmen der Flüchtlingsanerkennung nach der Qualifikationsrichtlinie kann entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs eine Vorverfolgung nicht mehr wegen einer zum Zeitpunkt der Ausreise bestehenden Fluchtalternative in einem anderen Teil des Herkunftsstaates verneint werden (ebenso im Ergebnis u.a. VGH Kassel, Urteil vom 21. Februar 2008 - 3 UE 191/07.A - NVwZ-RR 2008, 828; Hailbronner, Ausländerrecht, § 60 Rn. 97; Marx, Handbuch der Flüchtlingsanerkennung § 14 Rn. 62). Dies ergibt sich allerdings nicht schon ohne weiteres aus der gemäß § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG anzuwendenden Bestimmung des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie, nach der die Mitgliedstaaten bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen für einen internen Schutz nach Abs. 1 erfüllt, die dortigen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers "zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag" zu berücksichtigen haben. Denn diese Vorschrift besagt zunächst nur, dass eine Flüchtlingsanerkennung - bei festgestellter drohender Verfolgung des Antragstellers in einem Teil des Herkunftslandes - nicht wegen einer früher vorhandenen, sondern nur wegen einer im Zeitpunkt der Entscheidung bestehenden internen Schutzalternative versagt werden kann, wie dies auch der bisherigen deutschen Rechtsprechung entspricht. Die Vorschrift betrifft dagegen nicht die hier zu klärende - systematisch vorgelagerte - Frage, ob der Anwendung der Beweiserleichterung für Vorverfolgte eine zum Zeitpunkt der Ausreise bestehende interne Flucht- oder Schutzalternative entgegensteht. Diese Frage ist anhand von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie zu beurteilen. Nach dieser Bestimmung ist - soweit es um die Flüchtlingsanerkennung geht - die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde bzw. von solcher Verfolgung unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von solcher Verfolgung bedroht wird. Bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich, dass einem Antragsteller, der im Herkunftsstaat Verfolgung erlitten hat oder dort unmittelbar von Verfolgung bedroht war, die Beweiserleichterung nach Maßgabe von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie unabhängig davon zugute kommen soll, ob er zum Zeitpunkt der Ausreise auch in einem anderen Teil seines Heimatlandes hätte Zuflucht finden können. Die Beweiserleichterung in Form einer widerlegbaren Vermutung knüpft nämlich nur an den Umstand einer erlittenen oder unmittelbar drohenden Verfolgung, nicht aber an weitere Voraussetzungen - wie etwa Schutzmöglichkeiten in anderen Landesteilen - an. Die Vorschrift soll erkennbar beweisrechtlich diejenigen privilegieren, die in ihrem Heimatland tatsächlich bereits persönlich Verfolgung erfahren haben, weil sie diese entweder selbst erlitten haben oder von ihr unmittelbar bedroht waren. Dem Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsschutzes soll dagegen durch eine Verweisung auf eine zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Flüchtlingsanerkennung bestehende interne Schutzalternative Rechnung getragen werden (vgl. Art 8 Abs. 2 der Richtlinie). Dies bedeutet nicht, dass derjenige, der trotz innerstaatlicher Fluchtalternative im Zeitpunkt der Ausreise Schutz im Ausland sucht, ungerechtfertigt begünstigt wird. Denn eine solche innerstaatliche Fluchtalternative zum Zeitpunkt der Ausreise führt, sofern sie zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Flüchtlingsanerkennung unverändert fortbesteht, auch unter Geltung der Richtlinie zur Versagung der Anerkennung. Die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie, dass die Furcht des Antragstellers vor künftiger Verfolgung begründet ist, kommt nämlich dann wegen des Vorliegens eines internen Schutzes im Sinne von Art. 8 der Richtlinie nicht zum Tragen. Eine Vergünstigung gegenüber der bisherigen deutschen Rechtslage kann sich für Vorverfolgte daher allenfalls bei einem Wegfall der internen Schutzalternative nach der Ausreise ergeben. Der Senat hält aus diesen Gründen für das Flüchtlingsrecht - anders als für das Asylrecht nach Art. 16a GG - nicht mehr an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, wonach der in einem Teil des Heimatlandes Verfolgte oder von Verfolgung Bedrohte, der zum Zeitpunkt seiner Ausreise in anderen Landesteilen den erforderlichen Schutz hätte finden können, nicht als vorverfolgt angesehen werden kann. Insofern ist der Begriff der Vorverfolgung im Sinne der Richtlinie anders zu verstehen als im Rahmen des Asylrechts nach Art. 16a GG, wonach eine landesweit ausweglose Lage des Asylbewerbers im Zeitpunkt der Ausreise erforderlich ist.
Der Verwaltungsgerichtshof durfte deshalb nicht offen lassen, ob die Klägerin vor ihrer Ausreise unmittelbar von einer Gruppenverfolgung bedroht war, und sie allein wegen einer zu diesem Zeitpunkt noch bestehenden Fluchtalternative in Inguschetien als nicht vorverfolgt ansehen. In dem weiteren Berufungsverfahren wird der Verwaltungsgerichtshof eine Vorverfolgung der Klägerin im Sinne von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie erneut prüfen müssen. Im Falle der Bejahung einer solchen Vorverfolgung müsste er bei der Beurteilung, ob der Klägerin künftig erneut eine solche Verfolgung droht, die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie berücksichtigen. Dem dürfte bei Zugrundelegung des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabes und der Feststellung einer hinreichenden Sicherheit vor solcher Verfolgung im Ergebnis regelmäßig Genüge getan sein (vgl. Vorlagebeschlüsse des Senats vom 7. Februar 2008 - BVerwG 10 C 33.07 - ZAR 2008, 192 und vom 14. Oktober 2008 - BVerwG 10 C 48.07 - juris Rn. 14, zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen). [...]